Info
Geb.: 28. 5.1881 in Salzburg
Gest.: 3. 3.1960 in Salzburg
Ulf Seidl: Wachau, Ruine Aggstein (Postkarte aus dem Mappenwerk Wachauer Bilder) © Privatbesitz
Wirkungsorte:
Fraueninsel
Gstadt am Chiemsee

Ulf Seidl

Ulf Seidl wird als Sohn des Bürgerschuldirektors Franz Seidl in Salzburg geboren. Nach dem Besuch der Mittelschule studiert er an den Kunstakademien in Karlsruhe und München. Im Laufe seines Lebens betätigt sich Seidl als Maler, Grafiker, Schriftsteller und Verleger.

Im Ersten Weltkrieg wird er eingezogen. An der Ostfront erleidet er eine schwere Verwundung und gerät in russische Kriegsgefangenschaft. Aus dieser Zeit sind Tagebuchskizzen überliefert: „Aus dem sibirischen Tagebuch eines österreichischen Künstlers“, veröffentlicht in Der Ruf der Heimat, Jg. 1935. Bekanntheit verschaffen dem Grafiker jedoch vor allem seine Landschafts- und Städtebilder von der Wachau und von Salzburg, die im Buchhandel und als Postkarten vertrieben werden. Seidl verfügt darüber hinaus über ein Patent zur Reproduktion von alten Gemälden, „welche berufen sind, hervorragenden Wandschmuck in des Bürgers Heim zu bringen, getreu bis auf die Risse im Firnis [...]“ (Photographische Nachrichten, Nr. 36).

Nachdem Ulf Seidl im Krieg das rechte Bein verloren hat, ist er beim Arbeiten an der Staffelei stark beeinträchtigt. So wendet er sich zunehmend von der Malerei ab und verlegt sich auf die Schriftstellerei. Er veröffentlicht zunächst volkskundliche und kulturgeschichtliche Studien. 1935 erscheinen „nach altem Sagengut [...] erzählt und bebildert“ die Ostmarkmärchen.

Die „Ostmark“ ist der offizielle Name Österreichs zwischen 1939 und 1942 nach dem sog. „Anschluss“ an das Deutsche Reich. Ulf Seidl steht nationalsozialistischen Führungskreisen durchaus nahe. So beauftragt man ihn nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Alpenraum wehrgeografisch und -politisch zu erfassen. Das gesamte Alpengebiet soll den deutschen Soldaten zur Kenntnis gebracht werden. Auch an der Salzburger Ausstellung „Berge, Burgen und Basteien“, die aus der Fülle des für das Buchprojekt gesammelten Bildmaterials schöpft, ist er maßgeblich beteiligt. Die Ausstellung wird am 2. April 1942 vom Leiter des Reichspropagandaamtes Salzburg, Dr. Heinz Wolff, im Carabinierisaal der fürsterzbischöflichen Residenz in Salzburg eröffnet. Als dieser noch Studentenschaftsführer war, gehörte er zu den Hauptakteuren der Bücherverbrennung in Göttingen. Kurz nach Ausstellungseröffnung erscheint der erste und einzige Band der geplanten Buchreihe. Ulf Seidl schreibt die historische Einleitung. Trotz seines tendenziösen wehrpolitischen Gehalts überrascht dieser Band mit eindrucksvollen Schwarzweiß-Fotografien von der Wintereinsamkeit der Hochalpen.

Ulf Seidl hatte noch vor dem Ersten Weltkrieg längere Zeit in Wien gelebt und sich dann 1930 in den kleinen Ort Söllheim zurückgezogen. In den 1930er-Jahren entsteht neben den Ostmarkmärchen weitere auf Sagenstoffen basierende Erzählliteratur, so Das Donauweibchen und andere Erzählungen und Rüdeger von Bechelaren, der Heros der österreichischen Stammessage, und das Nibelungenlied. Der ebenfalls in dieser Zeit verfasste historische Roman Ursula Weichenbergerin und ihr Fahrensmann wird wie Seidls Grafiken und Erzählungen von der zeitgenössischen Presse in höchsten Tönen gelobt. Zentren der Handlung sind Salzburg und Hallwang. Der Roman spielt um die Wende zum 18. Jahrhundert. Er schildert den Levantehandel und die salzburgische Salzschifffahrt. Hauptprotagonisten sind die brave Ursula und der sich bäuerlichen Verhältnissen entwindende Schiffsbauer, Offizier und Indienfahrer Adam Ragginger. In nationalsozialistischer Diktion rühmt das Salzburger Volksblatt den Roman als „Lebensbild unserer Vorfahren, wie sie auszogen als echte deutsche Männer, vor Wien die Heimat gegen den Erbfeind, die Türken zu schützen“ (13. Juli 1939).

