Die Premiere von „This Plot is not for Sale“ im Pathos-Theater
Die europäische Erstaufführung des Theaterstücks This Plot is not for Sale fand im Rahmen des Theaterfestivals SPIELART 2025 statt. Das fünfsprachige Theaterprojekt entstand unter der Leitung des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen in Zusammenarbeit dreier Autorinnen und Autoren zwischen München und Nairobi im digitalen Raum. Als Medienkooperationspartner hat das Literaturportal Bayern drei Essays der Kunstschaffenden
Ursula Gisemba, Denijen Pauljiević und Theresa Seraphin veröffentlicht, in denen sie über ihre kollektive sowie individuelle Arbeit am Stück reflektieren. Die Redaktion des Literaturportals war nun auch bei der Uraufführung vor Ort.
*
Das kleine, aber feine
PATHOS Theater ist bis auf den letzten Platz besetzt; ein Juwel der freien Szene. Die Atmosphäre bleibt tatsächlich bis zum Beginn des Stücks auffallend „untheatral“. Ein wenig so, wie man sich Kunst im öffentlichen Raum vorstellt. Es wird geratscht, Bier getrunken und jeden Augenblick kann in der Mitte der Versammlung etwas Kunstvolles geschehen, was sich scheinbar dramaturgisch beiläufig-organisch in die Szenerie einfügt.
This Plot is not for Sale – so heißt das für heute hier angekündigte Stück des Kreativteams bestehend aus Ursula Gisemba (Nairobi), Theresa Seraphin (München) und Denijen Pauljević (Belgrad/München). Wichtige Information vorab: In Kenia ist der Schriftzug This Plot is not for Sale an Grundstücksmauern zu lesen. Er deutet damit auf vorhergegangene Betrugsversuche hin.
Die doppelte Bedeutung des englischen Wortes „plot“ verweist jedoch nicht nur auf eine Grundstücksfläche, sondern gleichzeitig natürlich auch auf den Handlungsaufbau des Stückes. Denijen Pauljiević reflektiert dies so: „Vielleicht ist das der eigentliche Plot, der nicht zu verkaufen ist: Der Moment, in dem etwas entsteht, das nicht kalkuliert, nicht kontrolliert, nicht besessen werden kann. Ein Moment der echten Begegnung. Zwischen Erinnerung und Utopie. Zwischen Menschen, die einander zuhören. Oder nur so tun, als ob.“
Das Stück, eine Art Collage, nimmt zunächst etwas langsam an Fahrt auf… Zuerst einmal ist da Stevan (dargestellt und geschrieben von Denijen Pauljevic). Ein serbischer Fotograf mit einer geheimnisvollen „Camera Absurda“; der derjenigen Person, die sie aufnimmt, ihr wahres Ich entlockt. Als begeisterte Kundinnen stellen sich schließlich ein: Pete, eine ambitioniert-aufstrebende Kenianerin der Mittelschicht (porträtiert und geschrieben von Ursula Gisemba) und Kathi, eine wohlhabende Deutsche mit postkolonialem Schuldkomplex (gespielt und geschrieben von Theresa Seraphin).
Beide Frauen wollen die Kamera für ihre eigenen Zwecke nutzen; und zwar wie sich im Fortlauf der Handlung immer mehr herausstellt, im oben genannten Sinne des Plots als Betrugs- oder vielmehr als eitel-defensiven Selbstbetrugsversuch. Denn Pete und Kathi bieten nach außen hin den perfekt inszenierten Lebenslauf. Entsprechend erwarten sie, sich in einer leuchtendheilen Version ihrer selbst von Stevans Camera gespiegelt zu sehen. Ein Porträt ihrer selbst also, in der Vergangenheit und Zukunft in goldenem Glanz der Political Correctness erstrahlen. Was die Kamera ihnen schließlich jedoch zurück spiegelt, ist eine banal-grotesk anmutende Farce des Kitsches. Der Schock ist groß.
Man braucht eine Weile, um sich in den Ton und Stil des anfangs etwas thesenhaft-abstrakt gebauten Handlungs-Szenarios auch gefühlsmäßig einzufinden. Aber dann blühen in spritzig-klugen Übersitzungen und überraschend berührenden Wendungen die großen Fragen auf, an die sich das schöpferische Kollektiv Seraphin, Gisemba und Pauljevic im gemeinsamen spielerischen Dialog gewagt hat und die von ihren drei so unterschiedlichen Charakteren Pete, Kathi und Stevan auf der Bühne berührend lebensnah verhandelt werden.
Es sind dies die Fragen nach der white guilt (der Schuld der Weißen im Zusammenhang mit kolonialer Ausbeutung und postkolonialer Verdrängung) im Speziellen, aber auch grundlegende Fragen hinsichtlich der eigenen Identität. Inwieweit ist Individualität in diesen Schuld- und Rollenzusammenhängen überhaupt möglich? Wie hängt diese mit der eigenen Sprache und Geschichte zusammen und wie verwoben ist sie mit der Sprache und Geschichte der Anderen. Wem gehört die Geschichte, wer besitzt ihre Deutungshoheit – und wer inszeniert die Zukunft?
Zurück zur geheimnisvollen Camera absurda: Eigentlich Raum bedeutend (camera = Zimmer), gab es, dies erfährt man im poetisch-eindringlichen Epilog, in früheren Zeiten den so genannten Königsraum. Ursprünglich ein privates Refugium des öffentlichen Herrschers als Kammer für Geheimnisse und Möglichkeiten alternativer Selbstentwürfe, verwandelt er sich in der Kamera, als Dunkelkammer und Aufzeichnungssystem von Bildern, immer mehr in ein mediales Instrument des Voyeurismus und der Zuschreibung.
Einmal nur die Freiheit zu haben, man selbst zu sein; ohne Rollen, ohne Zuschreibungen von Außen und unbehelligt. Wer träumt davon nicht?
Am Ende, nach der „Häutung“ aller Klischees, steht schließlich dann die echte Begegnung von Kathi, Pete und Stevan. Hier wird die Möglichkeit von Freundschaft und die Rückgewinnung eigener Königsräume als positive Zukunftsvision spürbar.
Zum guten Ende gab es für alle, die das wollten, dann noch einen Schnaps und man konnte vielfach erfüllt und frohgemut auf den anregenden Abend anstoßen und den Austausch weiter vertiefen. Das Pathos-Theater ist ein wunderbarer Ort dafür; die meisten blieben lang.
Ein wertvolles, nachhaltiges Erlebnis.
Die Premiere von „This Plot is not for Sale“ im Pathos-Theater >
Die europäische Erstaufführung des Theaterstücks This Plot is not for Sale fand im Rahmen des Theaterfestivals SPIELART 2025 statt. Das fünfsprachige Theaterprojekt entstand unter der Leitung des Netzwerks Münchner Theatertexter*innen in Zusammenarbeit dreier Autorinnen und Autoren zwischen München und Nairobi im digitalen Raum. Als Medienkooperationspartner hat das Literaturportal Bayern drei Essays der Kunstschaffenden
Ursula Gisemba, Denijen Pauljiević und Theresa Seraphin veröffentlicht, in denen sie über ihre kollektive sowie individuelle Arbeit am Stück reflektieren. Die Redaktion des Literaturportals war nun auch bei der Uraufführung vor Ort.
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Das kleine, aber feine
PATHOS Theater ist bis auf den letzten Platz besetzt; ein Juwel der freien Szene. Die Atmosphäre bleibt tatsächlich bis zum Beginn des Stücks auffallend „untheatral“. Ein wenig so, wie man sich Kunst im öffentlichen Raum vorstellt. Es wird geratscht, Bier getrunken und jeden Augenblick kann in der Mitte der Versammlung etwas Kunstvolles geschehen, was sich scheinbar dramaturgisch beiläufig-organisch in die Szenerie einfügt.
This Plot is not for Sale – so heißt das für heute hier angekündigte Stück des Kreativteams bestehend aus Ursula Gisemba (Nairobi), Theresa Seraphin (München) und Denijen Pauljević (Belgrad/München). Wichtige Information vorab: In Kenia ist der Schriftzug This Plot is not for Sale an Grundstücksmauern zu lesen. Er deutet damit auf vorhergegangene Betrugsversuche hin.
