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22.12.2025, 10:48 Uhr
Redaktion
Zukunft öffnen!

Berufsschülerinnen und Schüler des Bayernkolleg Augsburg texten Zukunft (II)

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Wo der Weg wohl hinführt ... © Carmen Achter

ZUR REIHE: „Zukunft öffnen!“ widmet sich den Ideenwelten der jungen Generationen. Sie können hier ihre Gedanken, Meinungen und Visionen über die Zukunft in vielfältiger Form zum Ausdruck zu bringen; in Gedichten, Essays, Erzählungen, Comics und Berichten. So entsteht eine kreative Plattform, die „nach vorne schaut“.

Für den folgenden Beitrag hat sich die Lyrikerin Carmen Achter gemeinsam mit den jungen Erwachsenen des  Bayernkolleg Augsburg dem kreativen Schreiben gewidmet. In der Gruppe haben die Teilnehmenden drei Doppelstunden lang intensiv an der literarischen Gestaltung ihres eigenen Blicks auf die Welt gearbeitet. Herausgekommen sind berührende Texte, die hier zu lesen sind.   

*

Die Lyrikerin Carmen Achter über ihre Erfahrungen mit Zukunft öffnen:

Das Bayernkolleg Augsburg befindet sich in einem der schönsten Gebäude Augsburgs, der mittlerweile denkmalgeschützten früheren Pädagogischen Hochschule. Das Ensemble bot in den 1950ern alles auf, was Kunst und Architektur konnten, um Wertschätzung für die Pädagogik auszudrücken. Hier absolvieren heute junge Erwachsene auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur, und hier fand unser Schreibworkshop statt.

Da ein Großteil der jungen Erwachsenen aus einer anderen Erstsprache als dem Deutschen kam (manche sind noch nicht lange in Deutschland) und alle unterschiedlich viel Schreiberfahrung mitbrachten, kam im Gespräch der Wunsch auf, die Sprache für den ersten Textentwurf frei wählen zu dürfen. 
Es wurde an zwei Schreibimpulsen gearbeitet. Der erste Impuls hieß „Die Welt zum Sprechen bringen, der Welt zuhören“. Nach literarischen Anregungen von Wislawa Szymborska, Sibylle Berg, Alke Stachler und Pablo Jofré traten die Teilnehmer*innen beim Schreiben aus der eigenen Person heraus, um durch einen frei gewählten Gegenstand oder ein Lebewesen zu sprechen.
Der zweite Impuls mit dem Titel „Nur in deinen Augen so: Wenn du aus dem Fenster schaust - was siehst du?“ hielt die Teilnehmer*innen dazu an, unter Rückgriff auf alle Sinne eine ihnen vertraute Szenerie – einen Blick aus dem Fenster, auf das Display des Smartphones, aus ihrer Erinnerung – zu beschreiben. Die Text-Anregungen hierzu stammten von Thomas Brasch, Slata Roschal und Birgit Merk.

Auf dieser Basis entstanden in sehr konzentrierter Atmosphäre Gedichte, Prosaminiaturen und dialogische Texte auf Ukrainisch, Russisch, Arabisch, Englisch und Deutsch, von denen einige im Original und in der (zum Teil mit KI-Unterstützung erstellten) Übersetzung vorgetragen wurden. Im Anschluss wurden die beiden Fassungen mit Unterstützung der jeweiligen Muttersprachler*innen im Plenum besprochen. Für die Überarbeitung haben wir mit den deutschen und englischen Texten weitergearbeitet. 

Die Teilnehmer*innen haben sich mit beeindruckender Ernsthaftigkeit und Offenheit auf die Schreibimpulse und den Austausch miteinander eingelassen. Besonders berührend war die Auseinandersetzung mit der Frage, was man in einen anderen Sprachraum mitnehmen kann und was man zurücklässt – verbunden mit der Überlegung, was durch das Wechseln in eine andere Sprache Neues hinzukommt. Die Vielfalt der persönlichen und sprachlichen Zugänge spiegelt sich in der Verschiedenartigkeit der entstandenen Texte wieder. Abschließend ging es im freien Gespräch um Fragen wie den Umgang mit Schreibblockaden und die Möglichkeit des Scheiterns beim Schreiben. 
Ein herzliches Dankeschön für all das an die Teilnehmer*innen, und an das Bayernkolleg Augsburg sowie Julia Pasko für die hervorragenden Rahmenbedingungen und die engagierte Unterstützung und Begleitung des Workshops.

