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Namen im Literaturbetrieb (6). Von Mara-Daria Cojocaru

Wir reden oft über Kategorien wie Geschlecht, Alter, Bildungshintergrund, die Strukturen und Aufstiegschancen im Literaturbetrieb prägen. Über eines reden wir so gut wie nie ‒ über Namen. Welche Erfahrungen machen Autor*innen mit nicht-eindeutigen, nicht-deutschen Namen tagtäglich bei Bewerbungen, Ankündigungen, Lesungen, welche Strategien entwickeln sie dagegen? In dem folgenden Projekt geben sechs Autor*innen einen Einblick in widersprüchliche, komische wie unerträgliche Alltagserlebnisse. Sechste und vorerst letzte Folge: ein Text von Mara-Daria Cojocaru.

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Eigentlich

Seit ich Deutsch gelernt habe, und das ist meine Muttersprache, meine Vatersprache, Rumänisch, hat mein Vater nur am Telefon mit seinen Freunden gesprochen. Und in meinen ersten Kindersommern. Und wenn Verwandte da waren. Und wenn er im Auto fluchte. Also oft eigentlich. Also eigentlich verwunderlich, dass ich die Sprache nicht als Kind mitgegeben bekommen habe. Na, also, seit ich Deutsch gelernt habe, habe ich mit Sprache immer auch gespielt. Heute bin ich unter anderem so etwas wie eine Dichterin, Lürikerin, Sprachpoliererin. Das bedeutet, wenn man mit Worten spielt, empfinde ich Freude, Genugtuung, fühle mich wohl. Nur bei meinem eigenen Namen ist das etwas anders.

Das weiß wohl auch mein „poetischer Korrespondent“ und Kollege, Ron Winkler, der mir in unserem mittlerweile bei Schöffling & Co. erschienenen Wechsel Du weißt nicht, wie schwer es geworden ist, einen Brief zu verschicken am 30.11.2017 eine Nachricht schickt, nachdem er mal wieder meinen Namen irgendwo falsch geschrieben gelesen hat. Er fragt:

„Mara, ist jetzt Mara, ist heute
Mara? Mara-D. D D D D D.
Spielt ein Kind Maschinengewehr
in deinem Namen? [...]“

Ich bin dankbar, wenn andere sich über die Verhunzung meines Namens beklagen, sie zumindest zur Sache machen, denn ich selber habe mir einen höflich-defensiven Umgang damit angewöhnt. Ich habe gelernt, das wegzustecken. Mehr noch sogar, wenn die Menschen an der Aussprache scheitern. Dann habe ich das Gefühl, dem anderen zur Hilfe eilen und irgendwie gnädig bis entschuldigend lächeln oder „oder einfach Mara“ sagen zu müssen – und manchmal auch noch „Maria ohne i!“ hinterher. Ron trifft also eine Kiste mit all dem Weggesteckten. Sie springt auf und ich antworte, postwendend:

„Um deine Frage zu beantworten: ja

Mara-Daria Cojocaru
Maria-Daria Cojocaso
Mara-Dara Cajocara
Mira-Dora Cojacuro
Mari-Dari Cojucari
Mara-Darja Cocojaru
Maraj-Dara Cajucara
Damara Cocojara
+ Mara-Daria Denrestsparichmir

Mara Cojocaru
Maria-Dara Cujocura
Mara-Daria Cojucaru

Dana Maria Cojocaru

Cijocaru
Cajacau
Cojacarn“

Damit hatte ich endlich den Kübel weggesteckter Buchstabenformationen ausgekippt, mit denen verschiedenste Menschen versucht haben, meinen Namen zu verwenden. Sehen Sie was? Die Sender haben es sich zumeist nicht einmal besonders leicht gemacht. Nur zweimal werde ich schlicht zu einer geläufigeren „Maria“. In anderen Fällen bin ich tierliebe Person sogar geneigt, schlicht Katzenkombinationen anzunehmen, alles im Tasten. Voll daneben war lediglich „Mara-Daria Denrestsparichmir“ – vielleicht aber auch deswegen so gesagt, weil ich ja weiß, wann ich im Alphabet komme, und schon beim Doktortitel cum gequältem Gesichtsausdruck und Nasenzwickerzwinkern der damaligen oberbayerischen Regierungspräsidentin losgelaufen war, ihr zu helfen, mich zu vereidigen. In allen anderen Fällen möchte man sagen, die Bemühung macht es noch komplizierter.

Meistens, wenn ich mit den Menschen sprechen kann, meinen Namen ein paar Mal vorgesungen habe, mir dabei nicht mal klar bin, ob eine echte Rumänin da nicht weniger Singsang reinbringen würde, das Gegenüber dann vorsichtig in Schwingung kommt, und dann irgendwann ein Lächeln im Gesicht hat, wie wenn Schaukeln doch eigentlich Spaß macht: „Schöner Name, eigentlich!“ – dann frage ich nicht noch mal, was mit „eigentlich“ gemeint ist. Und freue mich ein bisschen, verspüre auch etwas Genugtuung. Aber so ganz wohl fühle ich mich nicht damit.

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Fühlen Sie sich angesprochen und möchten zum Projekt beitragen? Dann senden Sie Ihren Text (zw. 4.000 und 7.000 Zeichen, inkl. Leerzeichen) an Slata RoschalDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.