Golo Mann am Tegernsee

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Klaus Mann, Ende der 1920er Jahre (Bestand Erika Mann)

Golo Mann verbringt den Sommer des Kriegsjahres 1918 zusammen mit seiner Familie in Abwinkl am Tegernsee, nachdem sein Vater das Tölzer Landhaus ein Jahr zuvor verkauft hat. Den Landaufenthalt hält er in seinen Erinnerungen und Gedanken fest:

Diesen Sommer verbrachten wir in einer für wenige Monate gemieteten Villa am Tegernsee, hoch über einer Bucht, welche „Ringsee“ hieß. Da das Motorboot, der „Quirinus“, dort nicht anlegte, war das unten im Bootshaus ankernde Ruderboot die einzige Verbindung zum Hauptort auf der anderen Seite des Sees, welcher oft und plötzlich stürmisch wurde und schaumgekrönte Wellen schlug. War doch der berühmte Kammersänger Slezak, der in Rottach wohnte, unlängst mit seinem Boot gekentert, als tüchtiger Schwimmer hatte er das Ufer erreichen können, aber ein Freund von ihm nicht. Gruselige Geschichten. Wenn wir Kinder ruderten, zusammen mit einem neuen Fräulein, „Amalie“, und der Köchin Josefa, und der See begann unruhig zu werden, so höre ich noch die Köchin flehen: „Fräulein Amalie, heimwärts!“ Dem Klaus geschah einmal das Folgende: Er hatte brav gerudert, und als er sich erhob, um mir seinen Platz zu überlassen – Platzwechseln war immer gefährlich –, hatte er hinten keine Hose mehr; in der Ruderbewegung hatte sich der „Ersatz“-Stoff buchstäblich in Staub aufgelöst. Mein Bruder und ich konnten damals schon schwimmen, im Winter davor hatten wir es im „Hofbade“, einem kleinen Hallenbad nahe der Maximilianstraße, bei einem Bademeister, der uns an der Angel führte, regelrecht gelernt, wie die Sitte war. Einmal rutschte ich auf den Stufen, die in den See führten, aus und fiel hinein. Ein Herr auf dem Nachbarsteg, solches wahrnehmend, warf seinen Bademantel ab, sprang mir nach und zog mich heraus, nicht ohne Stolz ob des Aktes der Lebensrettung. Ich traute mich nicht, ihm zu sagen, dass sie nicht notwendig gewesen wäre. (Zit. aus: Golo Mann: Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland. Frankfurt am Main 1986, S. 53-56. © S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1986)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 163f., S. 256f.