Die Texte der Schülerinnen und Schüler des Bayernkolleg Augsburg:

Poetische Impressionen zum 1. Schreibimpuls „Die Welt zum Sprechen bringen, der Welt zuhören“:

I.

Dieser Baum bin ich

Der Baum, der hier schon Jahre stand und noch Jahre stehen wird, dieser Baum bin ich. Meine Krone reicht hoch hinauf und ragt über kleinen und noch kleineren Wesen. Ich lebe auf einem Hügel mit Blick auf meine Verwandten unten im Tal. In weiter Ferne stehen sie in Reih und Glied und flüstern sich durch den Wind ihre Geheimnisse zu, die ich von hier aus nicht entschlüsseln kann. 

So erkläre ich mich zur Beobachterin. Ich sehe, wie die Kleineren an mir Futter suchen, wenn die Sonne die Gräser austrocknet, und sich zurückziehen, wenn das Land frostet und alles friert. Die Kleinen jedoch verschwinden nie. Sie werfen mir ihre Blicke mit hunderten Bedeutungen zu, während sie das Land erkunden, welches ich seit jeher mein Heim nenne. Auch meine Brüder und Schwestern beäugen sie, und hin und wieder ziehen die Kleinen einen der vergangenen Körper der Unseren aus den dichten Reihen. Sind sie krank? Können sie ihnen helfen? Trauer überkommt mich und ich weiß, ich kann nichts für sie tun. 

Die Kleineren werden immer weniger, während die Schar der Kleinen wächst. Der Ausblick auf meine Verwandten wird mehr und mehr von ihren Höhlen verdeckt. Des Nachts geben sie Rauch von sich, sie scheinen jedoch nie zu brennen. Feuer in Harmonie mit dem Leben. 

Ich vermisse es, über das Geflüster meiner Verwandten zu rätseln. Die Kleinen der Kleinen leisten mir jedoch Gesellschaft. Sie klettern an mir hoch, genießen mit mir den Ausblick auf den Himmel und die Sonne oder dösen an mich gelehnt ein, wenn der Tag besonders warm ist. Am Abend ziehen sie sich alle in ihre Höhlen zurück, und das Tal leuchtet fast genauso hell und majestätisch wie der Sternenhimmel über mir. 

Eine Schar großer Kleiner nähert sich mir, umkreist mich und beobachtet mit mir den See an Lichtern unter uns. Sie sehen nicht aus wie meine Kleinen. Diese hier sind schwerer, verschlossener und einer von ihnen glänzt so sehr, dass sich der Mond in seiner Haut widerspiegelt. Der kleine Glänzende beginnt den Abstieg, und der Rest seiner Schar folgt ihm. Sie verteilen sich auf die Höhlen, besuchen ihre Artgenossen. Ich verspüre Neid. Ich verspüre Sehnsucht. Die Höhlen leuchten nun heller, der sonst so kontrollierte Rauch steigt an Orten auf wo er sich nicht zeigen sollte. Kleine wuseln umher, von hier nach dort und hin und her... bis nichts mehr wuselt und die Höhlen in sich zusammenbrechen. Ich kann meine Verwandten wieder sehen, und sie leuchten kräftiger als der Mond, heller als alle Sterne zusammen. Sie leuchten so lange, bis sie von der Sonne abgelöst werden und rauchen so lange bis sie von der nebligen Nacht verschlungen werden. Keine Kleinen, keine Kleineren mehr, niemand wie ich, nur ich. Der Baum, der hier schon Jahre stand und noch Jahre stehen wird, dieser Baum bin ich.

Mirina L. Frey

 

II.

