Rezension zu Steven Uhlys Roman „Death Valley“
Steven Uhly erzählt in Death Valley von einem Roadtrip durch den Südwesten der von Trump und den Republikanern regierten USA. Die Autorin Carola Gruber hat den Roman für das Literaturportal Bayern gelesen.
*
„Piece of advice: Don’t go ’round talkin’ about politics. Not a good idea these days, especially for foreigners. Got it?“ – „Ein Rat: Laufen Sie nicht rum und reden über Politik. Ist keine gute Idee heutzutage, vor allem nicht für Ausländer. Verstanden?“, sagt der Afro-Amerikaner Cornelius, als er dem deutschen Gast die Schlüssel für den geliehenen Wagen aushändigt. Wir befinden uns in Las Vegas, Donald Trump hat kürzlich seine zweite Amtszeit als US-Präsident angetreten. Ein Thema, das die Gemüter erhitzt und das man besser meiden sollte, gerade als Gast im Land. Und so sagt dieser artig: „Got it“ und bedankt sich für den Ratschlag.
Mit Ossi und Wessi durch Trumpland
Politik als Tabuthema: Der Rat könnte aus einem interkulturellen Einmaleins für USA-Reisende stammen. Tatsächlich steht die Szene in Steven Uhlys neuem Roman Death Valley. Und so lässt sie an Anton Tschechows berühmten Rat für Schreibende denken: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, muss es im letzten Akt abgefeuert werden. Und so kommt es dann auch. Doch der Reihe nach.
Der Roman erzählt von einem unfreiwilligen Roadtrip. Die Mutter des Erzählers ist im Death Valley tödlich verunglückt, der Erzähler reist hin, um ihre sterblichen Überreste entgegenzunehmen. Er steht dabei unter Zeitdruck: Der Lebensgefährte der Mutter, Gerd, ist bei dem Unfall ebenfalls ums Leben gekommen, und nun läuft eine Art Wettrennen mit dessen Sohn Hans, dem verhassten Stiefbruder des Erzählers, zum Ort des Unfalls.
Früher als gedacht treffen beide aufeinander und reisen fortan gemeinsam – als ungleiches Paar: der eine klein und dick, der andere schlank und hochgewachsen, „Kürbis und Bohnenstange“, wie der Erzähler es ausdrückt. Hinzu kommen die verschiedenen Hautfarben: „er so weiß, dass er schon wieder rot ist, und ich so braun, dass ich nie weiß werde“. Der eine aus dem Osten Deutschlands, der andere aus dem Westen. Der eine Trump-Fan, der andere das Gegenteil. Eine explosive Mischung.
Als wäre das nicht genug, fährt auch noch ein Umstand mit, über den beide nicht reden: „Dass es in der Eifel ein Haus mit sehr vielen Antiquitäten, ein bisschen Gold und ein paar winzigen Diamanten gibt, aber kein Testament.“
„Bekloppte Gedanken über bekloppte Dinge“
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des Protagonisten, der genauso heißt wie der Autor des Buchs: Steven Uhly. Beide teilen einige biografische Eckdaten, etwa die deutsch-bengalischen Wurzeln, den Beruf als Schriftsteller und das Alter um die sechzig Jahre.
Der fiktive Steven ist ein erklärter Menschenfeind, und in ihm läuft pausenlos eine Art Kommentier- und Bewertungsmaschine: Er macht sich „bekloppte Gedanken über bekloppte Dinge“, wie er es ausdrückt, findet überhaupt vieles „bekloppt“, die politischen Zustände in den USA zum Beispiel und auch die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes: „Bekloppte Amis“, heißt es immer wieder. Thesenfreudig seziert er sich und seine Umgebung. Es genügt, dass ihm sein Essen schmeckt, um ihn ins Grübeln zu bringen: Fände er, wenn er weniger hungrig wäre, den Hamburger auch noch lecker? Gibt es überhaupt je objektive Momente im Leben?
Oft kreist die „defekte Denkmaschine“ aber um andere Themen: Faschismus, die deutsche Einheit, Identitätsfragen als Deutscher, das nationalsozialistische Morden als Selbst-Amputation des deutschen Volks … Mehrfach ermahnt sich der Erzähler: „Pass auf mit deinen Theorien.“ Oder auch: „Ab jetzt absolutes Theorieverbot!“ (Das hält er natürlich nicht lang durch.)
Zwischen den großen Diskursen blitzt immer wieder auch die persönliche Geschichte des Erzählers auf: die Beziehung zur zeitlebens unnahbaren Mutter und die schwierige Trauer um jemanden, den man immer wieder verpasst hat.
Fiebertraum mit skurrilen Details
Es tut dem Protagonisten (und der Geschichte) gut, dass dieser Fiktions-Steven nicht allzu lang allein unterwegs ist. Bald schon macht er Reisebekanntschaften, die er nicht so einfach als „bekloppte Amis“ abtun kann: die achtsame Einsiedlerin, die in der Wüste einen Tempel betreibt; der Ranger und reuige Trumpwähler, der offen über Fehler der Administration spricht, die er mit gewählt hat; die Trauerbegleiterin in einem einsamen Wüstenort, die so gar nicht dorthin zu gehören scheint; die deutsch-amerikanische Hotel-Erbengemeinschaft um den dauerfröhlichen Richie und seine schöne Schwester Angie.
