Gespräch mit Denijen Pauljevic über SPIELART, Kollektives Schreiben und Literatur
Im Herbst wartet das renommierte Münchner Theater- und Performance-Festival SPIELART mit einem einem ebenso bemerkenswert impulsgebenden wie international besetzten Programm auf, zu dem auch die vom
Netzwerk Münchner Theatertexter*innen (NMT) initiierte Produktion This Plot is not for Sale gehört, über die das Literaturportal Bayern in diesem Jahr berichtet. Im Rahmen der diesjährigen Programmvorstellung im Bellevue di Monaco konnte das Literaturportal Bayern auch kurz mit Denijen Pauljević persönlich sprechen; über This Plot is not for Sale, aber vor allem auch über Literatur.
*
LITERATURPORTAL BAYERN: Denijen, eben bei der Vorstellung Eures Stückes im Rahmen des diesjährigen SPIELART-Festivals, hast Du This Plot is not for Sale als eine groteske Satire bezeichnet. Nun tut sich die Satire, zumindest in ihrer Wahrnehmung als künstlerische Ausdrucksform in Deutschland mitunter etwas schwer. Diese Tradition der intellektuellen Satire, etwa von Karl Kraus und Kurt Tucholsky so wunderbar betrieben, ist unter den Nationalsozialisten abrupt abgebrochen worden und sieht sich im Nachkriegsdeutschland bis heute vielen Missverständnissen ausgesetzt. Warum habt ihr, also Euer Autorschaftsteam, bestehend aus Theresa Seraphin, Ursula Gisemba und Dir, diese Form gewählt? Was gibt sie Deiner Meinung nach her, um Eure Ideen zu vermitteln?
DENIJEN PAULJEVIĆ: Wir haben zuerst einmal gesagt: Wir wollen gemeinsam schreiben. Und dann haben wir gesucht – nach dem persönlichen Bezug. Und als der Bezug für die jeweilige Figur dann kam und wir es ernst begonnen hatten, haben wir gemerkt, dass wir uns dadurch auch ein bisschen einschränken. Wenn wir hingegen mehr in die Groteske, ins Trashige gehen, haben wir sowohl mehr Freiheiten als auch mehr spielerische Möglichkeiten. Und auch mehr Spaß. Wir können trotzdem unsere Ideen unterbringen, ohne dass es kitschig wird. Es hat außerdem wohl auch mit dem jeweiligen Background zu tun. Zum Beispiel bei mir persönlich mit meinem jugoslawisch-serbischen Hintergrund und auch meinen persönlichen Interessen, dass auch das Trashige als Input kam, für meine Figur.
LPB: Das klingt nachvollziehbar und ist sicherlich auch noch mal eine andere Art, Menschen zu erreichen. Sich auch freier zu fühlen, in der Wahl der Mittel. Jetzt seid Ihr ja bereits mittendrin in der Schreib- und Probenarbeit. Und Du hast ja auch hier bei uns im Literaturportal bereits einen Essay veröffentlicht, in dem Du diese kreativen Schaffens- und Kommunikationsprozesse reflektierst. Wenn Du jetzt heute die Vorstellung des gesamten SPIELART-Programms mal auf Dich wirken lässt – wie wirkt das alles auf Dich? Was geht Dir durch den Kopf? Was erhoffst Du Dir?
PAULJEVIĆ: Spontan gesagt, es begeistert mich, diese Mischung und diese Vielfalt. Vor zwei Jahren habe ich übrigens auch meine Mitautorin Ursula Gisemba auf dem SPIELART-Festival kennengelernt. Es ist toll, dass es so ein großes, internationales Angebot ist und es den Menschen die Möglichkeit gibt, sich kennenzulernen, sich zu vernetzen, und auch für mich habe ich im Laufe der Jahre das kollektive Schreiben entdeckt. Früher habe ich nur allein am Schreibtisch gesessen, das war erstmal seit der Jugend meine Vorstellung: Ein Autor oder eine Autorin arbeitet für sich alleine an einem Text. Aber eigentlich ist Literatur auch eine Teamarbeit, und im Theater sowieso.
Das ist also das, worauf ich mich hier freue. Das Vernetzen, Verbinden im kollektiven Schreiben. Und ich glaube, dass das auch für viele eine Entdeckung sein wird.
LPB: Ich verstehe den schönen Part, den verbindenden Aspekt, denn der ist heutzutage auch wirklich – mit Blick auf die Weltlage – sehr notwendig. Aber was machen wir im Falle von Differenzen und Unstimmigkeiten? Nun haben wir es auch heute gehört, gerade im Zusammenhang mit dem Beitrag aus Taiwan, dass eine Möglichkeit der Kommunikation und des Zulassens sehr kontroverser Positionen, auch der friedliche Dissens, der Widerspruch sein kann. Man kann den anderen ihre Position künstlerisch darstellen lassen und zugleich dabei ein Schild hochhalten: „I don't agree“. Diese Art sich Raum zu geben, sich wertzuschätzen und sich dennoch, teilweise wie wir in den Beiträgen gesehen haben, auch über den Schmerz, abzugrenzen – auch das bedeutet ja kollektives Schreiben und Erzählen. Wo siehst Du da für Dich persönlich Herausforderungen, mit Kontroversen und Grenzen umzugehen? Sie einzubinden und nicht zu glätten und trotzdem zu etwas Schönem, einem gemeinsamen Werk zu kommen?
PAULJEVIĆ: Gerade jetzt in unserem Theaterstück, wo ja mehrere Menschen zusammen etwas schreiben, war es für mich immer der größte Gewinn zu erkennen: Was ist wirklich für die Geschichte sinnvoll? Da gehe ich quasi auch über eigene Grenzen hinweg, wenn ich merke, das dient der Geschichte oder es dient ihr nicht. Ich muss nicht immer meine Behauptungen durchsetzen, wenn sie die Geschichte nicht besser machen.
LPB: Das heißt, die Geschichte gibt eigentlich vor, wo es langgeht? Erfordert das eine gewisse persönliche Zurücknahme, eine Hingabe an die Kunst?
PAULJEVIĆ: Ja, unbedingt.
LPB: Jetzt sind wir in der Gegenwart. Aber gibt es schon ein zukünftiges Projekt?
PAULJEVIĆ: Mein nahes, zukünftiges Projekt wird auf jeden Fall die Beschäftigung mit meinem neuen Roman sein, der allerdings auch etwas mit der Vergangenheit zu tun hat, weil ich die Audiotagebücher meiner Großmutter aus den 80er-Jahren von meinem Vater geschenkt bekommen habe, vor ganz vielen Jahren. Vor 30 Jahren eigentlich schon, aber jetzt setze ich mich damit auseinander. Da geht es auch um die Geschichte eines Landes, das zugrunde gegangen ist, aber zugleich ist es eine ziemlich schräge, auch spannende Familiengeschichte. Natürlich ist das vom Thema her etwas sehr Persönliches; aber dazu habe ich auch eine künstlerische Distanz gefunden. Das Projekt neigt sich jetzt dem Ende zu, es hat mir auch Spaß gemacht, dass ich mit meiner Großmutter auf diese Weise, dreißig Jahre später, zusammengearbeitet habe.
Interessanterweise habe ich erst jetzt, so kurz vor dem Ende des Projekts, am Ende der Audios gehört, dass meine Großmutter beschlossen hat, sie mir zu hinterlassen. Ich bin zwar nicht der einzige Enkel, aber sie hatte wohl das Gefühl, dass ich es bin, der eines Tages etwas damit machen könnte. Und so ist es ja auch gekommen.
LPB: Hast Du denn schon einen Arbeitstitel?
PAULJEVIĆ: „Das Mosaik des Weggehens“.
LPB: Sehr schön. Und poetisch. Zum Schluss stellen wir immer gerne drei assoziative Fragen aus dem Crescendo Fragebogen für Künstler. Darf ich...? (Denijen nickt.)
Was würde niemand von Dir erwarten?
PAULJEVIĆ: Zu schweigen.
(Beide lachen)
LPB: Welchen drei Menschen würdest Du gerne begegnen oder wärst Du gerne begegnet?
PAULJEVIĆ: Tito wäre ich gerne begegnet. Das kommt auch in This Plot is not for Sale vor. Und dann wäre ich sehr gerne George Orwell begegnet und Franz Kafka.
LPB: Das wäre auch mal ein tolles Theaterstück: Diese drei in einem Raum – worüber die sich wohl unterhalten hätten?
Was würdest Du sie denn jeweils fragen?
PAULJEVIĆ: Tito hätte ich gefragt: wo war das Durchhaltevermögen? Bei George Orwell hätte ich mich gefragt: Wieso hat er das alles so vorausgespürt, gewusst? Und bei Franz Kafka: woher dieser unglaubliche Spaß zu schreiben gekommen ist.
LPB: Vielen Dank, das hier hat auch Spaß gemacht.
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Im Herbst wartet das renommierte Münchner Theater- und Performance-Festival SPIELART mit einem einem ebenso bemerkenswert impulsgebenden wie international besetzten Programm auf, zu dem auch die vom
Netzwerk Münchner Theatertexter*innen (NMT) initiierte Produktion This Plot is not for Sale gehört, über die das Literaturportal Bayern in diesem Jahr berichtet. Im Rahmen der diesjährigen Programmvorstellung im Bellevue di Monaco konnte das Literaturportal Bayern auch kurz mit Denijen Pauljević persönlich sprechen; über This Plot is not for Sale, aber vor allem auch über Literatur.
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LITERATURPORTAL BAYERN: Denijen, eben bei der Vorstellung Eures Stückes im Rahmen des diesjährigen SPIELART-Festivals, hast Du This Plot is not for Sale als eine groteske Satire bezeichnet. Nun tut sich die Satire, zumindest in ihrer Wahrnehmung als künstlerische Ausdrucksform in Deutschland mitunter etwas schwer. Diese Tradition der intellektuellen Satire, etwa von Karl Kraus und Kurt Tucholsky so wunderbar betrieben, ist unter den Nationalsozialisten abrupt abgebrochen worden und sieht sich im Nachkriegsdeutschland bis heute vielen Missverständnissen ausgesetzt. Warum habt ihr, also Euer Autorschaftsteam, bestehend aus Theresa Seraphin, Ursula Gisemba und Dir, diese Form gewählt? Was gibt sie Deiner Meinung nach her, um Eure Ideen zu vermitteln?
DENIJEN PAULJEVIĆ: Wir haben zuerst einmal gesagt: Wir wollen gemeinsam schreiben. Und dann haben wir gesucht – nach dem persönlichen Bezug. Und als der Bezug für die jeweilige Figur dann kam und wir es ernst begonnen hatten, haben wir gemerkt, dass wir uns dadurch auch ein bisschen einschränken. Wenn wir hingegen mehr in die Groteske, ins Trashige gehen, haben wir sowohl mehr Freiheiten als auch mehr spielerische Möglichkeiten. Und auch mehr Spaß. Wir können trotzdem unsere Ideen unterbringen, ohne dass es kitschig wird. Es hat außerdem wohl auch mit dem jeweiligen Background zu tun. Zum Beispiel bei mir persönlich mit meinem jugoslawisch-serbischen Hintergrund und auch meinen persönlichen Interessen, dass auch das Trashige als Input kam, für meine Figur.
LPB: Das klingt nachvollziehbar und ist sicherlich auch noch mal eine andere Art, Menschen zu erreichen. Sich auch freier zu fühlen, in der Wahl der Mittel. Jetzt seid Ihr ja bereits mittendrin in der Schreib- und Probenarbeit. Und Du hast ja auch hier bei uns im Literaturportal bereits einen Essay veröffentlicht, in dem Du diese kreativen Schaffens- und Kommunikationsprozesse reflektierst. Wenn Du jetzt heute die Vorstellung des gesamten SPIELART-Programms mal auf Dich wirken lässt – wie wirkt das alles auf Dich? Was geht Dir durch den Kopf? Was erhoffst Du Dir?
PAULJEVIĆ: Spontan gesagt, es begeistert mich, diese Mischung und diese Vielfalt. Vor zwei Jahren habe ich übrigens auch meine Mitautorin Ursula Gisemba auf dem SPIELART-Festival kennengelernt. Es ist toll, dass es so ein großes, internationales Angebot ist und es den Menschen die Möglichkeit gibt, sich kennenzulernen, sich zu vernetzen, und auch für mich habe ich im Laufe der Jahre das kollektive Schreiben entdeckt. Früher habe ich nur allein am Schreibtisch gesessen, das war erstmal seit der Jugend meine Vorstellung: Ein Autor oder eine Autorin arbeitet für sich alleine an einem Text. Aber eigentlich ist Literatur auch eine Teamarbeit, und im Theater sowieso.
Das ist also das, worauf ich mich hier freue. Das Vernetzen, Verbinden im kollektiven Schreiben. Und ich glaube, dass das auch für viele eine Entdeckung sein wird.
LPB: Ich verstehe den schönen Part, den verbindenden Aspekt, denn der ist heutzutage auch wirklich – mit Blick auf die Weltlage – sehr notwendig. Aber was machen wir im Falle von Differenzen und Unstimmigkeiten? Nun haben wir es auch heute gehört, gerade im Zusammenhang mit dem Beitrag aus Taiwan, dass eine Möglichkeit der Kommunikation und des Zulassens sehr kontroverser Positionen, auch der friedliche Dissens, der Widerspruch sein kann. Man kann den anderen ihre Position künstlerisch darstellen lassen und zugleich dabei ein Schild hochhalten: „I don't agree“. Diese Art sich Raum zu geben, sich wertzuschätzen und sich dennoch, teilweise wie wir in den Beiträgen gesehen haben, auch über den Schmerz, abzugrenzen – auch das bedeutet ja kollektives Schreiben und Erzählen. Wo siehst Du da für Dich persönlich Herausforderungen, mit Kontroversen und Grenzen umzugehen? Sie einzubinden und nicht zu glätten und trotzdem zu etwas Schönem, einem gemeinsamen Werk zu kommen?
PAULJEVIĆ: Gerade jetzt in unserem Theaterstück, wo ja mehrere Menschen zusammen etwas schreiben, war es für mich immer der größte Gewinn zu erkennen: Was ist wirklich für die Geschichte sinnvoll? Da gehe ich quasi auch über eigene Grenzen hinweg, wenn ich merke, das dient der Geschichte oder es dient ihr nicht. Ich muss nicht immer meine Behauptungen durchsetzen, wenn sie die Geschichte nicht besser machen.
LPB: Das heißt, die Geschichte gibt eigentlich vor, wo es langgeht? Erfordert das eine gewisse persönliche Zurücknahme, eine Hingabe an die Kunst?
PAULJEVIĆ: Ja, unbedingt.
LPB: Jetzt sind wir in der Gegenwart. Aber gibt es schon ein zukünftiges Projekt?
PAULJEVIĆ: Mein nahes, zukünftiges Projekt wird auf jeden Fall die Beschäftigung mit meinem neuen Roman sein, der allerdings auch etwas mit der Vergangenheit zu tun hat, weil ich die Audiotagebücher meiner Großmutter aus den 80er-Jahren von meinem Vater geschenkt bekommen habe, vor ganz vielen Jahren. Vor 30 Jahren eigentlich schon, aber jetzt setze ich mich damit auseinander. Da geht es auch um die Geschichte eines Landes, das zugrunde gegangen ist, aber zugleich ist es eine ziemlich schräge, auch spannende Familiengeschichte. Natürlich ist das vom Thema her etwas sehr Persönliches; aber dazu habe ich auch eine künstlerische Distanz gefunden. Das Projekt neigt sich jetzt dem Ende zu, es hat mir auch Spaß gemacht, dass ich mit meiner Großmutter auf diese Weise, dreißig Jahre später, zusammengearbeitet habe.
Interessanterweise habe ich erst jetzt, so kurz vor dem Ende des Projekts, am Ende der Audios gehört, dass meine Großmutter beschlossen hat, sie mir zu hinterlassen. Ich bin zwar nicht der einzige Enkel, aber sie hatte wohl das Gefühl, dass ich es bin, der eines Tages etwas damit machen könnte. Und so ist es ja auch gekommen.
LPB: Hast Du denn schon einen Arbeitstitel?
PAULJEVIĆ: „Das Mosaik des Weggehens“.
LPB: Sehr schön. Und poetisch. Zum Schluss stellen wir immer gerne drei assoziative Fragen aus dem Crescendo Fragebogen für Künstler. Darf ich...? (Denijen nickt.)
Was würde niemand von Dir erwarten?
PAULJEVIĆ: Zu schweigen.
(Beide lachen)
LPB: Welchen drei Menschen würdest Du gerne begegnen oder wärst Du gerne begegnet?
PAULJEVIĆ: Tito wäre ich gerne begegnet. Das kommt auch in This Plot is not for Sale vor. Und dann wäre ich sehr gerne George Orwell begegnet und Franz Kafka.
LPB: Das wäre auch mal ein tolles Theaterstück: Diese drei in einem Raum – worüber die sich wohl unterhalten hätten?
Was würdest Du sie denn jeweils fragen?
PAULJEVIĆ: Tito hätte ich gefragt: wo war das Durchhaltevermögen? Bei George Orwell hätte ich mich gefragt: Wieso hat er das alles so vorausgespürt, gewusst? Und bei Franz Kafka: woher dieser unglaubliche Spaß zu schreiben gekommen ist.
LPB: Vielen Dank, das hier hat auch Spaß gemacht.