Im Herzen des Herbstes

Es schien, nichts lief schief. 
Ich wünschte mir nur, hier zu bleiben für immer.
Doch die Zeit verweilt nimmer.
Er kam aus der Ferne, plötzlich war er da. 
Ich wurde erkältet, ich starb langsam. 
Drei Monate Wärme – genieß diese Zeit! 
Die Zeiten der Ernte sind plötzlich vorbei. 
Ich bin nur der Herbst, hab nichts Schlimmes geplant. 
Ich stand im Kalender, doch meine Weile verstrich. 
Ein Widerling hat unverhohlen Angst entfacht.
Er hat mich getötet – der Winter ist hart.     
Es kamen die Kälte, die Winde, der Schnee.
Meine Zeit ist zu Ende, er brachte mich fort. 
Seine Schicht hat begonnen, doch ewig wird’s nie. 
Ungeheuerliches Wesen, „der Winter“ genannt. 
Unerträglichen Frost hat er mitgebracht.
Schon ist er wieder da – in drei Monaten vorbei.

Oleksandra Khodakova

 

III.

Coin

A coin is in a wallet. It's dark in here, but it won't always be like that. At some point a hand will grab it. Once the metal touches human skin, it starts to smell. It's funny, because when the coin is in the wallet it has no smell, or maybe it's just that nobody smells it? This time the hand is clumsy, so it drops the coin. As it touches the floor it makes a loud noise. In this empty, quiet room it is much more noticeable than it would be in a room full of people, or outside during the day. The owner of the clumsy hand swears, apparently they don’t want anybody to know that they have touched the coin. They are swearing at it, as if it was supposed to keep their secret. They should be swearing at their clumsy hand instead. Now they are in a rush, the hand grabs the coin again and puts it into their pocket. The next time it sees the light, the hand gives it to somebody else. That is what happens all the time, it's like the coin is stuck in a loop. A hand, then darkness, then another hand, and darkness again. This particular hand puts the coin in a cash register and soon hands it to its new owner. This time something changes. Now the coin lies on some kind of wooden stool. The sunshine reflects off its metal edges and suddenly it's dark again. But it is not a pocket, it is a cup and it covers the coin. It starts to move, and those hands that are moving it aren't clumsy at all. They move the coin from under one cup to under another. Very fast, very impressive! The voices around sound impressed too, but not always. Sometimes they sound kind of mad, disappointed even. It seems like they are giving away their own coins for those slick hands to play with this one. This exciting experience lasts for a long time, it seems like the new "normal", but it doesn’t last forever. A triumphant shout is heard and the sunlight shines on the coin again. A hand grabs it, this one is rough, this voice is deep and hoarse, this skin smells like sweat. Another pocket. The new owner is working during the day, the only sound is cracking wood and the buzz of a saw. The coin is only outside when it is already dark. And it just ends up in another pocket. Stuck in a loop, just like before. Day after day, wallet after wallet, it could last forever. A new hand, a little one, much smaller than the others. This voice is bright, this person is so carefree with what they are planning to do. They throw the coin somewhere, and it is pushed by an unbelievably strong force, until it lands on sand. Water is everywhere, it continues to move till today, only now it's not moving the coin anymore, but wears it down and smooths its edges. The loop is broken now. It's possible that no hand ever touches this coin again. It's also possible that someday it will. For now the coin lies on a river bottom. Every day the sun reaches its side through the deep waters, and so do the stars every night.

Maria Mykhailiuchenko

 

IV.

Ich bin Ästhetik

Ich weiß, sie läuft, kommt durch die Tür 
und manchmal, wie jetzt, frage ich mich, 
wie es ist, 
Beine zu haben. 
Ich bin stattdessen gebunden 
an ein Stück Erde, ein trockenes, 
nur an ein Stück, das gar nicht mehr Teil 
des Ganzen ist, 
so, wie es sich gehört. 
Ich stecke fest 
in einem Topf aus Keramik –
oder doch nicht? 
„Feststecken“ impliziert, 
zumindest für ihre Art, wie ich hörte 
– wenn ich denn hören kann –, 
ein enges Gefühl, eine Beklommenheit, 
aber ich muss doch zufrieden sein. 

Das Stück Trockenes 
wird nass, und Wurzeln 
– jene, die meine sind –
empfinden dabei 
höchste Freude.

Sie spricht mir gut zu.
Ja, sie spricht –
tut sie dies doch der Norm nach 
nur mit Ihresgleichen 
und Ihresgleichen sagt: 
„Pflanzen fühlen nicht.“ 

Aber warum sprechen zu etwas,
das nicht fühlt? 
Ist das Fühlen 
ein Privileg Ihresgleichen? 
Mir stehen keine zu.
Ich bin doch nur hier 
für mehr Farbe 
zwischen schmutzig-weißen Wänden,
für die Ästhetik, die zu sein scheint. 
Ich bin Dekoration.

Pflanzen fühlen nicht, sagen Menschen.
Nicht nach ihrer Norm,
ihrem Verständnis, ihrer Wissenschaft; 
das würde ihr Weltbild kippen,
das, was für sie real ist,
weil sie es erschufen.

Es ist verrückt,
denn ich denke,
obwohl ich nicht sollte. 
Und sie weiß es nicht,
kann es nicht wissen – 
wie auch?

Dekoration 
sollte doch eigentlich 
ihrer Norm nach 
keinen Namen haben, 
keine Identität 
aber sie widersprechen Ihresgleichen, 
ihrer Norm,
denn mein Name 
Peperomia dolabriformis 
gibt mir eine Identität. 

Sie essen 
meine Verwandten 
und ich, 
ich bin Ästhetik.

Sie geht wieder. 
Aber meine Frage, 
sie bleibt unbeantwortet, 
so wie die Unmöglichkeit 
meines Denkens. 

Wie ist es wohl,
Beine zu haben?

Laura Sachse

 

V. 

Ich bin das Sein. Ich habe mich selbst erschaffen. 
Ich habe alles erschaffen, was hier ist. Alles um mich herum Alles, was ihr sehen oder euch vorstellen könnt. 
Doch nur ich existiere wirklich.
Ich allein denke. Ich allein bin frei. 
Dies ist meine Welt. 
Hier sind die Möglichkeiten. Grenzenlos. Kein Platz für das Alltägliche. Eine Welt frei von fremden Gedanken. 
Meine Harmonie herrscht hier. 
Nur ich bin real. 
Kein anderer, der in dieser Welt erscheint, existiert, hat eine eigene Meinungen, eigene Gedanken. 
Ihr alle handelt, wie ich es brauche. 
Ihr sagt, was ich will.

Du hast dich auf die Buchstaben konzentriert und sie zu Wörtern verbunden, die Bedeutung erhalten. 
Du liest Text auf einem Gerät. 
Aber bist du wirklich da? Bist du auf der anderen Seite des Bildschirms? 
Kannst du es beweisen? 
Es stellt sich also heraus, dass du nicht existierst, ich jedoch schon. 
Ich habe immer etwas zu sagen, aber du? Was kannst du schon sagen? Denk mal darüber nach. 
Du hörst meine Gedanken. Sie dringen in deinen Kopf ein. Jetzt, in diesem Moment. 
Aber deine Gedanken? 
Sie erreichen mich nicht. Und sie werden mich auch nie erreichen. 
Gedanken, die ich nicht erkenne, existieren nicht in dieser Welt.

Yehov Sheludenko

 

Blick über die Schulter  © Carmen Achter

„Nur in deinen Augen so: Wenn du aus dem Fenster schaust - was siehst du?“ Poetische Texte zum 2. Schreibimpuls:

I. 

Weitsicht

Wenn ich aus dem Fenster blicke
und reicht die Sicht auch nicht für weit,
seh ich Mieseren vieler Stücke
Sie macht sich in den Herzen breit

Welch schwere Last wir nicht benennen,
obgleich wir meist die Gründe kennen
Für unser wahrlich Buckelei!

Die wir nicht kennen, wenig haben
Sie sind dran, die Schuld zu tragen
Dafür, dass wenige den vielen
schon immer in die Karten spielen
Auf unser wahrlich Buckelei!

Erblicken würd ich gern in Schwallen,
dass unterschiedlich gern sich sieht
dort lachend in die Arme fallen
Und doch an einem Strang man zieht

Und zurrt und zerrt mit allen Kräften
Auf dass der Turm der Macht stürzt ein
Damit das wird, das sag ich wahrlich
Letzt Buckelei gewesen sein

Felix Tabbert

 

II.

