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02.05.2013, 12:10 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [144]: Das Engelhafte der Loge

Ist die Unsichtbare Loge etwa eine Engelsloge?

Gestern hatten wir es mit einer Frontloge zu tun, heute mit einer Engelsloge. So nämlich heißt ein Magazin der Bayerischen Staatsoper, das nach der Engelsloge im Nationaltheater benannt wurde (vor dem Jean Pauls bayerischer König steht) und dessen N° 17 im März erschienen ist. Das schöne Titelblatt zeigt zwei tanzende Engel, die Titelgeschichte hat man der Ballettfestwoche gewidmet. Da kommt eine Tanzcompagnie aus St. Petersburg, aber das nur nebenbei; wichtig ist dem Logenblogger der Verweis auf das Engelhafte der Loge – denn heute ist wieder vom Genius, diesem fleischgewordenen irdischen Engel, den zeitweiligen Schutzbegleiter unseres jungen Helden, die Rede. Gustav muss sich verabschieden von der natürlichen Welt, die er kennt, er wird ja ins steinerne Kadettenhaus gerufen. Sein jetziger Erzieher – auch er eine Art Genius – gibt ihm das Bild mit, auf dem Gustavs Alter ego Guido abgebildet ist. Es gibt noch ein paar schöne Worte, dann verabschiedet sich der Lehrer – aber: „Ich ging und umarmte ihn nicht“. Wieso? „Die besten Gefühle haften stärker, wenn man ihnen nicht erlaubt, sich auszudrücken.“

Noch einmal, weil es so schwer wiegt:

Die besten Gefühle haften stärker, wenn man ihnen nicht erlaubt, sich auszudrücken.

Nein, ich frage jetzt nicht nach der Definition des „Besten“, ich frage nicht, wieso es gut sein soll, dieses Beste nicht in Worte zu bringen; möge jeder das vielleicht Ausdrückbare bei sich behalten, um darüber nachzudenken, ob Jean Paul hier irrt oder wieder eine seiner haltbaren Weisheiten fixiert hat. Engel kann man ja schließlich auch nicht definieren – oder nur um den Preis, dass sie ihr Engelhaftes verlieren.

Als Gustav das Bild sieht, muss er nicht an sein „eigenes Bild“[1] denken (vor seinem 25. Lebensjahr eher, „vor der Firmelung“, an ein Mädchen). Interessanterweise entdeckt er hier Ähnlichkeiten – mit dem Genius! Vielleicht macht's die Liebe, vielleicht aber deutet sich hier wieder Geheimnisvolles an, das im Sinne der geheimnisvoll wirkenden Loge irgendwann geklärt werden sollte. Vielleicht aber bedarf es einer Loge von Engeln, um all die Rätsel zu lösen und die Fragen zu beantworten, die sich jetzt schon aufgestellt haben.

Mit der Fragestellung und der Lösung verhält es sich ein bisschen wie mit dem bekannten Spiel „Was ist passiert?“ oder „Was geschah?“ Ein typisches Lateral geht so: „Romeo und Julia liegen tot auf dem Boden vor einem geöffneten Fenster. Glassplitter liegen auf dem nassen Boden. Was ist passiert?“

Was man nicht alles auf einem 1. Mai-Ausflug kennen lernt.... vielleicht sogar den Ansatz, um die vom Dichter nicht beendete Geschichte zu Ende denken zu können.

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[1] Richard Wagner: Siegfried, 1. Akt.