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Grab Dumbser. Foto: Ingvild Richardsen.

Familiengrabstätte: Dumbser - Haushofer

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Foto: Ingvild Richardsen.

Wir stehen hier vor einem Grab, das zum Verständnis der Künstlerkolonie Frauenwörths von größter Bedeutung ist. Wegen der Verwitterung der Schrift auf den Grabsteinen ist es heute nur noch schwierig, die einzelnen Namen zu entziffern. Und so wissen viele Besucher und Inselbewohner gar nicht, was für bedeutende Menschen in dieser Grabstätte liegen.

Hier ruht die im 19. Jahrhundert auf der Fraueninsel ansässige Wirtsfamilie Dumbser, und hier liegen Familienmitglieder der Münchner Künstler- und Gelehrtenfamilie Haushofer. Diese beiden Familien spielten eine Schlüsselrolle für die Entstehung der Frauenwörther Künstlerkolonie.

Begraben liegt hier Daniel Dumbser (1786-1854), der im 19. Jahrhundert berühmt war als der Wirt des Gasthofes Zur Linde, die einst die „Künstlerherberge“ der Frauenwörther Künstlerkolonie war. Dumbser war 1808 aus der Rheinpfalz ausgewandert und ab 1811 dann zuerst auf Herrenchiemsee als Braumeister tätig. 1814 heiratete er Anna Lernbacher, eine Tochter des „Roten Turm Bäck“ und Mehlhändlers am Isartor in München. Auch sie liegt hier begraben. Als 1803 auch das Kloster Frauenchiemsee der Säkularisation zum Opfer fiel und der gesamte Klosterbesitz vom Staat veräußert wurde, ging das Brauhaus mit der dazugehörigen Malzmühle 1818 in den Besitz Dumbsers über, der bereits auf Herrenchiemsee als Braumeister wirkte. 1822 erwarb er auch die damals einzige Taverne der Insel, die er zum Gasthof Zur Linde machte. Dumbser hatte sechs Kinder, zwei Söhne und vier Mädchen, darunter auch Tochter Anna, die am 2. November 1815 geboren wurde und gleichfalls hier begraben liegt. Sie war diejenige, die 1838 den Maler Maximilian Haushofer (1811-1866) heiraten sollte, den Entdecker des Chiemsees als Malerparadies und den Begründer der Frauenwörther Künstlerkolonie. Beiden werden wir im Laufe des Spaziergangs wieder begegnen.

Daniel und Anna Dumbser, geb. Lernbecher. Privatarchiv Haushofer. Foto: Ingvild Richardsen.

Fällt der Name Haushofer, so sind es meist die Männer der Familie, an die man sich erinnert. Den meisten Deutschen heute bekannt ist meist nur Albrecht Haushofer (1903-1945) der Dichter der Moabiter Sonette, der im Widerstand war und im April 1945 von der SS durch einen Genickschuss ermordet wurde. Der Großvater von Albrecht Haushofer war der Dichterphilosoph Max Haushofer (1840-1907), seine Tante die Malerin und Dichterin Marie Haushofer (1871-1940) und sein Onkel der Chiemseemaler Alfred Haushofer (1872-1943). Alle drei liegen hier begraben.

Der Dichterphilosoph Max Haushofer, ein Sohn des Landschaftsmalers und Gründers der Frauenwörther Künstlerkolonie Maximilian Haushofer (1811-1866), den man um 1900 auch den „deutschen Dante“ nannte, war seinerzeit ein anerkannter Professor der Volkswirtschaft und einer der ersten Männer in Bayern, welche die moderne Frauenbewegung an vorderster Front unterstützten. Für Frauenwörths Literatur- und Kulturgeschichte ist er als „Chronist“ der Frauenwörther Künstlerchroniken von unschätzbarer Bedeutung. Seine neben ihm begrabene Tochter Marie Haushofer ragt heraus, da sie das Festspiel Zwölf Culturbilder der Frau (1899) geschrieben hat, das als krönender Abschluss auf dem ersten bayerischen Frauentag im Herbst 1899 in München uraufgeführt wurde. Erstmals trafen sich hier Frauen aus ganz Bayern, um über ihre gesellschaftliche Rolle in Vergangenheit und Gegenwart zu diskutieren. Die moderne bürgerliche Frauenbewegung stellte damals die traditionellen Rollenvorstellungen im Bürgertum in Frage und entwarf Ende des 19. Jahrhunderts neue Bilder und Rollen der Frau. Ihre Vertreterinnen kämpften für das Recht der Frau auf Selbstbestimmung, für Bildung und Beruf, finanzielle Unabhängigkeit und gleichberechtigte Entlohnung. Marie Haushofers Festspiel stellte die Frau in ihrer kulturhistorischen Entwicklung vor, wie sie sich aus Knechtschaft und Unkultur zu Wissen, Arbeit und Freiheit emporringt. Es wurde auch in Nürnberg und Bayreuth mit großem Erfolg aufgeführt.

Auch die einstmals bekannte Münchner Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Emma Merk (1854-1925) hat in der Dumbser-Haushoferschen Familiengrabstätte ihre letzte Ruhe gefunden. Sie, die aus einer alten Münchner Bürger- und Künstlerfamilie stammte und sich schon als Kind in der Haushoferschen Künstlerkolonie aufhielt, war die Jugendliebe des 14 Jahre älteren Dichters Max Haushofer. Später wurde Emma Merk seine zweite Frau und die Stiefmutter von Marie Haushofer. Emma Merk war eine erfolgreiche Münchener Autorin ihrer Zeit. Sie veröffentlichte viele Romane und Novellen und schrieb auch für bekannte Zeitschriften wie Jugend und Simplicissimus. Sie galt überdies als größte Kennerin Alt-Münchens und hatte auch den Ruf, dass sie den „Münchner Roman“ von allen Frauen am besten schreiben konnte. Doch auch als Verfasserin psychologischer Novellen hatte sie einen großen Namen. So schrieb sie über die Beziehung zwischen Mann und Frau und über die Rolle und das „Recht“ der Frau. Seit 1894 begann sie eine führende Rolle in der bürgerlichen Frauenbewegung Bayerns zu spielen. Sie gehörte zu den Mitbegründerinnen des Vereins für Fraueninteressen (1894), dem Flaggschiff der bürgerlichen Frauenbewegung in Bayern. Zusammen mit der Schriftstellerin Carry Brachvogel gründete sie 1913 den ersten Schriftstellerinnenverein Bayerns. Dieser Verein, dem bedeutende Persönlichkeiten beitraten (Ricarda Huch, Annette Kolb, Helene Böhlau, Isolde Kurz und viele andere) kämpfte damals schon für Werte, die heute hochaktuell sind. Er forderte gleichberechtigte Entlohnung und verbot seinen Mitgliedern, ohne Bezahlung zu arbeiten und ihre Werke unter Wert zu verkaufen.

Für den Schriftsteller Max Haushofer und die Schriftstellerinnen Emma Merk und Marie Haushofer war Frauenwörth die zweite Heimat. Ihnen und den Dumbsers werden wir im Laufe dieses Spaziergangs immer wieder begegnen.


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Richardsen, Ingvild (2017): Die Fraueninsel. Auf den Spuren der vergessenen Künstlerinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München, S. 7-15.