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08.02.2024, 13:30 Uhr
Thomas Lang
Gespräche

Interview mit der Historikerin Karin Dengler-Schreiber

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(c) Karin Dengler-Schreiber

Im Anschluss an die Veranstaltung Jüdisches Bamberg – Stimmen aus den Jahrhunderten, über die das Literaturportal berichtete, führte die Redaktion Gespräche mit den Beteiligten dieser Lesung. Karin Dengler-Schreiber spricht mit dem Literaturprotal Bayern über Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens ins Bamberg. Die langjährige Heimatpflegerin der Stadt hat in Würzburg und Wien Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Sie promovierte zu dem Thema „Skriptorium und Bibliothek des Klosters Michelsberg im 11. und 12. Jahrhundert“. Neben zahlreichen Fachpublikationen und Sachbüchern hat sie unter dem Pseudonym Anna Degen bisher zwei Kriminalromane veröffentlicht.

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LITERATURPORTAL: Frau Dengler-Schreiber, Sie waren lange Zeit Heimatpflegerin für Bamberg. Was bedeutet das?

KARIN DENGLER-SCHREIBER: Heimatpflege ist so schwer zu definieren wie Heimat. Was ist Heimat? Es gibt natürlich bestimmte Schwerpunkte. Heimatpfleger kümmern sich um Volkstheater, um Brauchtum, um Mundart .. Im Denkmalschutzgesetz ist festgelegt, dass die Heimatpfleger in der Denkmalpflege mitarbeiten. Das war mein Schwerpunkt.

LPB: Die Veranstaltung am 23. Januar 2024 hat Einblicke in tausend Jahre jüdisches Leben in Bamberg gegeben. Wenn Sie diese tausend Jahre ganz summarisch überblicken: Wie beurteilen Sie dieses Zusammenleben in der Stadt?

DENGLER-SCHREIBER: Eines ist mir da sehr wichtig: Beim Reden über jüdische Geschichte rücken fast immer die Pogrome und die Verfolgung in den Vordergrund. Es gab aber überwiegend ein gedeihliches Nebeneinander, manchmal auch Miteinander von Christen und Juden. Juden waren sehr viel im Bankgeschäft tätig, und wenn das nicht funktioniert hätte über lange Zeit, hätten sie kein Geld verdienen können, das sie dann verleihen konnten. Es gab immer wieder schreckliche Zeiten, es gab immer wieder Einschränkungen, es gab immer wieder Versuche, den Juden das Leben schwer zu machen. Aber es gab eben auch viele normale Zeiten. In einer Dissertation über die Juden im Hochstift Bamberg wurden Hunderte von Urkunden, Gerichtsprozessen, Kaufverträgen ausgewertet, die zeigen, dass es ein ständiges Miteinander gewesen ist. Wir sind so sehr geprägt von der Wahrnehmung des Nationalsozialismus und der schrecklichen Verbrechen, die da geschehen sind. Ich will auch die anderen Verbrechen, die im an Juden begangen wurden, nicht klein reden. Aber dazwischen gab es immer Jahrzehnte, zum Teil noch länger ein gutes Miteinander. Das ist mir wichtig: das Judentum gehört zur deutschen Geschichte.

LPB: Wie erleben Sie das heute? Es gibt ja auch heute jüdische Gemeinden in Bamberg, und durch den Krieg im Gazastreifen entsteht aktuell eine besondere Situation. Hat diese das Zusammenleben hier verändert?

DENGLER-SCHREIBER: Ich kann nicht für die gesamte Stadtgesellschaft sprechen. Die Menschen, die ich erlebe, sind absolut gegen Antisemitismus. Man darf das jüdische Leben hier nicht mit Israel oder der israelischen Politik gleichsetzen. Und ich sehe auch nicht, dass das hier geschähe. Am Samstag, dem 20.2.2024, war der Neujahrsempfang der Stadt. Sowohl der Oberbürgermeister Andreas Starke als auch der Festredner, Professor Fischbach, Präsident der Universität Bamberg, haben sich eindeutig gegen rechts positioniert. Und da brandete jeweils der stärkste Beifall auf. Es waren über tausend Menschen da, und es war völlig klar, die sind alle gegen rechts. An demselben Tag gab es in Bamberg auch die Demonstration „Demokratie verteidigen“ mit unglaublich vielen Menschen. Das finde ich sehr ermutigend.

(c) Literaturportal Bayern. Von links: Tanja Kinkel und Karin Dengler-Schreiber

LPB: Sie haben sich in vielen Ihrer Sachbücher mit Franken und mit Bamberg beschäftigt. Gibt es eine Verbindung zwischen Ihrer Literatur und Ihrer sonstigen Arbeit?

DENGLER-SCHREIBER: In meinen Romanen, auch in dem neuen zum Königsmord von 1208, der im Juni erscheint, spielt Bamberg eine große Rolle. Die Geschichte der Stadt ist nun einmal mein Spezialgebiet. Dabei ist das jüdische Leben nicht auszuschließen. Ich habe eine größere Arbeit gemacht über das jüdische Quartier in der Hellerstraße, also hinter der Langen Straße. Dort wollte man mal ein großes Einkaufszentrum etablieren. Dabei wäre dieses Viertel mehr oder weniger überbaut worden. Damals habe ich deutlich gemacht, dass da im Spätmittelalter ein jüdisches Quartier war. Ich habe versucht, die Synagoge anhand der Archivalien zu lokalisieren. Mit Hilfe meines Gutachtens wurde tatsächlich eine Mikwe gefunden, die jetzt ein kleines Museum ist.

LPB: Muss Geschichte sichtbar bleiben in dieser Stadt?

DENGLER-SCHREIBER: Unbedingt! In einer Stadt wie Bamberg steht sie ja überall rum. Warum ist das wichtig? Ganz viele junge Leute z. B., die sich heute rechts positionieren, scheinen die Geschichte des Nationalsozialismus nicht zu kennen. Wie kann man diese Fehler einfach wiederholen bzw. neu machen? Das ist mir unbegreiflich. Ohne Kenntnis der Geschichte ist meiner Meinung nach kein zivilisiertes Leben möglich. Sie muss sichtbar bleiben. Man braucht auch Symbole. Man braucht irgendwelche Punkte, an denen man Historie festmachen kann.

LPB: In Bamberg gibt es ja – anders als in München – auch Stolpersteine ...

DENGLER-SCHREIBER: Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass ich dabei mitgeholfen habe. Ich war damals Präsidentin des Soroptimist Clubs Bamberg-Kunigunde, und habe als Projekt die Verlegung von drei der vier ersten Stolpersteine mit initiiert für drei ermordete Bamberger Frauen.

LPB: Was wünschen Sie sich in der heutigen Situation für die Bamberger Stadtgesellschaft, aber natürlich auch im großen Bild, was brauchen wir für ein gutes Miteinander?

DENGLER-SCHREIBER: Ich wünsche mir, dass Bamberg so vielfältig und bunt bleibt, wie es bisher ist. Wir haben glücklicherweise die Universität, wir haben auch ganz viele aufmerksame Vereine. die sich für die Stadt engagieren, ganz viele Bürger, die sich einbringen. Ich wünsche mir, dass das erhalten bleibt.

LPB: Vielen Dank für das Gespräch!