Bayern und Japan (6): Erste Japan-Ausstellung in Deutschland (1885). Aufführung der Operette „Der Mikado“ (1886)
Japan ist in vielerlei Hinsicht historisch eng mit Deutschland und Bayern verbunden. Mit der Gegenreformation und der jesuitischen Mission in Japan im 16./17. Jahrhundert wurden in München, aber auch an anderen Orten in Bayern seit 1623 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts religiöse Theaterstücke mit japanischen Helden aufgeführt. Nach Mitte des 19. Jahrhunderts setzten zwischen Bayern und Japan intensive Kontakte in Politik, Wissenschaft, Kunst und in der Wirtschaft ein. Wie sich diese Kontakte bis um 1900 entwickelten, auch wie Japaner damals München sahen und München Japan und Japaner erlebte, das ist Inhalt dieser neuen 9-teiligen Blogreihe der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und Autorin Ingvild Richardsen.
*
Einige Münchner hatten Japan zum ersten Mal auf der Weltausstellung 1873 in Wien kennengelernt. Japan befand sich damals mitten in einem tiefgreifenden Wandel – die Atmosphäre der Edo-Zeit war zwar noch spürbar, aber das Land war bereits fest in der Meiji-Zeit angekommen. Für viele Europäer war das Bild von Japan jedoch weiterhin stark von der exotischen Edo-Kultur geprägt.
Die erste Japan-Ausstellung in Deutschland fand dann 1885 in Berlin und München statt. In München im berühmten früheren Glaspalast. In den Münchner Neuesten Nachrichten konnte man lesen: „Die Japaner, welche den kgl. Glaspalast in München bevölkern werden [...] nehmen körperlich und geistig einen hohen Rang ein.“
Links: Zeitungsausschnitt aus den Münchner Neuesten Nachrichten. Rechts: Münchner Glaspalast
Zahlreiche Plakate und Anzeigen in München informierten über die Ausstellung und die wunderbaren Dinge, die zu sehen waren, darunter eine kleine japanische Stadt mit mehreren Straßen und Häusern, Gewerbetrieben und einen Tempel. Es gab die Kyoto-, die Yokohama- und Nagasaki-Straße. Werkstatt reihte sich an Werkstatt. Alle Künste waren vertreten, für die das fernöstliche Reich inzwischen berühmt geworden war, darunter Seidensticker, Elfenbeinschnitzer und Porzellanmaler.
Der Eingang zur Ausstellung war mit Seidenstoffen des jüdischen Kaufhauses Bernheimer dekoriert. Mehr als 600 Objekte konnte man bewundern, von Rollbildern über Schnitzereien, Bronzen sowie Lackwaren.
Links: Anzeige des Kaufhauses Bernheimer. Rechts: Der Stickkünstler von Adolf Menzel. Aufenthalt der Japaner in Berlin und München
Japonismus in Münchner Theatern seit 1886: Der Mikado
Dass sich München seit 1885 im Japanfieber befand, war auch dem Theater zu verdanken, speziell dem Gärtnerplatztheater, wo der japanische Kaiser einen triumphalen Auftritt erlebte. Am 15.Oktober 1886 wurde hier durch die englische Theatertruppe von D'Oyly Carte auf Englisch die Erfolgsoperette Der Mikado mit hinreißender Musik und üppigster japanischer Kostümausstattung aufgeführt, eine europäische Phantasie von Japan. Komponiert war sie von Arthur Sullivan, die Musik stammte von William Gilbert, uraufgeführt wurde die Operette 1885 in London. Danach tourte sie durch ganz Europa. Tatsächlich war der japanische Kaiser in Europa seit 1886 nur als „Mikado“ bekannt. 1886 wurde die Operette im Münchner Gärtnerplatztheater dargeboten.
Die ganze Mode war im Zuge des Japanfiebers fortan eingestellt auf japanische Stoffe, Geräte und Blüten. Etwa 100 Geschäfte versorgten die Münchner Gesellschaft fortan mit allem, was dem weiteren Anfeuern der Japanbegeisterung diente.
Am 31. Januar 1889 wurde Der Mikado nochmals im Gärtnerplatztheater aufgeführt. Franz von Lenbach (1836-1904) porträtierte den beliebten Münchner Schauspieler Konrad Dreher (1859-1944) in seinem Kostüm als „Mikado“. Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) wiederum malte ein Szenenbild aus der Operette in Fächerform.
Links: Konrad Dreher als Scharfrichter „Ko-Ko“ in der Operette Der Mikado, Gemälde Franz von Lenbach, ca. 1889. Rechts: Mikado-Fächerbild von Friedrich August von Kaulbach
Tatsächlich gab es seit 1891 auch ein Münchner Café namens Mikado im japanischen Stil, eine „Sehenswürdigkeit I. Ranges“ an der „Tramwayhaltestelle“, Reichenbachstraße, „in japanischem Style“ reich ausgestattet, zu vorzüglichem „Kaffee, Chocolade und Cacao“, Weinen und Bieren.
Wer es sich leisten konnte, ließ die Operette in seinem eigenen Haus aufführen. Dies geschah z.B. bei Franz August von Kaulbach und am 28./29. sowie 31. Januar 1887 im Haus des Verlegers Georg Hirth (1841-1961) mit 30 Personen und eigens dafür gekauften japanischen Kostümen. Hirth selbst übernahm die Rolle des Kaisers.
Links: Alte Postkarte, Café Mikado in München. Rechts: Fotografie aus dem Atelier Elvira
Tipp: Virtuelle Ausstellung Farben Japans – Holzschnitte aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek.
Bayern und Japan (6): Erste Japan-Ausstellung in Deutschland (1885). Aufführung der Operette „Der Mikado“ (1886)>
Japan ist in vielerlei Hinsicht historisch eng mit Deutschland und Bayern verbunden. Mit der Gegenreformation und der jesuitischen Mission in Japan im 16./17. Jahrhundert wurden in München, aber auch an anderen Orten in Bayern seit 1623 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts religiöse Theaterstücke mit japanischen Helden aufgeführt. Nach Mitte des 19. Jahrhunderts setzten zwischen Bayern und Japan intensive Kontakte in Politik, Wissenschaft, Kunst und in der Wirtschaft ein. Wie sich diese Kontakte bis um 1900 entwickelten, auch wie Japaner damals München sahen und München Japan und Japaner erlebte, das ist Inhalt dieser neuen 9-teiligen Blogreihe der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und Autorin Ingvild Richardsen.
*
Einige Münchner hatten Japan zum ersten Mal auf der Weltausstellung 1873 in Wien kennengelernt. Japan befand sich damals mitten in einem tiefgreifenden Wandel – die Atmosphäre der Edo-Zeit war zwar noch spürbar, aber das Land war bereits fest in der Meiji-Zeit angekommen. Für viele Europäer war das Bild von Japan jedoch weiterhin stark von der exotischen Edo-Kultur geprägt.
Die erste Japan-Ausstellung in Deutschland fand dann 1885 in Berlin und München statt. In München im berühmten früheren Glaspalast. In den Münchner Neuesten Nachrichten konnte man lesen: „Die Japaner, welche den kgl. Glaspalast in München bevölkern werden [...] nehmen körperlich und geistig einen hohen Rang ein.“
Links: Zeitungsausschnitt aus den Münchner Neuesten Nachrichten. Rechts: Münchner Glaspalast
Zahlreiche Plakate und Anzeigen in München informierten über die Ausstellung und die wunderbaren Dinge, die zu sehen waren, darunter eine kleine japanische Stadt mit mehreren Straßen und Häusern, Gewerbetrieben und einen Tempel. Es gab die Kyoto-, die Yokohama- und Nagasaki-Straße. Werkstatt reihte sich an Werkstatt. Alle Künste waren vertreten, für die das fernöstliche Reich inzwischen berühmt geworden war, darunter Seidensticker, Elfenbeinschnitzer und Porzellanmaler.
Der Eingang zur Ausstellung war mit Seidenstoffen des jüdischen Kaufhauses Bernheimer dekoriert. Mehr als 600 Objekte konnte man bewundern, von Rollbildern über Schnitzereien, Bronzen sowie Lackwaren.
Links: Anzeige des Kaufhauses Bernheimer. Rechts: Der Stickkünstler von Adolf Menzel. Aufenthalt der Japaner in Berlin und München
Japonismus in Münchner Theatern seit 1886: Der Mikado
Dass sich München seit 1885 im Japanfieber befand, war auch dem Theater zu verdanken, speziell dem Gärtnerplatztheater, wo der japanische Kaiser einen triumphalen Auftritt erlebte. Am 15.Oktober 1886 wurde hier durch die englische Theatertruppe von D'Oyly Carte auf Englisch die Erfolgsoperette Der Mikado mit hinreißender Musik und üppigster japanischer Kostümausstattung aufgeführt, eine europäische Phantasie von Japan. Komponiert war sie von Arthur Sullivan, die Musik stammte von William Gilbert, uraufgeführt wurde die Operette 1885 in London. Danach tourte sie durch ganz Europa. Tatsächlich war der japanische Kaiser in Europa seit 1886 nur als „Mikado“ bekannt. 1886 wurde die Operette im Münchner Gärtnerplatztheater dargeboten.
Die ganze Mode war im Zuge des Japanfiebers fortan eingestellt auf japanische Stoffe, Geräte und Blüten. Etwa 100 Geschäfte versorgten die Münchner Gesellschaft fortan mit allem, was dem weiteren Anfeuern der Japanbegeisterung diente.
Am 31. Januar 1889 wurde Der Mikado nochmals im Gärtnerplatztheater aufgeführt. Franz von Lenbach (1836-1904) porträtierte den beliebten Münchner Schauspieler Konrad Dreher (1859-1944) in seinem Kostüm als „Mikado“. Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) wiederum malte ein Szenenbild aus der Operette in Fächerform.
Links: Konrad Dreher als Scharfrichter „Ko-Ko“ in der Operette Der Mikado, Gemälde Franz von Lenbach, ca. 1889. Rechts: Mikado-Fächerbild von Friedrich August von Kaulbach
Tatsächlich gab es seit 1891 auch ein Münchner Café namens Mikado im japanischen Stil, eine „Sehenswürdigkeit I. Ranges“ an der „Tramwayhaltestelle“, Reichenbachstraße, „in japanischem Style“ reich ausgestattet, zu vorzüglichem „Kaffee, Chocolade und Cacao“, Weinen und Bieren.
Wer es sich leisten konnte, ließ die Operette in seinem eigenen Haus aufführen. Dies geschah z.B. bei Franz August von Kaulbach und am 28./29. sowie 31. Januar 1887 im Haus des Verlegers Georg Hirth (1841-1961) mit 30 Personen und eigens dafür gekauften japanischen Kostümen. Hirth selbst übernahm die Rolle des Kaisers.
Links: Alte Postkarte, Café Mikado in München. Rechts: Fotografie aus dem Atelier Elvira
Tipp: Virtuelle Ausstellung Farben Japans – Holzschnitte aus der Sammlung der Bayerischen Staatsbibliothek.