Literarischer POMONA-Salon zu „Mein Schreibetisch“ von Sophie La Roche

Die vier Salonieren von POMONA – Literarischer Salon im Freundeskreis Sophie La Roche e. V., Christa Berge, Wiltrud Fleischmann, Helga Ilgenfritz und Karin Klinger befassten sich im Rahmen der dritten Salonveranstaltung in diesem Jahr mit Mein Schreibetisch (1799) von Sophie La Roche und dem Bild der schreibenden Frau in jener Zeit.

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Mein Schreibetisch ist eines der Spätwerke der zu diesem Zeitpunkt bald 70-jährigen Kaufbeurer Tochter, die sich als schreibende Frau, mit einer Feder in der Hand, vor einem Manuskript und neben einer großen Bücherwand sitzend, öffentlichkeitswirksam unter dem Buchtitel präsentiert. Das zeigt auch, dass Sophie La Roche von ihrer Leserschaft in diesem emanzipierten Rollenverständnis wahrgenommen werden wollte: als professionelle Schriftstellerin, als selbstbewusste Frau, deren Leben bestimmt war durch ihre „Liebe zu Büchern“. Schon der Titel selbst bildete einen Affront gegen die herrschenden Konventionen zu jener Zeit, in der einer Frau als Betätigungsfeld höchstens der untergeordnete Näh-, Wasch- oder Küchentisch zugestanden wurde.

Die Tatsache, dass im ausgehenden 18. Jahrhundert das Schreiben als „Profession“ für eine weibliche Schriftstellerin nicht selbstverständlich war, hat die Literaturforschung in den letzten Jahrzehnten immer wieder aufgezeigt. Im Rahmen des privaten Briefverkehrs oder in Form eines Tagebuchs wurde weibliches Schreiben noch am ehesten akzeptiert. Die „harmlose“ Form sollte garantieren, dass sich die Frau, als Laie beim Schreiben, auf ihre eigenen Erfahrungen und ihren engeren Lebenskreis konzentrierte und beschränkte. Der Anspruch, darüber hinaus eine „öffentliche“ Stimme zu erheben oder sogar als „Gelehrte“ zu gelten, bedeutete für die schreibenden Frauen die Gefährdung ihrer gesellschaftlichen Stellung und setzte sie dem Vorwurf aus, ihre eigentliche „Bestimmung“ als Ehefrau und Mutter zu missachten oder zu vernachlässigen.

In beiden Bänden von Mein Schreibetisch sind in den fortlaufenden Fluss alternative Textarten montiert – Gedichte, Briefe, Auszüge auch aus anderen (Fremd-)Texten. In gewisser Weise griff die Autorin auf die offene Struktur eines Magazins oder Journals zurück. Die Inhalte kamen aus vielen Bereichen, etwa aus der Naturwissenschaft, der Philosophie, aus Abhandlungen über die (weibliche) Erziehung oder boten Auszüge aus deutschen, englischen und französischen Büchern sowie aus Kritiken und Denkblättern.

Manche Texte hatten den Charakter von Lehrbüchern, auch für die drei zu jener Zeit bei ihr in Offenbach lebenden Brentano-Enkelinnen. Mit dem Begriff der „eigenen Feder“ bezeichnet Sophie La Roche ihr Erzählen und Belehren, ihr Verknüpfen und Vergleichen, ihr Erinnern und Empfinden. Sie eröffnet ihrer Leserschaft dabei auch autobiografische (Selbst-)Darstellungen und gibt Hinweise auf ihre Legitimierung als Autorin. Sie bietet den Lesenden „einen sehr genauen Grundriss von meinem Kopf und meinen Neigungen“. So kann das Werk auch als eine Mischung vormoderner und moderner Formen des Museums und als „Ausgrabungsort und Depot der Erinnerungen“ verstanden werden.

Sophie La Roche gelang es, ihren „Schreibetisch“, der demgemäß viel mehr als nur ein Einrichtungsgegenstand war, zusammen mit ihrem Schreib-„Kabinett“ zu verschriftlichen. Sie will in die Köpfe ihrer Leserschaft „eindringen“. Im Einzelnen bewahrt sie damit auch ihrer Familie und ihrem geliebten Sohn Franz das Andenken, ebenso der früh vollendeten und überaus bedeutenden, gelehrten Brieffreundin Julie Bondeli (1732-1778) aus der Schweiz, der sie im zweiten Band rund 250 Seiten widmet. Die Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807) gehörte ebenfalls zu den „schätzbaren Frauen“, die ihren Schreibetisch symbolisch bzw. geistig „mitbewohnten“.

Neben der Beschäftigung mit Sophie La Roches Schreibstil und dem abschließenden Vortrag einiger Gedichte ergab sich im Rahmen des Salons auch eine aktuelle Bezugsebene, die auf den umfassenden historischen Kenntnissen von Sophie La Roche beruht: Auf dem „Schreibetisch“ befand sich beispielsweise ein Hinweis auf Palmyra, die antike syrische Stadt, die erst vor etwa einem Jahr beinahe vollständig durch Angriffe des sogenannten Islamischen Staates zerstört worden ist. Die zeitweilige Herrscherin von Palmyra, Septimia Zenobia (ca. 300 v. Chr.), hatte Sophie La Roche begeistert – „…daß der Geist und Geschmack einer Frau so viel zu der zierlichen Pracht des Palastes und der Tempel beygetragen hatte …“ – und sie empfand ihr „Werk“ als besonders schützenswert.

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