Manfred Gregor
Gregor Dorfmeister alias Manfred Gregor wird zwar auf der Schwäbischen Alb geboren, wächst jedoch in Bad Tölz auf, wo er die Oberrealschule besucht. An seinem 16. Geburtstag erhält er die Einberufung und wird in der örtlichen, 1934 gegründeten ersten SS-Junkerschule militärisch gedrillt. Bei der Sicherung einer 20 km von Bad Tölz entfernten Brücke im Wald am 30. April 1945, bei der mindestens zwanzig der achtzig „Volkssturm“-Kinder sterben, entscheidet sich Gregor Dorfmeister fürs Überleben und türmt nach Hause. Das Ereignis ist für ihn derart prägend, dass er zum Pazifisten wird und Arzt werden will.
1946 macht er Abitur und arbeitet zunächst in der holzverarbeitenden Industrie. Ab 1948 studiert er Theaterwissenschaft, Zeitungswissenschaft und Philosophie an der Universität München. Während dieser Zeit absolviert er auch ein Volontariat bei einer Münchner Tageszeitung. Ab 1954 wird er Außenredakteur des Münchner Merkurs in Tegernsee, ab 1957 in Miesbach und ab 1960 in Bad Tölz, wo er die Lokalzeitung Tölzer Kurier leitet. In dieser Zeit lernt ihn der Tölzer Schüler und spätere Kriminalschriftsteller Raimund A. Mader kennen. Auch Friedrich Ani macht sein Abitur an der dortigen Oberrealschule.
Die Nacht vom 1. Mai 1945 hat Gregor Dorfmeister nie mehr losgelassen. Er sucht eine Form, das als Jugendlicher in den letzten Kriegstagen Erlebte zu verarbeiten. Da ihm eine einfache Zeitungsreportage zu wenig ist, wählt er die Form des Romans. Es entsteht das Werk Die Brücke (1958, Neuaufl. 2007) unter dem Pseudonym „Manfred Gregor“, womit er den Wettbewerb des Münchner Desch-Verlages gewinnt. Das Buch wird ein voller Erfolg, in 24 Sprachen übersetzt, auch und besonders durch die visuelle Vermittlung des gleichnamigen Films von Bernhard Wicki (1959, gedreht im oberpfälzischen Cham). Die Brücke ist einer jener deutschen Spielfilme, die nach 1945 mit den meisten Preisen ausgezeichnet werden. Der Autor „Manfred Gregor“ bleibt in der Filmversion jedoch ungenannt.
Die historische (Film-)Brücke im oberpfälzischen Cham (1959). Quelle: Stadtarchiv Cham
Sein zweiter Roman Das Urteil (1960, Neuaufl. 1963) handelt von einem Vergewaltigungsprozess gegen einen US-Soldaten der US-Besatzungstruppen in einer süddeutschen Kleinstadt. Er schildert die Sensationslust der Prozesszuschauer und der Stadtbevölkerung und den Versuch des US-Militärgerichts, die drohende Todesstrafe abzuwenden: erbarmungslose Doppelmoral und Verfolgermentalität in einer deutschen Kleinstadt. Auch dieser Roman endet tragisch. Das Urteil wird ebenfalls sehr erfolgreich – von Gottfried Reinhardt als Stadt ohne Mitleid (1961, engl. „Town without Pity“) mit Kirk Douglas und Christine Kaufmann verfilmt. Die Außenaufnahmen entstehen in Forchheim und Bamberg, die Filmmusik stammt von Dimitri Tiomkin („High Noon“).
In seinem dritten Roman Die Straße (1961) schildert Gregor wiederum eine Gruppe von Jugendlichen, deren innere Leere und Ziellosigkeit sie in die Kriminalität abgleiten lässt. Am 3. Juni 1981 erhält er für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Der Schriftsteller und Journalist lebt mit seiner Frau Franziska, geb. Staab, in Bad Tölz, wo er am 4. Februar 2018 stirbt. Er war langjähriger Vorsitzender des Lebenshilfe-Kreisverbandes und Vorstandsmitglied im Tölzer Knabenchor.
Sekundärliteratur:
Gregor, Manfred. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de.munzinger.emedia1.bsb-muenchen.de/document/00000009654, (28.07.2015).
Heimbucher, Oswald (1985): Der zweite Weltkrieg im Spiegel der deutschen Gegenwartsliteratur (Schriftenreihe des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg, 1). Amberg.
Houschka, Wolfgang (2015): Die Brücke als Mahnung zum Frieden. Bernhard Wickis bedeutender Antikriegsfilm entstand 1959 in Cham. In: Vogelsang, German (Hg.): Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz 1945. Amberg, S. 156f.
