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Bayern und Japan (3): Die Beziehungen zwischen Europa und Japan seit 1800. Holland und Philipp Franz von Siebold als Vermittler

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Japanische Siebold-Briefmarke, 1996

Japan ist in vielerlei Hinsicht historisch eng mit Deutschland und Bayern verbunden. Mit der Gegenreformation und der jesuitischen Mission in Japan im 16./17. Jahrhundert wurden in München, aber auch an anderen Orten in Bayern seit 1623 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts religiöse Theaterstücke mit japanischen Helden aufgeführt. Nach Mitte des 19. Jahrhunderts setzten zwischen Bayern und Japan intensive Kontakte in Politik, Wissenschaft, Kunst und in der Wirtschaft ein. Wie sich diese Kontakte bis um 1900 entwickelten, auch wie Japaner damals München sahen und München Japan und Japaner erlebte, das ist Inhalt dieser neuen 9-teiligen Blogreihe der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und Autorin Ingvild Richardsen

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Um 1800 fanden viele politische Veränderungen in Europa statt. Anstelle Spaniens und Portugals besaßen die Niederlande und England Kolonien in Südostasien. Die europäischen Völker waren durch die Kriege mit Napoleon geschwächt; die Niederlande konnte sich erst um 1820 wieder um Dejima und die Handelsverbindungen kümmern. Dejima diente japanischen Gelehrten dazu, Wissen über Europa zu bekommen. Vor allem die europäische Medizin interessierte sie. Ziel der Holländer war es nun, gute Berater in Japan zu werden, den japanischen Gelehrten technische und wissenschaftliche Errungenschaften aus Europa vorzuführen. Zu diesem Zweck suchte man einen Naturwissenschaftler sowie zwölf Ärzte für den Dienst auf den Schiffen der Niederländischen Ostasienkompanie (VOC) und auf Java.

Philipp Franz von Siebold (1796-1866) aus Würzburg

Die Holländer fanden für ihre Japan-Mission schließlich den Naturwissenschaftler und Arzt Philipp Franz von Siebold, der aus Würzburg in Bayern stammte. Siebold ging nach Den Haag und wurde 1822 zum Stabsarzt ernannt. Im Auftrag der Niederlande landete er 1823 zuerst auf Java. Danach ging er nach Japan, nach Dejima. Als Naturforscher sollte er Politik, Land und Erzeugnisse kennenlernen und nach Nutzpflanzen Ausschau zu halten, die sich in den Kolonien der Niederlande kultivieren ließen.

Siebolds erster Aufenthalt in Dejima – 1823 bis 1829

Siebolds Ankunft in Dejima sprach sich in Nagasaki schnell herum. Ärzte und Wissenschaftler besuchten ihn. Als ihm eine (Augen-)Staroperation gelang, galt er als Wunderarzt.

Ansicht Blick auf Dejima, Ansicht der Bucht und des Hafens von Nagasaki im Jahre 1828 (Abb. 1 in Siebold: Nippon, 1897)

Farbdruck von Kawahara Keiga: Einlaufen eines niederländischen Schiffs in die Bucht von Nagasaki. Franz von Siebold mit Fernrohr (Mitte) sowie seine Lebensgefährtin Taki mit Tochter Ine (rechts).

Siebold legte in Dejima einen Garten an, in welchem er japanische Gewächse anbaute, kultivierte und klassifizierte. Als ihn der japanische Hofastronom später unerlaubt mit Landkarten versorgte, wurde dies beiden zum Verhängnis. Der Hofastronom wurde verhaftet und Siebold 1829 lebenslang aus Japan verbannt.

Verbannung aus Japan – seit 1830 Siebold in Leiden

1830 kehrte Siebold über Java zurück in die Niederlande, in die alte Universitätsstadt Leiden. Sein früheres Haus, das sogenannte Sieboldhuis, ist heute ein Japan-Museum, das mitten in der Innenstadt von Leiden liegt. In ihm befindet sich Siebolds erste Japan-Sammlung.

Siebolds Japan-Sammlung war die erste Sammlung von Kunst- und Alltagsgegenständen aus Japan in Europa. Im Botanischen Garten kultivierte er auch viele seiner aus Japan mitgebrachten Pflanzen. Außerdem schrieb er in Leiden bedeutende Werke über die japanische Pflanzen- und Tierwelt: Flora Japonica und Fauna Japonica. Tatsächlich haben die Europäer Siebold den Transfer japanischer Pflanzen nach Europa zu verdanken. Überall erhielt er dafür Orden und Ehrungen. König Ludwig I. überreichte Siebold in München die Skizze eines Planes zur Errichtung eines ethnographischen Museums in München, den Grundstein für das heutige „Museum Fünf Kontinente“.

Ein zweites Mal in Japan

1859 hob die japanische Regierung Siebolds Verbannung wieder auf. Siebold reiste jetzt mit seinem Sohn Alexander aus zweiter Ehe nach Japan. In Dejima hatte er eine Beziehung mit der Japanerin Kusomotoi Taki geführt, aus der die gemeinsame Tochter Kusomoto Ine hervorging; seine japanische Familie hatte er aber nach seiner Verbannung aus Dejima verlassen müssen. Siebolds Tochter sollte später die erste nach westlichen Maßstäben ausgebildete Frauenärztin Japans werden und wurde sogar an den Kaiserhof berufen. 1852 kam Siebolds Enkelin Takako Kusomoto zur Welt. 1862 musste Siebold Japan ein zweites Mal Japan verlassen. Nun kehrte er zurück nach Bayern, zuerst nach Würzburg, dann ging er nach München.

