Ödön von Horváth über München

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Markt, um 1950 (Verlag und Bildarchiv Sebastian Winkler)

Die Münchener Bürger kümmerten sich nicht um Politik, und ihr ererbter Liberalismus äußerte sich nicht im Freihandel, sondern in einer Duldsamkeit gegen den Rausch, die Besoffenen. Freie Bahn dem Besoffenen, das war die Parole. Die Museen  mussten wegen dem Fremdenverkehr errichtet werden, der blühte. Jeder Maler war Professor, die Schwabinger beliebt, der Geist geduldet, die Künstlerfeste, dazu musste man die Kunst haben. Der Mittelstand erwies wieder mal seine Kulturaufgabe, als der Stand, der die Kultur trägt. Der Kitsch blühte, Zarathustra tanzte und Isar-Athen war so gemütlich, die Stadt der Musen, der Bohème, dieser bürgerlichen, spießigen Anarchisten und des deutschen Museums, dieses Wunderwerkes der Technik.

Ödön von Horváth, Charlotte. Roman einer Kellnerin, 1929 (Zit. aus: Ödön von Horváth: Charlotte. Roman einer Kellnerin. In: Ödön von Horváth: Himmelwärts und andere Prosa aus dem Nachlass. Hg. v. Klaus Kastberger. Frankfurt a. Main 2001, S. 25)

 

Ödön von Horváth (1901-1938), österreichisch-ungarischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1913 bis 1916 und 1919 bis 1922

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek