Joseph von Eichendorff / Oberpfälzer Litera-Tour

Am 12. Mai 1807 besuchte der oberschlesische Dichter der deutschen Hoch-Romantik, Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857) – von Passau kommend – die Donaustadt Regensburg auf seiner Reise zur Universität Heidelberg. Eichendorff schreibt in sein Tagebuch : „Es ist herzergreifend, wie diese alte berühmte Stadt jetzt durch die Auflösung des Reichstages öde und leer ist; nur die Kirchen schauen erhaben über die kleinlichen Jahre, einsam aus den alten kräftigen Zeiten der Herrlichkeit herüber.“
Und am 14. Mai 1807 heißt es:
Früh fort. […] Schöne Aussicht auf Regensburg, das in dem fernen Tale mit seinen alten Türmen wie eine ungeheure Ruine daliegt.
Exakt ein Jahr später, am 13. Mai 1808, reist Joseph Freiherr von Eichendorff wieder von Heidelberg zurück ins heimatliche Schloß Lubowitz (Oberschlesien), ab Regensburg aus finanziellen Gründen mit einem Postschiff donauabwärts. Die Beschreibung der Donaufahrt im 1. Kapitel seines Jugendromans Ahnung und Gegenwart (1815 gedruckt) gibt die Stimmung dieser romantisch (idealisierten) Schiffsreise wieder:
Die Sonne war eben prächtig aufgegangen, da fuhr ein Schiff zwischen den grünen Bergen und Wäldern auf der Donau herunter. […] Wer von Regensburg her auf der Donau hinab gefahren ist, der kennt die herrliche Stelle, welche der Wirbel genannt wird. […] Sie fuhren soeben an einer kleinen Stadt vorüber. Hart am Ufer war eine Promenade mit Alleen. Herren und Damen gingen im Sonntagsputze spazieren, führten einander, lachten, grüßten und verbeugten sich…
Der Mensch geht gänzlich im Bildhaften auf, in der wunderbaren Farbenpracht der Natur. Seine Seele ist eins mit der vom göttlichen Geist durchwehten Natur. Für die Quellen Eichendorffs Dichtung werden Naturerlebnis und Geschichtserlebnis ein Leben lang Gültigkeit haben.
Sekundärliteratur:
Regener, Ursula (2019): Eichendorff in Regensburg 1807 und 1808. Zum Sightseeing unter prekären Bedingungen und zur Donaufahrt in Ahnung und Gegenwart. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 159, S. 313-352 (PDF). Permanenter Link:
https://nbn-resolving.org/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:355-rbh-3048-3, (03.06.2020).
Weitere Kapitel:

Am 12. Mai 1807 besuchte der oberschlesische Dichter der deutschen Hoch-Romantik, Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857) – von Passau kommend – die Donaustadt Regensburg auf seiner Reise zur Universität Heidelberg. Eichendorff schreibt in sein Tagebuch : „Es ist herzergreifend, wie diese alte berühmte Stadt jetzt durch die Auflösung des Reichstages öde und leer ist; nur die Kirchen schauen erhaben über die kleinlichen Jahre, einsam aus den alten kräftigen Zeiten der Herrlichkeit herüber.“
Und am 14. Mai 1807 heißt es:
Früh fort. […] Schöne Aussicht auf Regensburg, das in dem fernen Tale mit seinen alten Türmen wie eine ungeheure Ruine daliegt.
Exakt ein Jahr später, am 13. Mai 1808, reist Joseph Freiherr von Eichendorff wieder von Heidelberg zurück ins heimatliche Schloß Lubowitz (Oberschlesien), ab Regensburg aus finanziellen Gründen mit einem Postschiff donauabwärts. Die Beschreibung der Donaufahrt im 1. Kapitel seines Jugendromans Ahnung und Gegenwart (1815 gedruckt) gibt die Stimmung dieser romantisch (idealisierten) Schiffsreise wieder:
Die Sonne war eben prächtig aufgegangen, da fuhr ein Schiff zwischen den grünen Bergen und Wäldern auf der Donau herunter. […] Wer von Regensburg her auf der Donau hinab gefahren ist, der kennt die herrliche Stelle, welche der Wirbel genannt wird. […] Sie fuhren soeben an einer kleinen Stadt vorüber. Hart am Ufer war eine Promenade mit Alleen. Herren und Damen gingen im Sonntagsputze spazieren, führten einander, lachten, grüßten und verbeugten sich…
Der Mensch geht gänzlich im Bildhaften auf, in der wunderbaren Farbenpracht der Natur. Seine Seele ist eins mit der vom göttlichen Geist durchwehten Natur. Für die Quellen Eichendorffs Dichtung werden Naturerlebnis und Geschichtserlebnis ein Leben lang Gültigkeit haben.