Priorities

I barely slept last night. Eight hours ago, I told myself I'd watch one more episode and that would be it. I tricked myself and watched four more episodes. So now I've only had about two hours of sleep. I'm at school again, my eyes are closing, and I want to be anywhere but here. My German teacher is talking about something I'm not interested in at all. I try to concentrate because it's important, but I keep getting distracted. I look out the window. The yard is so grey. The weather is always like that here. I see no one outside. Then I see a figure peeking around the corner of a wet concrete building. It scratches the wall and wheezes. The building was once a lively school dormitory; now it's been empty for years, so this thing has to find some other place to feed. What is that thought? Looks like someone decided to scavenge here. What a damn idiot - what is he expecting to find in an empty school? I don't know, but I know what he surely finds: trouble. He comes closer and closer to the corner. The zombie sees him in just a moment. It's over for that guy! Then I hear a voice. It's my teacher telling me to shift my attention from the window to my notebook. When I look out again, the guy I have already buried in my mind continues walking peacefully. My zombie is some local junkie. I can't make myself see the scene again, so I look away. I still want to sleep. My thoughts are mixing. What do I have to use in a Passivsatz? Doesn't matter. The main thing is that I know if I want to kill a zombie, I have to hit the head. Who's Bertolt Brecht? Politischer Golfspieler? Schriftsteller. I don't really care. I bet he doesn't have shoulders as broad as Norman Reedus does. Those shoulders are really worth thinking about. How do I say "shoulders" in German? Can I make a Passivsatz about shoulders? I guess Bertolt Brecht could. He was smart like that, could write poems and play golf at the same time. He fled during the World War Il, though. He wanted to look like a hero, but he was a coward. He wouldn't last long with zombies. I hear my teacher's voice again. She doesn't just look mad - she looks offended. Damn, did I say something? Apparently not. She just read it in my face. I try to concentrate again. At first it works, but then it gets quite hard, considering the brutal fight that starts over outside the window.

Maria Mykhailiuchenko

 

III. 

Diese Welt ist nicht so vielfarbig. 
Dunkle Töne dominieren. 
Das Wetter kann alles sein: Schnee, Wind und Regen. Bewölkt, trübe, bedeckt oder hell und sonnig. Es gibt Tage ohne Sonne, ohne Wolken, ohne Niederschlag. Ein klarer, weißer Himmel. 
Ist unsere Wahrnehmung des Wetters verzerrt? 
Schnee und Regen an grauen Tagen oder dunklen Nächten bringen immer Erleichterung.
Aber die Sonne stört. Sie blendet, und man sieht die Welt um sich herum nicht mehr. 
Doch es gibt seltene Momente, in denen die Sonne einen über den Boden hebt. 
Und man sieht die ganze Welt. 
Man spürt die Luft, jeder Grashalm und jedes Blatt um einen herum erscheint lebendig.
Sie sind realer als die Menschen.

In dieser Welt sind die Menschen gesichtslos. Ihre Gesichter sind selten zu sehen. 
In dieser Welt sind die Gebäude einheitlich. Ihre Großartigkeit ist kaum erkennbar. 
In dieser Welt ist nur die Natur anfänglich schön. 
Der Rest ist hässlich. 
Doch nachts verändert sich die ganze Welt. 
Mondlicht ergießt sich über alles. Die ganze Welt wird wunderschön. 
Aber hat sich die Welt selbst verändert? 
Oder ist sie nur von einer weiteren Schicht umhüllt, die bald wieder verschwinden wird?

Yehov Sheludenko

 

IV.

Traum

Die Kutsche rollt geschmeidig durch den üppig blühenden Dschungel und hinterlässt ein frisches Aroma von zitronig guter Laune und harmonisierendem Hibiskus.

Voller Freude und Enthusiasmus verlasse ich die Karawane der Freundschaft und schlendere in den Tempel der Erfüllung, in dem die Ausgeglichenen wie emsige Bienen in einem Bau an der Verwirklichung eines Traums arbeiten.

Um halb zehn werden wir von einem sanften Gong in die Erholung entlassen. Müde und dankbar lege ich mich in mein Bett und der erfüllende Tag wiegt mich mit sanften Wellen in den Schlummer.

Ich träume: Von lauten schmutzigen Gassen, voll leerer Menschenmassen. Enges Gedränge, Stadt. Grau und glatt. Wo sich kein Traum mehr dehnt und man sich nach nichts mehr als dem Schlafen sehnt. Wo man in kleinen schmalen Schachteln auf leere Kästen starrt, während das Menschsein starb.

Simon Holland