Ders. (2020): Eine Brücke im Wald. Der legendäre Film Die Brücke von Bernhard Wicki wurde in der Oberpfalz gedreht. Das Bauwerk stand aber in Oberbayern. In: Der neue Tag (Weiden i.d. OPf.), 6. Mai.
Krusche, Dieter (1985): Filmführer (Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg). Frankfurt am Main, S. 101.
Reithmaier, Sabine (2018): Zum Tod von Gregor Dorfmeister. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Februar, S. 40.
Vollmer, Bernd (2011): „Die Brücke“ von Cham: berühmt und doch verloren. In: Brücken in Bayern. Geschichte, Technik, Denkmalpflege. Themenheft des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege.
Zinkler, Diana (2005): „Wir waren doch noch Kinder“. Die letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs: Ein paar Jungen sollen eine Brücke verteidigen. Nur einer überlebt – und schreibt darüber den Roman Die Brücke. Wir besuchten Manfred Gregor Dorfmeister in Bad Tölz. In: Hamburger Abendblatt, 7. Mai.
Externe Links:
Literatur von Manfred Gregor im BVB
Mit Hölderlin für falsche Ideale
Manfred Gregor's Die Brücke: an exercise in literary translation
Gregor Dorfmeister alias Manfred Gregor wird zwar auf der Schwäbischen Alb geboren, wächst jedoch in Bad Tölz auf, wo er die Oberrealschule besucht. An seinem 16. Geburtstag erhält er die Einberufung und wird in der örtlichen, 1934 gegründeten ersten SS-Junkerschule militärisch gedrillt. Bei der Sicherung einer 20 km von Bad Tölz entfernten Brücke im Wald am 30. April 1945, bei der mindestens zwanzig der achtzig „Volkssturm“-Kinder sterben, entscheidet sich Gregor Dorfmeister fürs Überleben und türmt nach Hause. Das Ereignis ist für ihn derart prägend, dass er zum Pazifisten wird und Arzt werden will.
1946 macht er Abitur und arbeitet zunächst in der holzverarbeitenden Industrie. Ab 1948 studiert er Theaterwissenschaft, Zeitungswissenschaft und Philosophie an der Universität München. Während dieser Zeit absolviert er auch ein Volontariat bei einer Münchner Tageszeitung. Ab 1954 wird er Außenredakteur des Münchner Merkurs in Tegernsee, ab 1957 in Miesbach und ab 1960 in Bad Tölz, wo er die Lokalzeitung Tölzer Kurier leitet. In dieser Zeit lernt ihn der Tölzer Schüler und spätere Kriminalschriftsteller Raimund A. Mader kennen. Auch Friedrich Ani macht sein Abitur an der dortigen Oberrealschule.
Die Nacht vom 1. Mai 1945 hat Gregor Dorfmeister nie mehr losgelassen. Er sucht eine Form, das als Jugendlicher in den letzten Kriegstagen Erlebte zu verarbeiten. Da ihm eine einfache Zeitungsreportage zu wenig ist, wählt er die Form des Romans. Es entsteht das Werk Die Brücke (1958, Neuaufl. 2007) unter dem Pseudonym „Manfred Gregor“, womit er den Wettbewerb des Münchner Desch-Verlages gewinnt. Das Buch wird ein voller Erfolg, in 24 Sprachen übersetzt, auch und besonders durch die visuelle Vermittlung des gleichnamigen Films von Bernhard Wicki (1959, gedreht im oberpfälzischen Cham). Die Brücke ist einer jener deutschen Spielfilme, die nach 1945 mit den meisten Preisen ausgezeichnet werden. Der Autor „Manfred Gregor“ bleibt in der Filmversion jedoch ungenannt.
Die historische (Film-)Brücke im oberpfälzischen Cham (1959). Quelle: Stadtarchiv Cham
Sein zweiter Roman Das Urteil (1960, Neuaufl. 1963) handelt von einem Vergewaltigungsprozess gegen einen US-Soldaten der US-Besatzungstruppen in einer süddeutschen Kleinstadt. Er schildert die Sensationslust der Prozesszuschauer und der Stadtbevölkerung und den Versuch des US-Militärgerichts, die drohende Todesstrafe abzuwenden: erbarmungslose Doppelmoral und Verfolgermentalität in einer deutschen Kleinstadt. Auch dieser Roman endet tragisch. Das Urteil wird ebenfalls sehr erfolgreich – von Gottfried Reinhardt als Stadt ohne Mitleid (1961, engl. „Town without Pity“) mit Kirk Douglas und Christine Kaufmann verfilmt. Die Außenaufnahmen entstehen in Forchheim und Bamberg, die Filmmusik stammt von Dimitri Tiomkin („High Noon“).
