Uraufführung der Theaterkollage "This Plot is not for Sale"
Am 31. Oktober findet im Rahmen des Theaterfestivals SPIELART die europäische Erstaufführung des Theaterstücks This Plot is not for Sale statt. Das fünfsprachige Theaterprojekt entstand unter der Leitung des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen in Zusammenarbeit dreier Autorinnen und Autoren zwischen München und Nairobi im digitalen Raum. Als Medienkooperationspartner hat das Literaturportal Bayern drei Essays der Kunstschaffenden Ursula Gisemba, Denijen Pauljiević und Theresa Seraphin veröffentlicht, in denen sie über ihre kollektive sowie individuelle Arbeit am Stück reflektieren.
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Nun ist es diesen Freitag soweit und das Stück feiert im PATHOS Theater in München von 20.30 bis 22.10 Uhr seine Premiere mit anschließendem Publikumsgespräch. Wer die erste Vorstellung verpasst, hat am folgenden Tag, den 1. November, ein weiteres Mal die Möglichkeit This Plot is not for Sale zu erleben.
Die Inszenierung
Im Zentrum dieser mehrsprachigen Theatercollage steht ein Trio mit unterschiedlichen Perspektiven: Stevan, ein serbischer Fotograf mit einer geheimnisvollen „Camera Absurda“; Pete, eine ehrgeizige Kenianerin der Mittelschicht; und Kathi, eine deutsche Erbin mit postkolonialem Schuldkomplex. Alle drei wollen die Kamera für ihre eigenen Zwecke nutzen – und ringen dabei um Deutungshoheit über Vergangenheit und Zukunft. Ausgehend von ihren eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten haben Denijen Pauljević, Gisemba Ursula und Theresa Seraphin eine vielschichtige Groteske geschaffen, die mit feiner Ironie die eigenen Verstrickungen in globale Machtstrukturen offenlegt. Dokumentarisches trifft auf absurdes Theater, historische Re-Enactments auf spekulative Zukunftsvisionen. Was eindeutig scheint, entpuppt sich als komplexes Spiel mit Identitäten, Rollenbildern und Zuschreibungen. Wem gehört die Geschichte – und wer inszeniert die Zukunft?
Sprache, Geschichte, Identität
Aufgeführt wird das Stück in München, einer Stadt, in die Ursula Gisemba im Rahmen einer Künstlerinnenresidenz eingeladen, in der sie aber nicht immer willkommengeheißen wurde. Fremdenfeindliche Münchnerinnen und Münchner missbrauchten ihre Sprache als Mittel zur Ausgrenzung. Die von ihr beschriebenen „Micro-Aggressionen“ werden für sie zum Anlass, erneut über das Verhältnis ihrer eigenen Sprachen nachzudenken. Allein in seiner Vielsprachigkeit nimmt auch This Plot is not for Sale die Überlegungen auf, die Ursula Gisemba bewegen. Anders als Gisemba selbst, spricht ihre Figur Pete Deutsch; neben den Sprachen Englisch, Kiswahili und Ekegusii. Sprache ist, so die Überlegung, immer auch ein Mittel zur Anpassung und Akkulturation.
„Die Akzeptanz der Komplikationen von Sprache und der Verlust der Mehrsprachigkeit zugunsten europäischer Sprachen waren eine starke Grundlage für den von uns entwickelten Text. Wir entschieden uns für eine Veränderung und erlaubten den Figuren, miteinander zu sprechen, wie sie es gewöhnt sind. Wir fordern das Publikum auf, sich auf die Struktur unbekannter Sprachen einzulassen.“ – Gisemba in ihrem Essay English, my mother tongue
Der Plot verdichtet sich
„This Plot is not for Sale“ – ein rätselhafter und poetischer Titel. Dass er auch eine konkrete Bedeutung haben kann, erklärt Ursula Gisemba in ihrem Essay über die Produktions- und Schreibzeit des Stücks. Sie erklärt, dass in Kenia der Schriftzug „This Plot is not for Sale“ an Grundstücksmauern zu lesen ist und damit auf vorhergegangene Betrugsversuche hindeutet.
Die doppelte Bedeutung des englischen Wortes „plot“ verweist jedoch nicht nur auf eine Grundstücksfläche, sondern gleichzietig auf den Handlungsaufbau eines Textes.
Denijen Pauljiević reflektiert selbst in seinem Essay im Literaturportal Bayern: „Vielleicht ist das der eigentliche Plot, der nicht zu verkaufen ist: Der Moment, in dem etwas entsteht, das nicht kalkuliert, nicht kontrolliert, nicht besessen werden kann. Ein Moment der echten Begegnung. Zwischen Erinnerung und Utopie. Zwischen Menschen, die einander zuhören. Oder nur so tun, als ob.“
Pauljivićs Figur ist der Fotograf Steven, mit dem nicht nur Überlegungen zu „überlieferten Bildern“, sondern auch eine Giraffe ihren Weg auf die Bühne finden.
Der Plot des Stücks erweitert und verdichtet sich durch die Perspektive von Theresa Seraphin und ihre Figur Kathi, die als europäische, privilegierte Weiße den Aspekt einer schuldvollen Freiheitssehnsucht hinzufügt.