Regener, Ursula (2019): Eichendorff in Regensburg 1807 und 1808. Zum Sightseeing unter prekären Bedingungen und zur Donaufahrt in Ahnung und Gegenwart. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 159, S. 313-352 (PDF). Permanenter Link:
https://nbn-resolving.org/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:355-rbh-3048-3, (03.06.2020).
Kommentare
Ist denn am Anfang von "Ahnung und Gegenwart" tatsächlich von Regensburg die Rede? Ich würde es immer gern glauben, dass der Roman dort spielt, es heißt aber, wie richtig angeführt: "Wer von Regensburg her auf der Donau hinab gefahren ist, der kennt die herrliche Stelle, welche der Wirbel genannt wird." Nun kam Eichendorff ja bis Wien, das geht von Regensburg noch weit flussabwärts. Und der Wirbel an der Steinernen Brücke heißt nicht "Wirbel", sondern "Strudel". Ein Wirbel, der "Wirbel" oder geläufiger "Donauwelle" heißt (nicht der Kuchen...), kommt erst an der Grenze zwischen Ober- und Niederösterreich bei Neustadtl an der Donau, an einer Burg Hausstein, die 1854 gesprengt wurde. In dieser ober-/niederösterreichischen Variante wäre die Stadt aus "Sie fuhren soeben an einer kleinen Stadt vorüber" die kleine Stadt wohl Grein, weil man Neustadtl nicht vom Donauufer aus sehen kann. Die Frage ist auch, wo denn in der Regensburger Variante der "seltsam geformt[e] Fels von dem ein hohes Kreuz trost- und friedenreich in den Sturz und Streit der empörten Wogen hinabschaut." Es ist ein schöner Gedanke, die Orte der Handlung noch besuchen zu können. Gibt es denn eindeutige Belege für die eine oder die andere Möglichkeit?
Inzwischen konnte ich nachschauen und kann defintiv behaupten: Ja, es gibt einen eindeutigen Beleg - im Kommentar der Eichendorff-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlags, die es heute dankenswerterweise für 10 Euro gibt (für den Originalpreis kann man auch gleich die Reise vor Ort unternehmen...):
Nach [Eichendorffs historisch-kritischer Gesamtausgabe] 3 (1913), S. 452 paßt die Beschreibung „auf den Donauwirbel bei Grein, wie er in einer gleichzeitigen Reisebeschreibung Bertuchs dargestellt wird. (Bemerkungen auf einer Reise von Thüringen nach Wien im Winter 1805 bis 1806. Weimar [im Verlage des Landes-Industrie-Comptoirs] 1808, I 49.) Der Felsen mit dem Kreuz wäre der heute gesprengte Felsen Hausstein.“
Ohne jemandem das literarische oder touristische Geschäft zu verhageln, hab ich das mal in
Alle wurden bei diesem Anblicke still und atmeten tief über dem Wellenrauschen: Regensburg bis Grein dargestellt. Meine literaturwissenschaftlichen Leistungen liegen ein Weilchen zurück, ein bisschen stolz bin ich also schon :)
Natürlich handelt es sich bei Ahnung und Gegenwart (1815) um keinen realen Reisebericht, sondern er gibt die Stimmung einer romantisch idealisierten Schiffsreise wieder. Als jemand, der auch in Regensburg (ab 1967) gewohnt hat, weiß ich, dass sich "der Strudel" bei der Steinernen Brücke befindet. Eichendorffs Roman darf keinesfalls als topologisch genaue Fahrt gesehen werden. Vgl. dazu die Fußnoten zu meinen Aufsatz "Eichendorff in der Oberpfalz" in: Oberpfälzer Heimat Bd. 55/2011, S. 103-116.
Das ist mindestens mal interessant. Den Aufsatz versuch ich mal aufzutreiben. 2011, das ist ja noch ganz frisch.