In seinem dritten Roman Die Straße (1961) schildert Gregor wiederum eine Gruppe von Jugendlichen, deren innere Leere und Ziellosigkeit sie in die Kriminalität abgleiten lässt. Am 3. Juni 1981 erhält er für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Der Schriftsteller und Journalist lebt mit seiner Frau Franziska, geb. Staab, in Bad Tölz, wo er am 4. Februar 2018 stirbt. Er war langjähriger Vorsitzender des Lebenshilfe-Kreisverbandes und Vorstandsmitglied im Tölzer Knabenchor.
Gregor, Manfred. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de.munzinger.emedia1.bsb-muenchen.de/document/00000009654, (28.07.2015).
Heimbucher, Oswald (1985): Der zweite Weltkrieg im Spiegel der deutschen Gegenwartsliteratur (Schriftenreihe des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg, 1). Amberg.
Houschka, Wolfgang (2015): Die Brücke als Mahnung zum Frieden. Bernhard Wickis bedeutender Antikriegsfilm entstand 1959 in Cham. In: Vogelsang, German (Hg.): Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz 1945. Amberg, S. 156f.
Ders. (2020): Eine Brücke im Wald. Der legendäre Film Die Brücke von Bernhard Wicki wurde in der Oberpfalz gedreht. Das Bauwerk stand aber in Oberbayern. In: Der neue Tag (Weiden i.d. OPf.), 6. Mai.
Krusche, Dieter (1985): Filmführer (Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg). Frankfurt am Main, S. 101.
Reithmaier, Sabine (2018): Zum Tod von Gregor Dorfmeister. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Februar, S. 40.
Vollmer, Bernd (2011): „Die Brücke“ von Cham: berühmt und doch verloren. In: Brücken in Bayern. Geschichte, Technik, Denkmalpflege. Themenheft des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege.
Zinkler, Diana (2005): „Wir waren doch noch Kinder“. Die letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs: Ein paar Jungen sollen eine Brücke verteidigen. Nur einer überlebt – und schreibt darüber den Roman Die Brücke. Wir besuchten Manfred Gregor Dorfmeister in Bad Tölz. In: Hamburger Abendblatt, 7. Mai.
Kommentare
Als mein filmbegeisteter Vater im Juli 1959 erfuhr, dass bei Cham der Regisseur Bernhard Wicki den Anti-Kriegsfilm Die Brücke (nach dem Tatsachen-Roman von Manfred Gregor, 1958) dreht, fuhren er (in grüner Landpolizei-Uniform) und ich „per Anhalter“ dorthin. Auf der Film-Brücke, der realen „Florian-Geyer-Brücke“, die sich über einen Nebenarm des Flusses Regen spannte, trafen wir durch reinen Zufall sogar den prominenten Schauspieler Bernhard Wicki (1919-2000), der hier erstmals Regie führte und später weltberühmt werden sollte (Der längste Tag, 1962; Morituri, 1965). Am 1. April 1976 sollte ich bei einem Theater-Gastspiel in Weiden i.d. OPf. im Rahmen der „Kleinen Bühne“ nochmals mit dem Welt-Regisseur Bernhard Wicki anlässlich eines Interviews für die Tageszeitung Oberpfälzer Nachrichten zusammentreffen. Er spielte damals zusammen mit seiner Frau Agnes Fink in dem berühmten Neil Simon-Schauspiel Dachlawine. Schon im Frühjahr 1959 waren mein Vater und ich unterwegs in das ebenfalls oberpfälzische Hirschau, wo Fritz Umgelter den 6-teiligen TV-Film So weit die Füße tragen nach dem gleichnamigen Tatsachen-Roman (1955) des bayerischen Schriftstellers Josef Martin Bauer (1901-1970) drehte. Als „Uniformträger“ kam mein Vater auch hier gleich mit den Hauptdarstellern Heinz Weiss (= Oberleutnant Clemens Forell) und Wolfgang Büttner ins Gespräch...
Weiß man, wo diese Brücke, die Gregor Dorfmeister alias Manfred Gregor verteidigen musste, liegt?
"In der Wirklichkeit gab es zwei Brücken, eine etwa 20 Kilometer von Bad Tölz entfernt im Wald und die Isar-Brücke in der Tölzer Innenstadt. Die Brücke im Wald hat Dorfmeister nie wiedergesehen." (
http://www.abendblatt.de/vermischtes/journal/article106989488/Wir-waren-doch-noch-Kinder.html)