Als dann auch noch eine CNN-Reporterin (samt gesichtsgelähmtem Kameramann) mit ihrer ganz eigenen Agenda auftaucht, steigert sich die Geschichte zu einem Fiebertraum voll skurriler Details, in dem eine absurde Szene die nächste ergibt. Und es kommt, wie es kommen musste: Der Protagonist lässt sich zu Kritik an Trumps Politik hinreißen – vor laufender Kamera. Natürlich bleibt das nicht ohne Konsequenzen.
Schrill und doch ernst
Wie bereits in früheren Büchern beweist Uhly ein starkes Gespür für die Themen unserer Zeit: Trumps Politik samt Massenentlassungen in US-Behörden, das fanatische Gebaren einiger MAGA-[„Make America Great Again“-]Anhänger sind ebenso Teil der Geschichte wie die Frage, ob es eine deutsche Einheit überhaupt je geben kann.
Belesen und voller popkultureller Referenzen webt der Autor daraus einen wilden Plot. Dass dieser etwas konstruiert bis zu vollkommen überdreht wirkt, ist Teil des Spaßes. Dazu passt auch der selbstironische Seitenhieb auf die Autofiktion, die der Verleger des fiktiven Steven angeblich verachtet.
Bei allem Witz handelt es sich bei Death Valley jedoch auch um ein ernstes, teils trauriges Buch. Am Ende der Geschichte ist der Protagonist zwar gereift, wie es sich für einen Roadtrip gehört. Er, der wortgewandte Nerd, durchschaut sich selbst ein bisschen besser. Er ist versöhnlicher geworden – mit Hans, mit seiner Mutter – und hat auch einen Blick für die Nöte anderer. In einem ekstatischen Moment feiert er sogar seine „Befreiung aus dem Knast der Klugheit“. (Und auch für die ungeklärte Erbsache findet sich eine Lösung.)
Doch bleiben am Schluss die ernsten Themen, die sich nicht schnell lösen lassen: Auf persönlicher Ebene die Trauer um die Mutter und um die verlorene Chance, einen immer wieder verpassten Menschen noch kennenzulernen. Auf gesellschaftlicher Ebene die Sorge, ob wir gerade miterleben, wie sich Geschichte wiederholt.
Steven Uhly: Death Valley. Roman, Secession Verlag Berlin 2025, 303 S., ISBN: 978-3-96639-126-9.
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Steven Uhly erzählt in Death Valley von einem Roadtrip durch den Südwesten der von Trump und den Republikanern regierten USA. Die Autorin Carola Gruber hat den Roman für das Literaturportal Bayern gelesen.
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„Piece of advice: Don’t go ’round talkin’ about politics. Not a good idea these days, especially for foreigners. Got it?“ – „Ein Rat: Laufen Sie nicht rum und reden über Politik. Ist keine gute Idee heutzutage, vor allem nicht für Ausländer. Verstanden?“, sagt der Afro-Amerikaner Cornelius, als er dem deutschen Gast die Schlüssel für den geliehenen Wagen aushändigt. Wir befinden uns in Las Vegas, Donald Trump hat kürzlich seine zweite Amtszeit als US-Präsident angetreten. Ein Thema, das die Gemüter erhitzt und das man besser meiden sollte, gerade als Gast im Land. Und so sagt dieser artig: „Got it“ und bedankt sich für den Ratschlag.
Mit Ossi und Wessi durch Trumpland
Politik als Tabuthema: Der Rat könnte aus einem interkulturellen Einmaleins für USA-Reisende stammen. Tatsächlich steht die Szene in Steven Uhlys neuem Roman Death Valley. Und so lässt sie an Anton Tschechows berühmten Rat für Schreibende denken: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, muss es im letzten Akt abgefeuert werden. Und so kommt es dann auch. Doch der Reihe nach.
Der Roman erzählt von einem unfreiwilligen Roadtrip. Die Mutter des Erzählers ist im Death Valley tödlich verunglückt, der Erzähler reist hin, um ihre sterblichen Überreste entgegenzunehmen. Er steht dabei unter Zeitdruck: Der Lebensgefährte der Mutter, Gerd, ist bei dem Unfall ebenfalls ums Leben gekommen, und nun läuft eine Art Wettrennen mit dessen Sohn Hans, dem verhassten Stiefbruder des Erzählers, zum Ort des Unfalls.
Früher als gedacht treffen beide aufeinander und reisen fortan gemeinsam – als ungleiches Paar: der eine klein und dick, der andere schlank und hochgewachsen, „Kürbis und Bohnenstange“, wie der Erzähler es ausdrückt. Hinzu kommen die verschiedenen Hautfarben: „er so weiß, dass er schon wieder rot ist, und ich so braun, dass ich nie weiß werde“. Der eine aus dem Osten Deutschlands, der andere aus dem Westen. Der eine Trump-Fan, der andere das Gegenteil. Eine explosive Mischung.