„Was ich also mit Kathi versuchte, war, das eigene Weißsein zu benennen. In dem Wissen, dass ich mit ihm nicht alleine bin. Wer schaut, wenn Kathi auf Kenia schaut? Welche historischen Narrative prägen ihren Blick?“ – Seraphin in ihrem Essay How to write (with) white guilt
Es sind große Fragen, denen sich das Trio angenommen hat; Fragen der Identität und wie diese mit der eigenen Sprache und Geschichte zusammenhängt und genauso mit Sprache und Geschichte der Anderen.
Die Autorinnen und Autoren
Denijen Pauljević, geboren in Belgrad, Jugoslawien, lebt in München. Er ist Autor, Theatermacher, Kurator und Performer. In seinen Arbeiten verbindet er mehrsprachige Erzählformen mit dokumentarischen und autofiktionalen Ansätzen. Seit 2019 ist er Teil des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen und leitet den Kulturbereich des Bellevue di Monaco.
Theresa Seraphin, geboren 1989 in Fürth, ist Theatermacherin, Autorin und Kuratorin, schreibt Theatertexte und Lyrik. 2016 gründet sie zusammen mit Raphaela Bardutzky das Netzwerk Münchner Theatertexter*innen. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich aus queerfeministischer und antirassistischer Perspektive u.a. mit strukturellen Gewalterfahrungen und Möglichkeiten widerständigen Handelns. Sie lebt in München.
Ursula Gisemba bewegt sich als Künstlerin nicht nur zwischen zahlreichen Disziplinen, sondern außerdem zwischen den Sprachen. In ihren Arbeiten geht sie den erzählerischen Perspektiven einer schwarzafrikanischen Weiblichkeit nach. Ihre Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Münchner Theatertexter*innen entstand im Rahmen einer Künstlerresidenz in der Villa Waldberta 2023.
Das SPIELART Festival
SPIELART verwandelt die Stadt München seit 1995 alle zwei Jahre in eine Bühne für die intensive Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Alles in Form von Inszenierungen, Performances, Lectures und Installationen – viele davon als deutsche Erst- oder Uraufführungen.
Das Festival schafft nachhaltige Beziehungen zu lokalen und internationalen Kunstschaffenden und setzt sich aktiv für die Nachwuchsförderung sowie für eine strukturelle Verbesserung der internationalen Theaterproduktion ein. Dafür zeigt das Festival in erster Linie freie Gruppen, die einen experimentellen Zugang zur Kunstform Theater pflegen.
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Am 31. Oktober findet im Rahmen des Theaterfestivals SPIELART die europäische Erstaufführung des Theaterstücks This Plot is not for Sale statt. Das fünfsprachige Theaterprojekt entstand unter der Leitung des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen in Zusammenarbeit dreier Autorinnen und Autoren zwischen München und Nairobi im digitalen Raum. Als Medienkooperationspartner hat das Literaturportal Bayern drei Essays der Kunstschaffenden Ursula Gisemba, Denijen Pauljiević und Theresa Seraphin veröffentlicht, in denen sie über ihre kollektive sowie individuelle Arbeit am Stück reflektieren.
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Nun ist es diesen Freitag soweit und das Stück feiert im PATHOS Theater in München von 20.30 bis 22.10 Uhr seine Premiere mit anschließendem Publikumsgespräch. Wer die erste Vorstellung verpasst, hat am folgenden Tag, den 1. November, ein weiteres Mal die Möglichkeit This Plot is not for Sale zu erleben.
Die Inszenierung
Im Zentrum dieser mehrsprachigen Theatercollage steht ein Trio mit unterschiedlichen Perspektiven: Stevan, ein serbischer Fotograf mit einer geheimnisvollen „Camera Absurda“; Pete, eine ehrgeizige Kenianerin der Mittelschicht; und Kathi, eine deutsche Erbin mit postkolonialem Schuldkomplex. Alle drei wollen die Kamera für ihre eigenen Zwecke nutzen – und ringen dabei um Deutungshoheit über Vergangenheit und Zukunft. Ausgehend von ihren eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten haben Denijen Pauljević, Gisemba Ursula und Theresa Seraphin eine vielschichtige Groteske geschaffen, die mit feiner Ironie die eigenen Verstrickungen in globale Machtstrukturen offenlegt. Dokumentarisches trifft auf absurdes Theater, historische Re-Enactments auf spekulative Zukunftsvisionen. Was eindeutig scheint, entpuppt sich als komplexes Spiel mit Identitäten, Rollenbildern und Zuschreibungen. Wem gehört die Geschichte – und wer inszeniert die Zukunft?