Die doppelte Bedeutung des englischen Wortes „plot“ verweist jedoch nicht nur auf eine Grundstücksfläche, sondern gleichzeitig natürlich auch auf den Handlungsaufbau des Stückes. Denijen Pauljiević reflektiert dies so: „Vielleicht ist das der eigentliche Plot, der nicht zu verkaufen ist: Der Moment, in dem etwas entsteht, das nicht kalkuliert, nicht kontrolliert, nicht besessen werden kann. Ein Moment der echten Begegnung. Zwischen Erinnerung und Utopie. Zwischen Menschen, die einander zuhören. Oder nur so tun, als ob.“
Das Stück, eine Art Collage, nimmt zunächst etwas langsam an Fahrt auf… Zuerst einmal ist da Stevan (dargestellt und geschrieben von Denijen Pauljevic). Ein serbischer Fotograf mit einer geheimnisvollen „Camera Absurda“; der derjenigen Person, die sie aufnimmt, ihr wahres Ich entlockt. Als begeisterte Kundinnen stellen sich schließlich ein: Pete, eine ambitioniert-aufstrebende Kenianerin der Mittelschicht (porträtiert und geschrieben von Ursula Gisemba) und Kathi, eine wohlhabende Deutsche mit postkolonialem Schuldkomplex (gespielt und geschrieben von Theresa Seraphin).
Beide Frauen wollen die Kamera für ihre eigenen Zwecke nutzen; und zwar wie sich im Fortlauf der Handlung immer mehr herausstellt, im oben genannten Sinne des Plots als Betrugs- oder vielmehr als eitel-defensiven Selbstbetrugsversuch. Denn Pete und Kathi bieten nach außen hin den perfekt inszenierten Lebenslauf. Entsprechend erwarten sie, sich in einer leuchtendheilen Version ihrer selbst von Stevans Camera gespiegelt zu sehen. Ein Porträt ihrer selbst also, in der Vergangenheit und Zukunft in goldenem Glanz der Political Correctness erstrahlen. Was die Kamera ihnen schließlich jedoch zurück spiegelt, ist eine banal-grotesk anmutende Farce des Kitsches. Der Schock ist groß.
Man braucht eine Weile, um sich in den Ton und Stil des anfangs etwas thesenhaft-abstrakt gebauten Handlungs-Szenarios auch gefühlsmäßig einzufinden. Aber dann blühen in spritzig-klugen Übersitzungen und überraschend berührenden Wendungen die großen Fragen auf, an die sich das schöpferische Kollektiv Seraphin, Gisemba und Pauljevic im gemeinsamen spielerischen Dialog gewagt hat und die von ihren drei so unterschiedlichen Charakteren Pete, Kathi und Stevan auf der Bühne berührend lebensnah verhandelt werden.
Es sind dies die Fragen nach der white guilt (der Schuld der Weißen im Zusammenhang mit kolonialer Ausbeutung und postkolonialer Verdrängung) im Speziellen, aber auch grundlegende Fragen hinsichtlich der eigenen Identität. Inwieweit ist Individualität in diesen Schuld- und Rollenzusammenhängen überhaupt möglich? Wie hängt diese mit der eigenen Sprache und Geschichte zusammen und wie verwoben ist sie mit der Sprache und Geschichte der Anderen. Wem gehört die Geschichte, wer besitzt ihre Deutungshoheit – und wer inszeniert die Zukunft?
Zurück zur geheimnisvollen Camera absurda: Eigentlich Raum bedeutend (camera = Zimmer), gab es, dies erfährt man im poetisch-eindringlichen Epilog, in früheren Zeiten den so genannten Königsraum. Ursprünglich ein privates Refugium des öffentlichen Herrschers als Kammer für Geheimnisse und Möglichkeiten alternativer Selbstentwürfe, verwandelt er sich in der Kamera, als Dunkelkammer und Aufzeichnungssystem von Bildern, immer mehr in ein mediales Instrument des Voyeurismus und der Zuschreibung.
Einmal nur die Freiheit zu haben, man selbst zu sein; ohne Rollen, ohne Zuschreibungen von Außen und unbehelligt. Wer träumt davon nicht?
Am Ende, nach der „Häutung“ aller Klischees, steht schließlich dann die echte Begegnung von Kathi, Pete und Stevan. Hier wird die Möglichkeit von Freundschaft und die Rückgewinnung eigener Königsräume als positive Zukunftsvision spürbar.
Zum guten Ende gab es für alle, die das wollten, dann noch einen Schnaps und man konnte vielfach erfüllt und frohgemut auf den anregenden Abend anstoßen und den Austausch weiter vertiefen. Das Pathos-Theater ist ein wunderbarer Ort dafür; die meisten blieben lang.
Ein wertvolles, nachhaltiges Erlebnis.
