Info
Geb.: 15. 4.1913 in Rendsburg
Gest.: 21.1.1997 in München
Hans Egon Holthusen (links) im Gespräch, Max Beckmann-Ausstellung, Juni/Juli 1951 (Bayerische Staatsbibliothek München/Timpe)
Titel: Prof. Dr. phil.

Hans Egon Holthusen

Der Sohn eines evangelischen Pfarrers verbringt seine Jugend in Hildesheim. Dort besucht er das Gymnasium Andreanum und studiert zwischen 1931-1937 Germanistik, Philosophie und Geschichte in Tübingen, Berlin und München. Seine Promotion schließt er mit einer Arbeit über Rilkes Sonette an Orpheus ab. Von 1937 bis 1939 arbeitet er als Universitätslektor bzw. Lektor für ausländische Studenten an der Deutschen Akademie in München, nebenbei publiziert er literaturwissenschaftliche Aufsätze und schreibt Lyrik. Im Zweiten Weltkrieg ist Holthusen als Funker in Polen, Frankreich, Russland eingesetzt; er verliert seinen Bruder Walter im Krieg und nimmt an der Freiheitsaktion Bayern (FAB) gegen das NS-Regime teil. Seinen ersten Gedichtband Hier in der Zeit veröffentlicht er 1949, zeitgleich erscheint die Studie Die Welt ohne Transzendenz zu Thomas Manns Doktor Faustus.

Holthusen lebt bis 1961 als freier Schriftsteller in München. Während dieser Zeit unternimmt er zahlreiche Vortragsreisen ins europäische Ausland sowie in die USA. Ab 1959 erhält Holthusen mehrere Gastprofessuren an amerikanischen Universitäten: Northwestern University (1959-1960), University of Pittsburgh (1965), Indiana University (1967). Von 1968 bis 1981 ist er Professor an der Northwestern University in Evanston (Chicago). 1961-64 hat er die Stellung eines Programmdirektors am Goethe-Haus in New York inne.

Für sieben Jahre (1956-63) ist Holthusen als Direktor der Abteilung „Dichtung“ der Akademie der Künste in Berlin tätig, deren Mitglied er bis zum Jahre 1983 ist. Danach tritt er aus, weil sich für ihn die Akademie unter ihrem Präsidenten Günter Grass zum „Instrument der Friedensbewegung“ und der politischen Linken entwickelt hat. Seit 1960 gehört er der Bayerischen Akademie der Schönen Künste an, die er von 1968 bis 1974 leitet. Ab 1981 ist er Fellow am neugegründeten Wissenschaftskolleg in Berlin.

Die Inanspruchnahme der untergründigen geistigen und politischen Kräfte der Epoche, die Auseinandersetzung mit der Alternative Christentum oder Nihilismus, die Ablehnung des Totalitarismus in der Nachfolge Jaspers, die Frage nach der Erneuerung des Literatur- und Poetikbegriffs stehen im Mittelpunkt des geistigen Interesses Hans Egon Holthusens (M. M. Brambilla). Holthusens erste Gedichte beschäftigen sich deshalb mit Kriegserlebnissen (Klage um den Bruder, 1947; Hier in dieser Zeit, 1949) und sind an der Dichtungstheorie Rilkes bzw. T. S. Eliots orientiert. Sein letzter lyrischer Band Labyrinthische Jahre (1952) widmet sich mehr allgemeinen moralisch-sittlichen Lebensfragen. Als Essayist und Kritiker führt er die „Sinnfrage von Kunst und Literatur“ in den Raum (Der unbehauste Mensch, 1951, Opus 19, 1983); gegenüber linksorientierten Autoren wie Brecht, Hans Magnus Enzensberger, Grass und Sartre äußert er sich ideologiefeindlich. Neben der Ästhetik des Expressionismus (Gottfried Benn) wird ihm die sittlich-moralische Funktion von Literatur zum Maßstab.

Die eigenen Übersee-Erfahrungen verarbeitet er in dem umstrittenen Roman Das Schiff (1956), der – in der Tradition von Sebastian Brants Narrenschiff (1494) – das gesamte Zeitalter in Betracht zieht und dessen Figuren zum Spiegelbild der Gesellschaft werden. Darüber hinaus schreibt er ein amerikanisches Tagebuch Indiana Campus (1969) sowie eine Kulturgeschichte Chicagos (Chicago. Metropolis am Michigansee, 1981). Obwohl er Amerika eng verbunden bleibt, gerät Holthusen wegen seiner freiwilligen SS-Mitgliedschaft in den Jahren 1933 bis 1937 von dort in die Kritik. Diese führt in Deutschland dazu, dass seine politische Vergangenheit öffentlich diskutiert wird: Bei der Vergabe des Fontane-Preises, in dessen Jury auch Holthusen sitzt, lehnt die designierte Preisträgerin Mascha Kaléko die Entgegennahme der Auszeichnung ab. In der Zeitschrift Merkur veröffentlicht Holthusen zudem einen Essay Freiwillig zur SS (1966), auf den der Shoah-Überlebende und Schriftsteller Jean Améry mit einem offenen Brief antwortet.

Nach 1967 kristallisieren sich zwei Arbeitsschwerpunkte Holthusens heraus: einmal die Verpflichtung des Literaturkritikers, das alte Literaturgut gegenüber „Erscheinungsformen einer sogenannten Kulturrevolution“ zu bewahren und zu pflegen; dann die rigorose Stellung gegen alle „parteigängerischen Standpunkte“ in der Literatur, vor allem der linken „literarischen Opposition“ (Kreiselkompaß, 1976; Sartre in Stammheim, 1982). Beachtung finden ferner seine Mörike-Biographie von 1971 sowie die Schrift Ein deutsches Thema. Nazizeit und Nazischuld als literarischer Gegenstand (1974).

Für seine Verdienste wird Hans Egon Holthusen mit dem Literaturpreis der deutschen Wirtschaft (1953), dem Kulturpreis der Stadt Kiel (1956), dem Bayerischen Verdienstorden (1973), dem Jean-Paul-Preis (83), dem Bayerischen Maximiliansorden und Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein (beide 1984) sowie mit dem Großen Bundesverdienstkreuz (1987) ausgezeichnet.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Brambilla, Marina Marzia (2006): Hans Egon Holthusen. Eine Darstellung seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Shaker Verlag, Aachen.

Holthusen, Hans Egon. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000002689, (20.11.2011).

Kraft, Thomas (Hg.) (2003): Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945. Bd. 1. Nymphenburger Verlag, München.


Externe Links:

Literatur von Hans Egon Holthusen im BVB

Literatur über Hans Egon Holthusen im BVB

Datenbank Holthusen

Artikel bei Spiegel Online

Schlagwort Hans Egon Holthusen in Zeit Online