René Prévot über München III

René Prévot mit Freundin Anita und Freund René Schickele besuchten 1905 den Münchner Fasching:

Wir kamen rechtzeitig, um eines der glänzendsten Faschingsfeste mitzufeiern, das Schwabing jemals begangen hatte. Glänzend, nun, Herr Großhuber mit der Zweipfünder-Golduhrkette hätte was anderes darunter verstanden. Vielleicht solch ein Fest, wie es 1891 unter dem Motto „Auf dem Meeresgrund“ stattfand... Wir Schwabinger waren bescheidener – und doch auch wieder weniger bescheiden. Wir sahen den Glanz in etwas anderem. Etwa 14 Tage wirbelnden Lebens hatten genügt, um Anita mit der gesamten Staffage Münchens bekannt zu machen ... Als wir, Anita, Schickele und ich, über Geiselgasteig und Höllriegelskreuth nach Pullach kamen und das Isartaler Wirtshaus betraten, wo sich nach Frank Wedekinds Idee ein Schock illustrer Geister – und um sie herum zehn Schock weniger illustrer – zu einer „Elendenkirchweih“ zusammenrotteten, empfingen uns bereits wiegende Walzertakte. Über die breitgestuften Terrassen schwebte ein Volk von Korsaren und Bajaderen hin, rote Henker und blaue Matrosen, Prinzessinnen und Grisetten. Arm in Arm schritten paradoxe Paare dahin, ein sächselnder Doktor Faust mit Kleopatra, Don Quixote mit Gretchen.

René Prévot, Kleiner Schwarm für Schwabylon, 1954 (Zit. aus: René Prévot: Kleiner Schwärm für Schwabylon. München 1954, S. 69f.)

 

René Prévot (1880-1955), elsässischer Schriftsteller und Journalist; Aufenthalt in München: 1902 bis 1955

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek