Info
Geburtsjahr: 1921
Gest.: 1. 1.2001 in Oberstdorf
Foto: Reiner Metzger © Reiner Metzger
Wirkungsorte:
Oberstdorf

Inge Weissensteiner

Inge Weissensteiner, 1921 geboren, verbringt ihre ersten Lebensjahre in Tiefenbach bei Oberstdorf, wo ihr Vater die Poststallung, den Karriolpostverkehr Oberstdorf-Tiefenbach und die Paketzustellung betreibt. Nach seinem frühen Tod 1929 zieht die Mutter mit der 8-jährigen Tochter Inge in das Haus Weststraße 11 in Oberstdorf um. In diesem Haus lebt Inge Weissensteiner auch nach ihrer Familiengründung und betreibt eine Gaststätte mit ihrem aus Südtirol stammenden Mann Gerhard.

Inge Weissensteiner schreibt ein Leben lang Gedichte und Kurzgeschichten in der für Oberstdorf typischen niederalemannischen Mundart. Ein wichtiges Motiv für sie ist der Erhalt und die Weitergabe der Oberstdorfer Mundart ohne Einfärbungen durch das Standarddeutsche. Lange bleibt die Rezeption ihrer Literatur auf private oder lokale Festlichkeiten beschränkt. 1982 stellt den Wendepunkt dar; Inge Weissensteiners Kurzgeschichte Oalt Obrschdoarf wird in der ersten Ausgabe der Schriftenreihe „Unser Oberstdorf“ des Verschönerungsvereins Oberstdorf veröffentlicht. Auf ihren ausdrück­lichen Wunsch hin wird sie als Autorin nicht namentlich genannt, angegeben wird lediglich „vu ar Oberschdoarfare“. Ihre Erzählung über das Oberstdorfer Alltagsleben der 1920er- und 1930er-Jahre stößt auf große positive Resonanz, was Inge Weissensteiner zu weiteren Veröffentlichungen ermutigt.

1983 und 1986 erscheinen ihre beiden Bände Isa Huimat und Dur's Ruckarle im Kemptener Verlag für Heimatpflege. Vier weitere Bände im Eigenverlag folgen: Wenn es wiehnächted (1987), Mill und Brocke (1989), Hindanoche (1993) und Schprockla (1997). Sämtliche Publikationen werden durch Zeichnungen des Oberstdorfer Malers Otto Sieber illustriert. Aus ihrer Lyrik und Prosa spricht eine tiefe Verbundenheit zur Mundart, zu Natur und den Menschen mit ihren Freuden, Nöten und Schwächen und zu ihrer Heimat, ohne in Heimattümelei zu verfallen. In ihrem Gedicht „Klei und Groass“ aus dem Band Mill und Brocke geht es ums Wachsen und Werden im Leben:

Was klei ischt
des wird groass
a Ressle wird a Ros
a Kätzle wird a Katz
a Rätzle wird a Ratz
a Bieble wird a Ma
a Bächle wird a Ba
a Meidle wird a Wib
wachse ka öu d‘ Lieb
a Bemmle wird a Boamm
Kind krised voarem goang
Schiehle hoabba Kleina
Gwachsena an Schueh
a Fünke wird a Fuir
loat ba de Luft drzue
a Henn ischt zerscht
a Hiehle gwea
an Has hoabba
as Häsle gseah
a Kälble
wird amoal a Kueh
Schwälble wachsed hea
Schwalbe raised schu

Mit ihrer Literatur inspiriert sie Andere, ebenfalls schriftstellerisch tätig zu werden. Einer davon ist der Oberstdorfer Martin Hehl (†2012), mit dem sie – gemeinsam mit Blanka Zettler (Hinterstein) und Hans Seeweg (Oberstdorf) – auch bei Lesungen auftritt. Mit ihrer Teilnahme an Benefizver­anstal­tungen unterstützt sie soziale Projekte.

Inge Weissensteiner wird am 8. August 1990 mit der Gertrud-von-le-Fort-Medaille der Marktgemeinde Oberstdorf ausgezeichnet für ihre Verdienste um die schriftstellerische Darstellung des Oberstdorfer Dialekts, um seine Erhaltung und Weitergabe. Obwohl eine langjährige Krankheit ihren Radius immer weiter einengt, schreibt sie unermüdlich weiter. Die Veröffentlichung des Wörterbuchs der Oberstdorfer Mundart 2003 erlebt sie allerdings nicht mehr.

Am 1. Januar 2001 stirbt Oberstdorfs wohl bedeutendste Mundartdichterin und Erzählerin. Ihre Bücher können über ihren Sohn Jörg Weissensteiner bezogen werden.

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.

Sekundärliteratur:

Stempfle, Gustl (2021): Erinnerung an Inge Weissensteiner – zum 100sten Geburtstag und 20sten Todestag. In: Unser Oberstdorf. Blätter zur Oberstdorfer Heimatkunde, H. 78, Juli.


Externe Links:

Gedanken einer Oberstdorferin zum Bildband Alt-Oberstdorf

Abschied von Inge Weissensteiner

Otto Sieber (1919-1990) – ein stilles Talent