Als wäre das nicht genug, fährt auch noch ein Umstand mit, über den beide nicht reden: „Dass es in der Eifel ein Haus mit sehr vielen Antiquitäten, ein bisschen Gold und ein paar winzigen Diamanten gibt, aber kein Testament.“
„Bekloppte Gedanken über bekloppte Dinge“
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des Protagonisten, der genauso heißt wie der Autor des Buchs: Steven Uhly. Beide teilen einige biografische Eckdaten, etwa die deutsch-bengalischen Wurzeln, den Beruf als Schriftsteller und das Alter um die sechzig Jahre.
Der fiktive Steven ist ein erklärter Menschenfeind, und in ihm läuft pausenlos eine Art Kommentier- und Bewertungsmaschine: Er macht sich „bekloppte Gedanken über bekloppte Dinge“, wie er es ausdrückt, findet überhaupt vieles „bekloppt“, die politischen Zustände in den USA zum Beispiel und auch die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes: „Bekloppte Amis“, heißt es immer wieder. Thesenfreudig seziert er sich und seine Umgebung. Es genügt, dass ihm sein Essen schmeckt, um ihn ins Grübeln zu bringen: Fände er, wenn er weniger hungrig wäre, den Hamburger auch noch lecker? Gibt es überhaupt je objektive Momente im Leben?
Oft kreist die „defekte Denkmaschine“ aber um andere Themen: Faschismus, die deutsche Einheit, Identitätsfragen als Deutscher, das nationalsozialistische Morden als Selbst-Amputation des deutschen Volks … Mehrfach ermahnt sich der Erzähler: „Pass auf mit deinen Theorien.“ Oder auch: „Ab jetzt absolutes Theorieverbot!“ (Das hält er natürlich nicht lang durch.)
Zwischen den großen Diskursen blitzt immer wieder auch die persönliche Geschichte des Erzählers auf: die Beziehung zur zeitlebens unnahbaren Mutter und die schwierige Trauer um jemanden, den man immer wieder verpasst hat.
Fiebertraum mit skurrilen Details
Es tut dem Protagonisten (und der Geschichte) gut, dass dieser Fiktions-Steven nicht allzu lang allein unterwegs ist. Bald schon macht er Reisebekanntschaften, die er nicht so einfach als „bekloppte Amis“ abtun kann: die achtsame Einsiedlerin, die in der Wüste einen Tempel betreibt; der Ranger und reuige Trumpwähler, der offen über Fehler der Administration spricht, die er mit gewählt hat; die Trauerbegleiterin in einem einsamen Wüstenort, die so gar nicht dorthin zu gehören scheint; die deutsch-amerikanische Hotel-Erbengemeinschaft um den dauerfröhlichen Richie und seine schöne Schwester Angie.
Als dann auch noch eine CNN-Reporterin (samt gesichtsgelähmtem Kameramann) mit ihrer ganz eigenen Agenda auftaucht, steigert sich die Geschichte zu einem Fiebertraum voll skurriler Details, in dem eine absurde Szene die nächste ergibt. Und es kommt, wie es kommen musste: Der Protagonist lässt sich zu Kritik an Trumps Politik hinreißen – vor laufender Kamera. Natürlich bleibt das nicht ohne Konsequenzen.
Schrill und doch ernst
Wie bereits in früheren Büchern beweist Uhly ein starkes Gespür für die Themen unserer Zeit: Trumps Politik samt Massenentlassungen in US-Behörden, das fanatische Gebaren einiger MAGA-[„Make America Great Again“-]Anhänger sind ebenso Teil der Geschichte wie die Frage, ob es eine deutsche Einheit überhaupt je geben kann.
Belesen und voller popkultureller Referenzen webt der Autor daraus einen wilden Plot. Dass dieser etwas konstruiert bis zu vollkommen überdreht wirkt, ist Teil des Spaßes. Dazu passt auch der selbstironische Seitenhieb auf die Autofiktion, die der Verleger des fiktiven Steven angeblich verachtet.
Bei allem Witz handelt es sich bei Death Valley jedoch auch um ein ernstes, teils trauriges Buch. Am Ende der Geschichte ist der Protagonist zwar gereift, wie es sich für einen Roadtrip gehört. Er, der wortgewandte Nerd, durchschaut sich selbst ein bisschen besser. Er ist versöhnlicher geworden – mit Hans, mit seiner Mutter – und hat auch einen Blick für die Nöte anderer. In einem ekstatischen Moment feiert er sogar seine „Befreiung aus dem Knast der Klugheit“. (Und auch für die ungeklärte Erbsache findet sich eine Lösung.)
Doch bleiben am Schluss die ernsten Themen, die sich nicht schnell lösen lassen: Auf persönlicher Ebene die Trauer um die Mutter und um die verlorene Chance, einen immer wieder verpassten Menschen noch kennenzulernen. Auf gesellschaftlicher Ebene die Sorge, ob wir gerade miterleben, wie sich Geschichte wiederholt.
Steven Uhly: Death Valley. Roman, Secession Verlag Berlin 2025, 303 S., ISBN: 978-3-96639-126-9.