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30.03.2017, 10:08 Uhr
Teresa Präauer
Gespräche

Ein Gespräch mit der Schriftstellerin Teresa Präauer über ihren aktuellen Roman

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(c) Wallstein Verlag

Teresa Präauer, 1979 in Linz geboren, lebt als Schriftstellerin und bildende Künstlerin in Wien. Sie studierte Malerei und Germanistik in Salzburg, Berlin und Wien. Ihr Roman Für den Herrscher aus Übersee wurde 2012 mit dem aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt ausgezeichnet. Im Herbst 2014 erschien der Künstlerroman Johnny und Jean, ebenfalls preisgekrönt. Zuletzt erschien der Roman Oh Schimmi, der beim Bachmannwettbewerb 2015 großes Aufsehen erregte. Es handelt sich dabei um einen Liebesreigen, eine Taugenichts-Geschichte, rhythmisch arrangiert aus den Elementen, Bildern und Codes des 21. Jahrhunderts. Und: um ein Meisterwerk.

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Literaturportal Bayern: Sie haben es ja nicht so mit der Inhalts-Literatur und stehen damit etwas gegen ein gegenwärtiges Erfolgsrezept, das sich an Plot, geradem Realismus und autobiografischem Überbau orientiert. Überrascht Sie dieser Trend angesichts einer Welt, bei der doch viele das Gefühl haben, dass ihnen eine verlässliche Wirklichkeit eher abhandenkommt?

Teresa Präauer: Hier liegt wirklich eine Verwechslung vor, denn ich sprach immer von einer Opposition gegen den „Inhaltismus“, nicht gegen den „Inhalt“. Ich begeistere mich als Leserin nämlich für durchaus sehr unterschiedliche Genres und Ideen. Inhaltismus allerdings bezieht sich auf das Sprechen über Literatur – Vermittlung, Handel, Kritik – als eine neurotische Reduktion von literarischen Texten auf nichts als bloße Inhaltszusammenfassungen. Das ist mir zu fad, zu domestiziert, zu ängstlich und zu „verlässlich“. Oder es ist einfach bloß die halbe Miete.

Womit wir schon bei Schimmi wären: Er selbst lebt, vereinfacht gesagt, in einer Art comichaften Wahrnehmungswelt, er überzeichnet, er „spinnt“. Großspurige Frage, kleinlaut gestellt: Gibt es da einen Bezug zu unserer momentan teils himmelschreiend überreizten politischen Lage samt ihrer trompetenden Protagonisten?

Retrospektiv bekommt der Schimmi nun etwas von Trump, das Fell und die Phrasen, ohne dass ich das planen konnte, aber er hat auch etwas von ungleich sympathischeren Kollegen aus der sogenannten Wirklichkeit: Adriano Celentano mit seinem draufgängerischen Charme, Muhammad Ali mit seinen Reimen, Peter Fox mit seinen Bässen, Maurice Ernst von Bilderbuch mit seiner androgynen, witzigen, altklugen Forschheit oder den Guerrilla Girls mit ihren subversiven Interventionen im Kunstbetrieb. Und etwas von seiner Autorin, die sich zum Affen macht.

Wie haben Sie zu dieser besonderen Schimmi-Sprache gefunden? Als Leser stellt man sich vor, dass es ziemlich lange dauern muss, bis Sie sie verinnerlicht hatten und sich frei darin bewegen konnten.

Alles hochgradig autobiografisch. Eigentlich reime ich selbst den ganzen Tag, zitiere herum, summe, mache schlechte Witze, schaue viel YouTube, lese dies und das, imitiere Comicstimmen. Er ist ohnehin da. Oder es. Der Schimmi ist für mich vielleicht weniger eine Figur als vielmehr eine Verkleidung, die ich mir überziehe. Insofern eher etwas Äußerliches als etwas Innerliches.

Lesen Sie ihre Texte beim Schreiben laut? Es wirkt ja wie ein Buch, das nicht gerade geflüstert werden will.

Nein, die eigene innere Stimme (oder die zwei, drei, hoho) ist ausreichend laut. Aber später, nach den Lesungen dann, kommen manchmal zum Beispiel ältere seriöse Damen zu mir, die völlig schimmifiziert worden sind. Wie von der Tarantel gestochen! Sie wollen das Buch daheim laut vorm Spiegel lesen und U-u-u brüllen. Ich bestärke sie darin.

Was fasziniert Sie so an Hochstaplerfiguren?

Ihr sprachliches Potential. Um sich größer zu machen, muss man den Großsprech beherrschen. Das ist für die Literatur produktiv. Hochstapler – und Taugenichtse, muss ich ergänzen. Es ist tragisch und komisch zugleich, wie Wahrheit und Lüge einander trickreich aushebeln.

Ihre Sprachvirtuosität, der Rhythmus, die assoziative Verspieltheit, der Slang, das Tänzeln am Exzess – all das ruft manch große österreichische Literatur auf, auf die die deutsche zu Recht oft neidisch blickt. Sehen Sie sich ästhetisch als österreichische Autorin?

Ich sehe mich als deutschsprachige Autorin, die sprechen und schreiben gelernt hat im Verhältnis von Spiel und Skepsis. In Österreich liegen Sprache und Wirklichkeit vielleicht weiter auseinander. Oder: Wir erkennen die Dehnbarkeit der Begriffe an.

Man fühlt sich beim Lesen Ihrer Bücher immer seltsam prekär, wie ausgesetzt, nicht abgesichert durch verlässliche Erzählsituationen oder Erzählhaltungen. Alles ist im Fluss. Für den Schimmi-Roman gilt das besonders. Es ist schwer einzuschätzen, ob Sie ein „Sprachaffentheater“ inszenieren oder dieses nicht vielmehr schon wieder einreißen wollen. Dadurch entsteht eine Unterströmung, die bedrohlich wirkt. Diese Ebene der Beunruhigung, der Gewalt und des Tragischen wurde in der öffentlichen Wahrnehmung des Romans ziemlich unterbetont; dabei braucht die „Gaudi“ der darüber flirrenden Ebene diese doch, um zu wirken – und umgekehrt?

Das sehe ich genauso. Witz ohne Melancholie ist uninteressant. Es gibt eine Tragik, Traurigkeit und explizite oder unterschwellige Gewalt, die auch in diesen Texten steckt. Und manches ist, ja, im Fluss, aber es gibt stilistisch und motivisch, dem entgegengesetzt, sehr klare Begrenzungen oder Staudämme. Der Untergrund ist fest, aber man muss auch schwimmen und mitunter nach Luft schnappen. So, wie Sie das beschreiben, freut es mich eigentlich.