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29.03.2013, 13:38 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [113]: Im Andenken an Amsterdamer Lieferungen

Sich die Molukken, also eine indonesische Inselgruppe, in Scheerau vorzustellen und dabei an die Stadt Hof zu denken, an deren Mühlgraben einst sich einige Inseln befanden, „wo Bürgermeister Franz August Köhler um 1800 ein Gewürzlager in dem heutigen Haus Mühldamm 18 unterhielt“: es ist immer wieder ein eigentümliches Gefühl, in der Literatur auf die verwandelten Spuren einer einstigen topographischen Wirklichkeit zu treffen.

Ich verdanke diese Information zwei guten Faltblättern, die der Hofer Stadtarchivar Arndt Kluge vor einigen Jahren entworfen hat. „Blütenkelche des Frühlings. Mit Jean Paul durch Hof“, so heißt der etwas größere, farbige Plan der Tourist-Information Hof, die das Andenken des Dichters, der immerhin acht Jahre in der Saalestadt lebte, in dieser Form bewahrt. Es ist nötig, denn der Mühlgraben wurde bereits zwischen 1934 und 1942 zugeschüttet; die Mühle, die er speiste, wurde 1957 dem Erdboden gleichgemacht.

Der Scheerauer Regent, so Jean Paul, „selber schafft nun, gleich der Natur, auf seinen Molukken die Gewürze, die sein Land isset, indem er sich durch den Kommerzien-Agenten von Röper den Samen dieser Gewürze – Pfeffer-Körner, Nüsse etc., aber nicht zum Pflanzen, sondern zum Kochen – aus Amsterdam spedieren lässet.“ Kluge hat, zurückgreifend auf Forschungen Heinrich Jahns, festgehalten, dass Köhler sich die Gewürze aus Amsterdam habe kommen lassen; genauer muss es heißen: er ließ sich den Samen dessen kommen, was er in Hof anbaute, um Gewürze draus zu ziehen. Jean Paul benötigte in gleicher Weise den Samen der Wirklichkeit, um aus ihnen die Gewürznüsse seiner Dichtkunst zu züchten.

Ich brauch' es nicht zu verteidigen, dass unser Fürst – da die russische Kaiserin Dörfern das Stadtrecht gibt – Schutt-Hügeln das Inselrecht erteilt, oder dass er ihnen ostindische Namen schenkt, da jeder Tropf von Schiffer bei der größten Insel, die er noch dazu mehr entdeckt als macht, Patenstelle vertreten darf. Unser Sumatra ist über ¼ Quadratviertelstunde groß und hat hauptsächlich Pfeffer – die Insel Java ist noch größer, aber noch nicht fertig – auf Banda, das dreimal so groß als der Konzertsaal ist, liefert die Natur Muskatnüsse, auf Amboina Gewürznelken – auf Teidor steht ein artiges Landhaus eines bekannten Scheerauers (des Doktors hier selber) – die kleinen Molukken, die in den Weiher hineinpunktiert sind, kann ich samt ihren Produkten in die Westentasche stecken, sie haben aber ihr Gutes.

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