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Georg Britting im Juni 1952 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)

Schönfeldstraße 22, Pfälzer Weinhaus „Zum Schönfeld“

Als ein späterer Freund Brittings, Curt Hohoff, zum ersten Mal nach München kommt, trifft er Severing und Herrn Güldner in ihrer Buchhandlung. „Noch am gleichen Abend nahm mich Severing mit zu seinem Stammtisch in der Schönfeldstraße. Dort, sagte er, werden Sie den größten in München lebenden Dichter kennen lernen, Georg Britting.“

Im gleichnamigen Kapitel des Buches Unter den Fischen erzählt ein Freund Brittings von der Weinstube, die ihren Spitznamen „Unter den Fischen“ von den Freunden dadurch erhält, dass sie sich immer an einem Tisch in dieser Gaststube treffen, über welchem ein Bild von Fischen in einem Fischbehälter hängt. „Unter diesem Bild versammelte sich fast jeden Tag der Woche die gleiche Runde, der Stammtisch unter den Fischen im Schönfeld. Es war eine Adresse von starken Trinkern, Essern und Rauchern, von Künstlern, Journalisten, Ärzten, einem Buchhändler und einem Verleger“. Georg Britting hält hier Hof, wie Curt Hohoff es einmal bezeichnet. Möchte man Britting nicht nur zu Fuß, sondern auch kulinarisch folgen, so bietet sich hier ein Glas Bockenheimer Wein, damals noch für 27 Pfennige, und dazu abgebräunte Kälberfüße an. Zu späterer Stunde, meist gegen zehn Uhr, bestellt Britting auch gerne ein „Käse-Dessert“, eine Portion Käse mit Butter und Brot. Nirgends fühlt Britting sich so behaglich wie bei einem herzhaften Wirtshausessen, erinnert sich ein Freund. Sein Freund Atzinger, ein Arzt, sucht bei solchen Gelegenheiten gerne Speisen aus, in der Hoffnung, Britting werde sie mögen.

Zu den vielen Besuchern an Brittings Stammtisch in der Schönfeldstraße bemerkt ein Freund: „Ich weiß auch, was sie anzog, es war die große Natur, die Großherzigkeit Georg Brittings.“ Frauen haben zu dem Stammtisch unter den Fischen allerdings keinen Zutritt; eine Ausnahme ist die Schauspielerin Magda Lena, die sich nach ihren Auftritten im Theater oft zu der Männerrunde gesellt. Der Platz gegenüber Britting ist immer für sie freigehalten. Die Anwesenheit einer Frau an diesem Tisch – er fasst bis zu zwölf Personen – lässt die Männer manches Thema dann doch vermeiden. Später lernt Britting durch sie seine zukünftige Frau kennen, Ingeborg Fröhlich. „Die anderen [Frauen], wenn sie kamen, um ihren Männern eine Nachricht zuzutragen, wagten sich nicht zu setzen und wurden auch nicht dazu aufgefordert. Sie fürchteten Brittings Unwillen.“ Britting wird im Bezug auf Frauen so beschrieben, dass er sehr höflich im Umgang mit Frauen war, allerdings lebte er immer in der Sorge, diese Damen könnten sich in literarische Gespräche einmischen, die ihre Kompetenzen, seiner Meinung nach, aber deutlich überschreiten würden. „Hier saßen sie zusammen, vom Genie bis zum Schnorrer, unter der milden Tyrannei der Persönlichkeit Georg Brittings.“ Eine Künstlerkneipe, so Brittings Freund Hohoff, ist die Schönfeldstube aber nicht, und um ein Uhr „rasselte der Wirt mit den Schlüsseln, und Anni, die Kellnerin, kam mit der Rechnung.“

Solche, die in Schenken sitzen

Solche, die in Schenken sitzen,
Kommen leicht in Streit,
Runzeln zornig ihre Brauen
Voller Heftigkeit.
Himmel kann nicht immer blauen,
Manchmal ist er rot von Blitzen!

Doch ein angemeßnes Wort
Treibt die Wetterwolken fort,
Macht die Lüfte wieder rein.

Fröhlicher, und fern von Frauen,
Auf den grün erfrischten Auen
Trinken die Versöhnten ihren Wein

Doch auch hier zeigen sich neben der Idylle und Überschaubarkeit von Brittings München die Probleme der Zeit des Dritten Reiches. Als Britting und sein Freund Curt Hohoff im November 1938 in der Schönfeldstube beisammen sitzen, kommt die Kellnerin um 11 Uhr nachts zu ihnen an den Tisch und flüstert ihnen zu, dass gerade die Synagoge angezündet würde. Später wird diese Nacht auch als „Reichskristallnacht“ bezeichnet. Als sie diese sich gemeinsam ansehen gehen, bemerkt sein Freund: „Brittings gefurchtes Gesicht wirkte abwesend, unbeweglich. Ich zupfte ihn zum Gehen. Als wir in die Neuhauserstraße kamen sagte er plötzlich: Oh Menschheit!“

Seinen Gedichtband Lob des Weines widmet er seinen Freunden am Stammtisch unter den Fischen.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Anna Keil

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