Herbert Achternbusch: Ambach als Filmkulisse in „Servus Bayern“ (1977)

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Herbert Achternbusch (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)

Der 1938 in München geborene Herbert Achternbusch studiert an der Nürnberger und Münchner Kunstakademie und betätigt sich ab den 1960er-Jahren nicht nur als Maler, sondern wirkt darüber hinaus als Buchschriftsteller, Dramatiker und Filmemacher. Seine künstlerische Vielseitigkeit spaltet das Feuilleton: Für die einen gilt er als selbstdarstellerischer Dilettant, der mit seiner Karikatur der Alltagslogik nichts als bodenlosen Unsinn produziert, die positiven Kritiker erkennen hingegen gerade in diesem Misslingen eine authentische Abbildung der Realität. Heinrich Böll würdigt sogar den „existentiellen Sog“ seiner Prosa. Er selbst meint über sich: „Ich denke, also spinn ich.“ Für den ersten Eklat sorgt er bereits als Gymnasiast: 1959 flog er in Deggendorf von der Schule, da eine Mitschülerin ein Kind von ihm bekam. Während und nach dem Studium hält er sich und seine bereits fünfköpfige Familie mit Gelegenheitsjobs wie Zigarettenverkaufen auf dem Oktoberfest über Wasser. Von München-Ramersdorf ziehen sie 1965 nach Starnberg, wo sie bis 1971 im Haus seines Großvaters wohnen. Der deutschlandweite Durchbruch gelingt mit dem im selben Jahr erscheinenden Roman Die Alexanderschlacht.

In seiner Starnberger Zeit dient der See zwei Mal als Kulisse: Bereits 1977 nimmt Achternbusch Bezug auf Ambach und stilisiert sich als der verfolgte Dichter in Servus Bayern: Poet Herbert geht gerne auf die Jagd und genießt die Einsamkeit der Berge. Seiner Geliebten schießt er als Alimente Rehe, welche diese an Herberts Frau (Annamirl in ihrer ersten großen Rolle) verkauft. Eine der eingängigsten Szenen zu Beginn: Herbert sitzt einsam an einem Tisch im verwaisten Biergarten des Fischmeisters. Vor ihm ein Weißbierglas und eine Schreibmaschine. Er ist komplett in Weiß gekleidet, trägt Jesuslatschen und Gletscherhut, und rezitiert seine letzte Notiz: „In Bayern mag ich nicht einmal gestorben sein.“ (Herbert Achternbusch: Servus Bayern. Filmbuch. Frankfurt am Main 1978, S. 51.) Doch ist er fest entschlossen, Widerstand zu leisten: „Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe solange, bis man ihr das anmerkt“ (ebd., S. 57.), spricht er zu Heinz, dem aufdringlichen Fernsehjournalisten: „Ich heiße Knallhart und habe eine Frage.“ (Ebd. 1978, S. 53.) Herberts betrogene Gattin tröstet sich mit einem Gastarbeiter, wie aus dem 15 Minuten langen Monolog in der Wirtstube des Fischmeisters hervorgeht – eine Liebes- und gleichzeitige Hasserklärung gegenüber dem Mann und Dichter:

Die Traurigkeit hängt dir wie Würmer aus den Augen. Wenn ich nur wüßte, wie ich an dein Herz komm [...] Ich habe so einen Hunger nach einem Menschen gehabt, der mich nicht anschreit. In seinem gebrochenen Deutsch ist mehr Menschlichkeit als in denen geschliffenen Büchern. Du hast ja gar keine Ahnung, wie warm ein Mensch sein kann. Du bist nur Eis!

(Ebd., S. 63ff.)

Herbert erschießt frustriert einen Bären im Fernsehen. Wozu in dieser Welt verbleiben? So verlässt er die Ambacher Gefilde und reist nach Grönland, um sich in der Eiseskälte dieser Welt zu Tode zu trinken. Servus Bayern! Über dem Eisberg wabert ein bayerisches Lied hinterher. Bayern ist das Land aus ewigem Eis – zwischen Achternbusch und Bierbichler herrscht mittlerweile auch Eiseskälte.

Ein weiterer Film spielt direkt in Starnberg. Der Protagonist in Der Komantsche (1979) erwacht aus dem Koma, in dem er von einer märchenhaften Welt geträumt hat, und erleidet beim Erwachen einen Realitätsschock, vor dem er unablässig ins Weiterträumen flüchtet. Die Wirklichkeit des menschlichen Zusammenlebens verfolgt er mit geröteten Augen. Dabei bildet die Seelandschaft den Hintergrund einer der Schlüsselstellen: Der Komantsche wird von seiner Krankenschwester (wieder gespielt von Annamirl) im Rollstuhl an der Seepromenade von Starnberg entlanggeschoben: „Alle unsere Träume sind davongesegelt“ (Herbert Achternbuch: Der Komantsche. Frankfurt am Main 1979, S. 33), meint der Chefarzt, und so winkt das kuriose Dreiergespann den auf dem See verschwindenden Segelbooten hinterher.

Der nächste Eklat: Im gleichen Jahr verbrennt er auf der Bühne der Preisverleihung des von der Hubert-Burda-Stiftung verliehenen Petrarca-Preises den Scheck über das Preisgeld und verlässt die Veranstaltung – aus Protest gegen die „gefräßige Kulturindustrie“. Ursprünglicher und eigentlicher Auslöser seiner Verärgerung waren aber zwei defekte Filmprojektoren, so dass seine Filme nicht vorgeführt werden konnten. Diese Reaktion ist erst der Anfang: Mit seinen folgenden Filmbeiträgen etabliert sich Achternbusch weiter als Enfant terrible und Bürgerschreck: Bajuwarische Heimattümelei und Bierseligkeit sind eine beliebte Zielscheibe des Provokateurs. Schon in Der junge Mönch (1978) teilt er gegen die dumpfe Seligkeit unter weißblauem Himmel aus und lässt eine Atombombe auf den Freistaat niedergehen. Und in Der Depp (1982) düpiert er die Landesregierung: Der Ministerpräsident Franz Josef Strauß wird vom Titelhelden im Hofbräuhaus vergiftet. Der Ärger um Das Gespenst von 1982, in dem er in einem bayerischen Kloster Christus vom Kreuz steigen lässt, um mit der Ordensschwester zu schlafen, führt ihn schließlich zur „Exilierung“ an den See.

 

Quellen:

Herbert Achternbusch: Servus Bayern. Filmbuch. Frankfurt am Main 1978.

Ders.: Der Komantsche. Frankfurt am Main 1979.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Nastasja S. Dresler