Der 1951 erschienene historische Roman Bischof Pilgrim und die Torerin basiert auf Quellen aus dem Salzburger und Chiemgauer Raum. Hierfür hat sich Seidl vor allem mit der Historie des Benediktinerinnenklosters Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee befasst. Es steht unter dem politischen Einflussbereich des Fürsterzbischofs Pilgrim von Puchheim (um 1330-1396), in dessen Ära das Land Salzburg seine größte Ausdehnung hatte.

 

Ulf Seidl: Mirabellgarten zu Salzburg (Postkarte) © Privatbesitz

Den Nukleus des Handlungsgeflechts bildet eine literarhistorische Vermutung: ein Liebeslied von 1392 an das „allerliebste schönste Weib in Freudensal“, dessen Autorenschaft Pilgrim selbst zugedacht wird. Das unter seinem heutigen Namen bekannte Schloss Freisaal diente Fürsterzbischof Pilgrim und seinen Nachfolgern als Landsitz. In einer fiktiven Szene am Schlossteich schildert der Erzähler die Begegnung Pilgrims mit der jungen Frau, deren Erscheinungsbild einem symbolistischen Gemälde entsprungen sein könnte: „Sie war barfuß, ihr Haar mit Teichrosen bekränzt und noch naß vom nächtlichen Bad – eine Wasserjungfer mit großen, grünen, erstaunten Augen. Empört hatte sie sich freizumachen gesucht und zwei, drei Minuten lang mit aller Kraft gekämpft – und dann war sie, die Arme um seinen Nacken, bebend in die Knie gebrochen [...].“ Jene Dame aus Freudensal ist Elisabeth die Torerin, die im Fortgang der Romanhandlung zur Äbtissin von Frauenwörth wird. Pilgrim interessiert sich des Weiteren für ein einfaches Mädchen aus dem Volk namens Guta. Es kommt zu einer Schwangerschaft und anschließend zu einer geschickt eingefädelten Verehelichung mit dem Erben des Einödhofes in Eisching. Angemerkt sei zu Eisching (heute Aisching, Ortsteil des Uferortes Gstadt), dass viele kulturell bedeutsame Persönlichkeiten vor und zu Lebzeiten des Autors dort gewirkt haben – so die Schriftsteller Felix Dahn und Gerhard Bahlsen sowie mehrere Chiemseemaler.

In dem für ihn typischen Chronistenstil, gepaart mit volkskundlichem Wissen, setzt Ulf Seidl das spätmittelalterliche Kloster- und Inselleben in Szene. Der heute noch namentlich existente „Pollfischer“ auf der Fraueninsel wird beschrieben als „ein Insulaner, der ein Gutteil seines Lebens bei der Fischweid auf dem See zugebracht und nun das Fischereiwesen des Klosters unter sich hatte, den Heurenner, eine 14 Klafter lange Plätte aus Eichenholz und die kleineren Einbäume und Zillen samt Zubehör“. Schwer trifft das Kloster Frauenwörth ein „Sturm von der Kampenwand“. Er zwingt die Äbtissin, den Turm neu erbauen zu lassen. Sie beauftragt einen holländischen Baumeister, der sich als geldgierig, trunk- und raufsüchtig entpuppt. Der auch in den Quellen wegen seiner Dreistigkeiten geschmähte Seitz erhängt sich schließlich am „Ganszipfel“ des Chiemseeufers. Der Roman endet mit der Heirat von Pilgrims illegitimer Tochter und der gelungenen Vollendung des Klosterturms.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Birgit Ziegler-Stryczek

Sekundärliteratur:

Geiss, Ernest (1850): Geschichte des Benedictiner-Nonnenklosters Frauen-Chiemsee. Hübschmann, München.

Quellen:

Ulf Seidl: Ostmarkmärchen. Nach altem Sagengut erzählt und mit Bildern geschmückt. Ausgewählt und eingeleitet von Rudolf Fiedler. Jung-Österreich, Innsbruck 1935.

– : Das Donauweibchen und andere Erzählungen. Nach altem Sagengut erzählt und mit Bildern geschmückt. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1936.

– : Rüdeger von Bechelaren, der Heros der österreichischen Stammessage, und das Nibelungenlied. Worte und Bilder von Ulf Seidl. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1936.

– : Ursula Weichenbergerin und ihr Fahrensmann. Ein Roman aus dem Salzburgischen nach alten Urkunden. Das Bergland-Buch, Salzburg 1939.

– : Wehrraum Alpenland. Das Gelände des deutschen Alpenraumes und die Geschichte seiner Kriege und Fehden. Gauverlag, Innsbruck 1943.

– : Die tausendtürmige Weltburg. Geschichten und Gestalten aus dem Kampf um den Kaukasus. Das Bergland-Buch, Salzburg 1943.

– : Bischof Pilgrim und die Torerin. Historischer Roman. Mit 32 Zeichnungen von Ulf Seidl. Bergland-Buch, Salzburg 1951.


Externe Links:

Literatur von Ulf Seidl im BVB