Friedrich Hebbel

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Friedrich Hebbel (1813-1863). Porträt von Carl Rahl 1855.

Im 18. Jahrhundert eroberte Agnes Bernauer die Bühnen. 1781 wurde in Mannheim das Trauerspiel Agnes Bernauerin des bayerischen Dramatikers Joseph August von Toerring uraufgeführt. Unzählige weitere Dramatisierungen folgten. Die erfolgreichste Bühnenfassung des Stoffes lieferte 1852 Friedrich Hebbel mit seinem Trauerspiel in fünf Akten Agnes Bernauer. Hebbel zeigt in seinem Stück den Konflikt zwischen Staatsräson und individuellem Glück. Die Einforderung desselben wird Agnes Untergang.

AGNES:  Und was hab ich verbrochen?

PREISING: (hebt das Todesurteil in die Höhe): Die Ordnung der Welt gestört, Vater und Sohn entzweit,
dem Volk seinen Fürsten entfremdet, einen Zustand herbeigeführt, in dem nicht mehr nach
Schuld und Unschuld, nur noch nach Ursach´ und Wirkung gefragt werden kann! So
sprechen Eure Richter, denn das Schicksal, das Euch bevorsteht, wurde schon vor Jahren
von Männern ohne Furcht und ohne Tadel über Euch verhängt, und Gott selbst hat den
harten Spruch bestätigt, da er den jungen Prinzen zu sich rief, der die Vollziehung allein
aufhielt. Ihr schaudert, sucht Euch nicht länger zu täuschen, so ist's! [...]

(Friedrich Hebbel: Agnes Bernauer. 5. Akt, 2. Szene. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 1979, S. 76)

Bei Hebbel ist Herzog Ernst menschlich voll Mitleid für Agnes Bernauer. Doch aus Verantwortung für Dynastie und Reich betrachtet er es als seine Pflicht die ungeliebte Schwiegertochter zu töten. Einzig dieser Schritt kann das Herzogtum vor Unruhen bewahren.

ERNST: Ich musste tun, was ich tat, du wirst es selbst dereinst begreifen, und wär's erst in deiner
letzten Stunde, aber ich kann auch mit dir weinen, denn ich fasse deinen Schmerz! [...]
Aber wenn du dich wider göttliche und menschliche Ordnung empörst:
ich bin gesetzt, sie aufrechtzuerhalten, und darf nicht fragen, was es mich kostet!

(Friedrich Hebbel: Agnes Bernauer. 5. Akt, 9. Szene. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 1979, S. 84f.)

Sein Verständnis für Herzog Ernsts Position brachte Hebbel neben aller Begeisterung für sein Stück auch massive Kritik ein.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl