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13.11.2014, 13:30 Uhr
Birgit Wagner
Spektakula

Begegnungen mit Yvonne, Adele und Martin Sperr

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Ausstellungsraum im Rathausfoyer © Literaturportal Bayern

Einer, den alle mochten und der die Menschen liebte, ein „Nachkriegsgewächs“, wie er sich selbst einmal nannte, einer der zeigen wollte, „was zu verändern ist“, ein kritischer Autor, begnadeter Schauspieler und vor allem auch Familienmensch – die Ausstellung über das Leben und Werk von Martin Sperr, die im Rahmen der 17. Landshuter Literaturtage 2014 noch bis 30. November im Rathausfoyer zu sehen ist, versucht genau diese Vielschichtigkeit des niederbayerischen Schriftstellers zu zeigen, der im Leben viele Rollen spielte – sowohl auf der Volkstheaterbühne als auch privat als Sohn, Ehemann und Vater.

Die biographisch aufgebaute Ausstellung bietet die Möglichkeit, den Autor und Schauspieler auf seinen einzelnen Etappen, seinem beruflichen und privaten Werdegang und auch durch alle Höhen und Tiefen zu begleiten. Schon als Kind heißt es in seinem Zeugnis: „Erzählt gern!“ Fotos aus der Schülerzeit zeigen ihn als Schultheatermitglied in der Internatsschule Algasing. Eine Leidenschaft, die er 1962 zum Beruf macht, sowohl auf als auch hinter der Bühne. Sein Schauspieldebüt feiert er am Münchner Theater 44 als Lennie Klein in Von Mäusen und Menschen von John Steinbeck. 1966 wird sein erstes Stück Jagdszenen aus Niederbayern in Bremen uraufgeführt. Es gilt als Klassiker des modernen Volkstheaters.

Von da an hat Sperr als Dramatiker einen Namen. Ihm werden zahlreiche Förderpreise für sein künstlerisches Schaffen verliehen, deren Verleihungsurkunden auch in der Ausstellung zu sehen sind. Neben seiner Arbeit als Schauspieler ist er weiterhin als Autor aktiv. Er schreibt eigene Texte wie die Landshuter Erzählungen, übersetzt und bearbeitet Stücke beispielsweise von Wilhelm Shakespeare, oder widmet sich verschiedenen Filmdrehbüchern wie etwa dem Räuber Kneißl. Die Schreibmaschine, auf der viele seiner Werke entstanden sind, zählt ebenfalls zu den Exponaten, die aus dem Nachlass des Künstlers stammen.

Schreibmaschine Sperrs sowie verschiedene Bücher, Zeitschriften und handschriftliche Aufzeichnungen / Verleihungsurkunde des Dramatikerpreises für deutschsprachige Autoren 1978 © Literaturportal Bayern

Neben zahlreichen Fotos – viele aus dem Privatbesitz der Familie –, Plakaten, Büchern, Zeitschriften und Urkunden sind es insbesondere auch ganz persönliche Gegenstände, wie handschriftliche Notizen und Zeichnungen, eine Sperr-Miniaturpuppe, seine Elefantensammlung oder die Premierengeschenke zu den Landshuter Erzählungen und zu Adele Spitzeder, die einen ganz privaten Einblick in das Leben Sperrs ermöglichen.

Christian Muggenthaler, Kurator der Ausstellung und selbst freier Journalist und Autor, ist vor allem stolz darauf, dass viele der Exponate zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt werden können. Sein besonderer Dank gilt der Tochter des 2002 verstorbenen Autors, Felicitas Sperr-Burger, die den Nachlass verwaltet und mit deren Unterstützung die Ausstellung in solch einem Rahmen entstehen konnte.

Elefantensammlung von Martin Sperr / Premierengeschenke zu den Landshuter Erzählungen am Stadttheater Landshut 2001 und zu Adele Spitzeder © Literaturportal Bayern

Ergänzt wird die Ausstellung zu Leben und Werk durch die Bilderreihe „Martin, Yvonne, Adele“ des Fotografen Joseph Gallus Rittenberg aus Sperrs Münchner Theaterzeit. Nach einer Hirnblutung 1972 kämpft sich Martin Sperr langsam zurück ins Leben und auf die Bühne. Seine Familie und Freunde begleiten ihn auf einem schweren Leidensweg. Mit Erfolg, denn „Unkraut vergeht nicht“, wie Sperr selbst einmal sagt und was die Fotoreihe eindrucksvoll beweist: Die insgesamt 27 ausgestellten Fotos zeigen den Schauspieler bei Proben und Aufführungen der Adele Spitzeder und Yvonne, die Burgunderprinzessin aus den Jahren 1978 und 1987. Sperr besetzt jeweils die weibliche Titelrolle. Außerdem ist er als Christoph Ederer in seinem Stück Münchner Freiheit aus dem Jahr 1998 zu sehen.

Die Aufnahmen sind Spiegel der Vielfalt von Sperrs Ausdrucksmöglichkeiten als Schauspieler. Vor allem in den Fotos, die Sperr in einer der weiblichen Titelrollen darstellen (bereits als Kind steht er als Frau auf der Bühne), zeigt sich sein ganzes schauspielerisches Einfühlungsvermögen und seine Wandelbarkeit, von der auch der Kurator Christian Muggenthaler besonders beindruckt ist. Für ihn zeigt sich in den Fotografien, wie Sperr in der Androgynität, in den Frauenrollen zu sich selbst findet.

Aber auch der Familienmensch Sperr ist in den Bildern unverkennbar. Seine zweite Frau Sylvia (Katja) Sperr-Barwich hat ihn stets begleitet und ist selbst auf einigen der Aufnahmen zu sehen. Wie wichtig Sperr zwischenmenschliche Beziehungen sind, kann auch Muggenthaler bestätigen, der den Autor persönlich kannte und ihn zu einem Interview im Zuge der Uraufführung der Landshuter Erzählungen bei sich zu Hause besuchte. „Sperr konnte kein rein berufliches Verhältnis haben“, so Muggenthaler, „es war immer auch ein freundschaftliches.“ Martin Sperr war ein Genussmensch, einer, der es liebte seine Freunde um sich zu haben, „einer, den man mögen muss.“

Muggenthaler schätzt Martin Sperr als Menschen wie als Dramatiker, den er für die Dichte seiner Texte bewundert, in denen kein Wort zu viel ist. Die Ausstellungen bieten Gelegenheit, beide Seiten des Autors, die berufliche wie auch die private, kennen zu lernen und ihn zu seinem Geburtstag zu ehren. Am 14. September 2014 wäre Sperr 70 Jahre alt geworden.

Diese Möglichkeit wird sich künftig auch in anderen Städten bieten, denn die Ausstellungen sind als Wanderausstellungen konzipiert. Martin Sperr soll so noch einmal in einige der Städte zurückkehren, in denen er schon zu Lebzeiten auf der Bühne gestanden hat.

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