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Gedichte gegen den Krieg von Jan-Eike Hornauer

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Detail des "Kriegerbrunnens" zu Speyer mit Inschrift.

Jan-Eike Hornauer (* 1979 in Lübeck) ist freier „Textzüchter“ (Autor, Herausgeber, Lektor, Texter). Aufgewachsen in Hausen bei Aschaffenburg, hat er in Würzburg Germanistik und Soziologie studiert und lebt seit 2006 in München. Er ist langjähriger zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins Realtraum e.V., als freier Redakteur für „DAS GEDICHT blog“ tätig und Mitglied der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik. Veröffentlichungen in zahlreichen Anthologien sowie Literaturzeitschriften. Im Mai 2020 gewann er u.a. den deutschlandweiten Europa-Literaturwettbewerb von Stadt München und Lesebühne Litbox2. Zuletzt erschienen sein zweiter Solo-Lyrikband Das Objekt ist beschädigt – zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt und die von ihm herausgegebene Anthologie Wenn Liebe schwant (beide muc Verlag). 

Die folgenden drei Gedichte gegen den Krieg werden mit freundlicher Genehmigung des Autors abgedruckt.

*

 

Homo sapiens exballistans1

Es schießt der Mensch sehr gerne selbst sich nieder.
Ein jedes Tier hat halt so seinen Spaß.
Doch beißt er nicht nur durch sich selbst ins Gras,
er singt darauf dann auch noch Heldenlieder.

Ihm ist Vernunft, sagt er, durch Gott gegeben,
auch wenn’s schon in sich keine Logik hat.
Und macht gleich den dann grimmig-freudig platt,
der ihm nicht folgt. Was gäb’ es sonst an Leben!

Der Mensch macht bloß mit Schießgewehr
– das nur der Lohn für harte Arbeit ist! –
im Anschlag letzt- und endlich echt was her!

Bespöttelt wird zu Recht der Pazifist:
Er widerspricht! Und auch noch dieser Mär!
Trau keinem, der das Menschsein so vergisst!

 

Niemals gescheiter

Der Preis für Frieden ist:
auf Krieg verzichten.

Leicht ist das?

Ganz leicht?

Mitnichten!

Das zeigen schon die Zeitenläufte,
in denen sich das »Kriegsglück« häufte

– und die Läufte laufen weiter,
die Menschheit wird ja kaum gescheiter.

Man steht ohne Rat
am Sandkastenrand;

sieht Streit sich entspinnen
– und wartet gespannt.

Und sieht, da beharrt,
es ist ja sein Recht,
der eine auf was; und vollkommen schlecht
findet’s der andre, der wütend schon scharrt

mit allen Hufen,
hört diesen stocksauer
irgendwas rufen …
und eins, zwei, drei:
es zeigen, klar,
schon beide die Hauer,
dann ist sie da,
die Keilerei.

Ein jeder verteidigt
(und keiner greift an!),
ein jeder: beleidigt,
wie man’s nur sein kann.

Das Ende:
in Trümmern;
nur trauern, bekümmern.

Und auch die Frage:
Ging’s friedlicher nicht?

Man sei ja auf Frieden immer erpicht!
Doch wenn der andre ihn versage …

So geht’s seit je, für alle Tage.
Auch weil man sehr gerne und eifrig verdrängt:
Es gibt doch grundsätzlich nie was geschenkt.

So kostet auch Frieden. Doch ist er es wert!
Die billige Lösung, der Krieg, umgekehrt:
Sein Preis ist zu hoch, wer ihn führt, verliert.

Man weiß es! Man weiß es, und was doch passiert:
Gefühle erhitzen,
und Streit bricht hervor;
und freilich auch nützen ­–
man weiß es, man weiß es, man ist ja kein Tor –
Kriege auch manchen üblen Gestalten …
die hetzen dann weiter

und alles, ja alles bleibt somit beim Alten.
Die Menschheit wird niemals wirklich gescheiter.

Im Sandkasten ist bereits viel zu viel Rot.
Beklagt sich der Mensch.
Und scharrt doch bald wieder
mit seinen Hufen
(die erste der höheren Zornesstufen),
dann wetzt er die Hauer,
senkt seinen Blick nieder,
in heiliger Wut, mit erregendem Schauer
schlägt er sich nun, wie er es stets tut,
aus tiefster Not,
wieder mal tot.

 

Die heiße Kameradin2

Ich hatt' ne Kameradin,
die war wie Dynamit.
Und wenn sie losmarschierte,
kam jeder gerne mit.

Sie war so grrr, so lechz-lechz,
und das auf Schritt und Tritt.
Wir dachten nie: ›Das rächt sich!‹
Nur: ›Das macht Appetit!‹

So kamen wir in Kriege,
wo mancher grausam litt.
Und hielten doch zusammen,
denn sie war unser Kitt.

Und viele von uns starben.
Bald war'n wir nur zu dritt.
Da ging sie – bamm! – in Fetzen
durch echtes Dynamit.

Wir ham sie teils begraben
(so ganz ging's eben nit)
und gaben ihr nebst Tränen
auch noch Granaten mit.

Dann gingen wir nach Hause,
mit Welt und Kämpfen quitt.
Hier träumen wir noch heute
von ihr, vom Dynamit.

 

[1] Erstveröffentlicht in DAS GEDICHT 27 – Dichter an die Natur, hg. v. Christoph Leisten u. Anton G. Leitner, Weßling 2019.

[2] Inspiriert durch Ludwig Uhlands Der gute Kamerad – das Gedicht von 1809 ist ins Liedgut erst der Wehrmacht sowie hernach des österreichischen Bundesheeres und der deutschen Bundeswehr eingegangen, wo es bis heute eine prominente Stellung innehat und von wo aus es letztlich auch immer noch deutlich in die Zivilgesellschaft ausstrahlt.