Sprache, Geschichte, Identität
Aufgeführt wird das Stück in München, einer Stadt, in die Ursula Gisemba im Rahmen einer Künstlerinnenresidenz eingeladen, in der sie aber nicht immer willkommengeheißen wurde. Fremdenfeindliche Münchnerinnen und Münchner missbrauchten ihre Sprache als Mittel zur Ausgrenzung. Die von ihr beschriebenen „Micro-Aggressionen“ werden für sie zum Anlass, erneut über das Verhältnis ihrer eigenen Sprachen nachzudenken. Allein in seiner Vielsprachigkeit nimmt auch This Plot is not for Sale die Überlegungen auf, die Ursula Gisemba bewegen. Anders als Gisemba selbst, spricht ihre Figur Pete Deutsch; neben den Sprachen Englisch, Kiswahili und Ekegusii. Sprache ist, so die Überlegung, immer auch ein Mittel zur Anpassung und Akkulturation.
„Die Akzeptanz der Komplikationen von Sprache und der Verlust der Mehrsprachigkeit zugunsten europäischer Sprachen waren eine starke Grundlage für den von uns entwickelten Text. Wir entschieden uns für eine Veränderung und erlaubten den Figuren, miteinander zu sprechen, wie sie es gewöhnt sind. Wir fordern das Publikum auf, sich auf die Struktur unbekannter Sprachen einzulassen.“ – Gisemba in ihrem Essay English, my mother tongue
Der Plot verdichtet sich
„This Plot is not for Sale“ – ein rätselhafter und poetischer Titel. Dass er auch eine konkrete Bedeutung haben kann, erklärt Ursula Gisemba in ihrem Essay über die Produktions- und Schreibzeit des Stücks. Sie erklärt, dass in Kenia der Schriftzug „This Plot is not for Sale“ an Grundstücksmauern zu lesen ist und damit auf vorhergegangene Betrugsversuche hindeutet.
Die doppelte Bedeutung des englischen Wortes „plot“ verweist jedoch nicht nur auf eine Grundstücksfläche, sondern gleichzietig auf den Handlungsaufbau eines Textes.
Denijen Pauljiević reflektiert selbst in seinem Essay im Literaturportal Bayern: „Vielleicht ist das der eigentliche Plot, der nicht zu verkaufen ist: Der Moment, in dem etwas entsteht, das nicht kalkuliert, nicht kontrolliert, nicht besessen werden kann. Ein Moment der echten Begegnung. Zwischen Erinnerung und Utopie. Zwischen Menschen, die einander zuhören. Oder nur so tun, als ob.“
Pauljivićs Figur ist der Fotograf Steven, mit dem nicht nur Überlegungen zu „überlieferten Bildern“, sondern auch eine Giraffe ihren Weg auf die Bühne finden.
Der Plot des Stücks erweitert und verdichtet sich durch die Perspektive von Theresa Seraphin und ihre Figur Kathi, die als europäische, privilegierte Weiße den Aspekt einer schuldvollen Freiheitssehnsucht hinzufügt.
„Was ich also mit Kathi versuchte, war, das eigene Weißsein zu benennen. In dem Wissen, dass ich mit ihm nicht alleine bin. Wer schaut, wenn Kathi auf Kenia schaut? Welche historischen Narrative prägen ihren Blick?“ – Seraphin in ihrem Essay How to write (with) white guilt
Es sind große Fragen, denen sich das Trio angenommen hat; Fragen der Identität und wie diese mit der eigenen Sprache und Geschichte zusammenhängt und genauso mit Sprache und Geschichte der Anderen.
Die Autorinnen und Autoren
Denijen Pauljević, geboren in Belgrad, Jugoslawien, lebt in München. Er ist Autor, Theatermacher, Kurator und Performer. In seinen Arbeiten verbindet er mehrsprachige Erzählformen mit dokumentarischen und autofiktionalen Ansätzen. Seit 2019 ist er Teil des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen und leitet den Kulturbereich des Bellevue di Monaco.
Theresa Seraphin, geboren 1989 in Fürth, ist Theatermacherin, Autorin und Kuratorin, schreibt Theatertexte und Lyrik. 2016 gründet sie zusammen mit Raphaela Bardutzky das Netzwerk Münchner Theatertexter*innen. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich aus queerfeministischer und antirassistischer Perspektive u.a. mit strukturellen Gewalterfahrungen und Möglichkeiten widerständigen Handelns. Sie lebt in München.
Ursula Gisemba bewegt sich als Künstlerin nicht nur zwischen zahlreichen Disziplinen, sondern außerdem zwischen den Sprachen. In ihren Arbeiten geht sie den erzählerischen Perspektiven einer schwarzafrikanischen Weiblichkeit nach. Ihre Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Münchner Theatertexter*innen entstand im Rahmen einer Künstlerresidenz in der Villa Waldberta 2023.
Das SPIELART Festival
SPIELART verwandelt die Stadt München seit 1995 alle zwei Jahre in eine Bühne für die intensive Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Alles in Form von Inszenierungen, Performances, Lectures und Installationen – viele davon als deutsche Erst- oder Uraufführungen.
Das Festival schafft nachhaltige Beziehungen zu lokalen und internationalen Kunstschaffenden und setzt sich aktiv für die Nachwuchsförderung sowie für eine strukturelle Verbesserung der internationalen Theaterproduktion ein. Dafür zeigt das Festival in erster Linie freie Gruppen, die einen experimentellen Zugang zur Kunstform Theater pflegen.
