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02.03.2020, 16:08 Uhr
Hannes S. Macher
Text & Debatte
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Bayerische Staatsbibliothek München/Porträtsammlung

Ein »Best-of« der Erzählungen, Gedichte und Briefe der Emerenz Meier

Als literarischer Lordsiegelbewahrer des Andenkens an viele verstorbene Autorinnen und Autoren aus Niederbayern, der Oberpfalz und dem Bayerischen Wald hat sich Hans Göttler große Verdienste erworben. Die Werke beispielsweise von Wilhelm Diess (1884–1957), des Juristen und begnadeten Erzählers von Stegreifgeschichten voll hintergründigem Humor, oder des Gstanzlsängers und Mundartdichters Ludwig Gruber, besser bekannt als Ponzauer Wigg (1922–2005), hat er im Verlaufe der letzten Jahrzehnte mit einfühlsamen Einführungen und Kommentaren neu ediert und somit dem Vergessen entrissen. Aber auch »die tiefbraunen Flecken« im Werk des beliebten Passauer Heimatdichters und Nazi-Apologeten Max Matheis (1894–1984) hat er aufgedeckt.
 
Vor allem jedoch hat Hans Göttler die Erinnerung an die 1874 in Schiefweg geborene und 1928 im ungeliebten Chicago verstorbene Emerenz Meier mit der Herausgabe ihrer Gesammelten Werke in zwei Bänden und einigen Auswahlbänden wach gehalten.

Friedemann Fegert, Gründer und rühriger Leiter des Auswanderer-Museums »Born in Schiefweg« in Emerenz’ elterlichem Wirtshaus in Schiefweg, hat das traurige Leben der 1906 mit ihrer Mutter der Armut wegen und voller Hoffnungen ins »Waldler-Viertel« von Chicago ausgewanderten »Wirtszenz« in seinem Band Emerenz Meier in Chicago akribisch erkundet und mit zahlreichen bis dahin unbekannten Dokumenten in Bild und Text aufgezeigt (edition Lichtland, Freyung, 2014).
 
Darauf aufbauend hat Hans Göttler in diesem Erinnerungsband nun eine repräsentative Auswahl der schönsten, anrührendsten und auch tieftraurig stimmenden Erzählungen, Gedichte und Briefe einer der bedeutendsten bairischen Schriftstellerinnen zusammengestellt. Ein »Best-of« dieses schriftstellerischen »Naturtalentes« (Hans Carossa) mit einigen weniger bekannten, doch mit den beiden berühmten Gedichten Woidaschwüln und Stroßseufzer (»Hätte Goethe Suppen schmalzen ... «). Dazu einige nie ins Triviale abgleitende Apologien ihrer Heimat und vor allem jedoch einfühlsame Erzählungen über das entbehrungsreiche Leben und Überleben der von Not und harter Arbeit geprägten Menschen in der »Steinpfalz« an der Grenze zu Böhmen.
 
 
 
 Buchumschlag, Morsak Verlag
 
 
Freilich, einiges ist auch zum Schmunzeln, wie beispielsweise die hintergründig-humorvolle G’schicht von der Brautschau. Doch Emerenz Meier war nicht nur die »Dichterin des Bayerischen Waldes«, sondern auch und vor allem eine wache, kritische Beobachterin der Politik, der sozialen Ungleichheiten und der gesellschaftlichen Verhältnisse in der ach so seligen Prinzregentenzeit und – nach ihrer Auswanderung »ins Amerika« – auch in den USA.

Vor allem in den Briefen aus Chicago, diesem »Babylon der Geldgier, der zynischen Frechheit, der Hölle für Menschen, welche noch Ideale besitzen«, geschrieben an Auguste Unertl in Waldkirchen, vertraut sie ihrer Freundin ihre seelische und materielle Not an und bekennt sich zum Pazifismus und Sozialismus, bisweilen mit marxistisch-leninistischen Kampfparolen. So beklagt sie sich beispielsweise in ihrem Brief vom 13. Dezember 1919 nicht nur, dass »der Kapitalismus das Volk bis aufs Blut aussaugt«, sondern sie hofft auf das Überschwappen der Russischen Revolution auf Europa und die USA, denn: »Das große, reiche Amerika, das Land, in dem Milch und Honig floß, ist durch den (...) Krieg (...) ruiniert. Die Menschen erfahren nun auch hier, was Hunger und Elend ist.«

Dass der Verlag im Untertitel dieser Edition Emerenz Meier – nach Hans Carossas verharmlosender Einschätzung – als »sanfte Rebellin« bezeichnet, ist freilich völlig deplatziert. Denn sanft waren weder sie noch ihr Werk – und Emerenz Meiers Leben schon gleich nicht, das der Herausgeber im Vorwort und im Anhang kenntnisreich Revue passieren lässt. Die materielle Not und die Entbehrungen in ihrer Heimat und erst recht in Chicago mit all den hier erlebten und erlittenen Schicksalsschlägen waren ihre Lebensbegleiter. Da wäre die Titulierung als »leidenschaftlich-kämpferische Dichterin« wohl passender gewesen.
 
Trotzdem: Dieser facettenreiche Auswahlband ist eine schöne Hommage für Emerenz Meier und ihre stets mit Herzblut verfassten Werke in Vers und Prosa.
 
 
Emerenz Meier: Aus dem Bayerischen Wald und Chicago. Geschichten, Gedichte und Briefe einer sanften Rebellin. Hg. von Hans Göttler. Morsak Verlag. Grafenau 2018. 288 Seiten. 19,90 Euro.