Siebolds zweite Japan-Sammlung kommt nach München

Im April 1866 durfte Siebold die große Sammlung, die er während seines zweiten Aufenthaltes in Japan zusammengetragen hatte, in München in den Hofarkaden gegenüber der Residenz ausstellen. Er plante diese dem bayerischen Staat zu verkaufen.

Japan und Bayern: Blaues Land

Als der französische Dichter Alphonse Daudet (1840-1897) 1866 Siebold in München in seinem ethnographischen Museum besuchte, das ihm König Ludwig I. zur Verfügung gestellt hatte, zeigte Siebold ihm seine japanische Sammlung. Daudet, dem wir einen Bericht über Siebolds letzte Tage verdanken, schrieb:

Ich besuchte ihn jeden Tag. Wir blätterten stundenlang in den illustrierten japanischen Handschriften, in den wissenschaftlichen und historischen Schmökern. Dann ordneten wir die Waffensammlung, die Goldhelme, Rüstungen, Kettenhemden und die zweihändigen Schwerter, mit denen sich so leicht der Bauch aufschlitzen lässt. Japan und Bayern, die beiden mir noch neuen Länder, vermischten sich in meinem Bewusstsein, wurden mir eine Art Traumreich, blaues Land. Die blauen Linien auf den japanischen Tassen. Ich fand sie auf den blauen Fresken der Hofgartenmauern wieder, blaue Soldaten exerzierten in den Kasernenhöfen, vergissmeinnichtblauer Himmel. Die blauen Kutscher gehörten zu diesem blauen Land und auch der blaue Starnberger See, der sich noch tief in meinem Gedächtnis spiegelt.

Siebold, der sich, wie es bei seiner Grabrede hieß, „berufen hielt, das ferne Japan durch die Fäden der Wissenschaft mit den Lebenskreisen Europas zu verschlingen“, starb am 18. Oktober 1866 in München. Er wurde auf dem Alten Südlichen Friedhof begraben.  

1868 wurden die Hofarkaden zur Heimat der „Königlichen Ethnographischen Sammlung“. Siebolds Sammlung (über 2.000 Stücke) wurde allerdings erst 1874 offiziell einverleibt. Die Presse schrieb, dass seine Sammlung durch ihre Vielfalt und Vollständigkeit ein höchst überraschendes Bild des kulturellen Zustands Japans vorführe, besonders aber von der bewundernswürdigen Leistungsfähigkeit der „Japanesen“ auf dem Gebiet des Kunstgewerbes zeuge. Heute befindet sich Siebolds Japan-Sammlung im „Museum Fünf Kontinente“ im Depot, obwohl sie eigentlich ein eigenes Museum verdient hätte.

Sieboldhuis in Leiden

Hinter einer historischen Fassade liegt in Leiden das Japanmuseum Sieboldhuis. Das Museum ist nach Philipp Franz von Siebold (1796-1866) benannt, der das Haus von 1832 bis 1845 bewohnte. Das Haus präsentiert die schönsten Dinge aus dem alten und modernen Japan in einem alten holländischen Gebäude. Drucke, Lackarbeiten und Keramik, Fossilien, Herbarien, präparierte Tiere, Kleidung, historische Landkarten und Hunderte anderer Schätze, die Siebold zwischen 1823 und 1829 in Japan sammelte. Die Objekte stammen aus den Sammlungen des Naturalis Biodiversity Center, des Nationalmuseums der Weltkulturen und der Universität Leiden. Ein Film im Eingangsraum erzählt die Geschichte von Siebolds Leben, seiner Arbeit und seinen Aufenthalten in Japan.

Sieboldhuis. Foto: Frank van Deijk

Siebold Memorial Museum in Nagasaki

In Japan wurde Siebolds Andenken durch seine Schüler wachgehalten. Heute kennt in Japan jedes Schulkind Siebold, auch wenn man denkt, er wäre Holländer gewesen und nicht Deutscher. In Nagasaki befindet sich das Siebold Memorial Museum.  

Sieboldmuseum in Würzburg

Das dritte Museum zum Gedenken an den Arzt und Naturforscher Philipp Franz von Siebold wurde 1995 in seiner Geburtsstadt Würzburg eröffnet. In der Villa befindet sich auch eine deutsch-japanische Begegnungsstätte und eine Japan-Bibliothek. In der Dauer-Ausstellung sind Objekte des Japanforschers Siebold zu sehen. Das Museum arbeitet eng mit dem Sieboldmuseum in Nagasaki zusammen. Im Erdgeschoß befinden sich die Exponate der Dauerausstellung zum Leben von Siebold. Daneben bieten die Räume die Möglichkeit zur Ausrichtung verschiedener Veranstaltungen, Konzerte, Symposien, Versammlungen und andere Festlichkeiten werden hier ebenfalls durchgeführt.

 

Tipp: Noch bis 6. Juli 2025 läuft die  Jahresausstellung Farben Japans – Holzschnitte aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek.