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28.10.2025, 14:45 Uhr
Redaktion
Spektakula

Mit Dagmar Leupold auf der Frankfurter Buchmesse 2025

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© Literaturportal Bayern

Die Münchner Schriftstellerin Dagmar Leupold stellt ihren aktuellen Roman Muttermale (2025) auf der Frankfurter Buchmesse vor. Einen Tag lang darf das Literaturportal Bayern sie dabei begleiten.

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Es ist ein entspannter Messetag. Besucherinnen und Besucher der Frankfurter Buchmesse strömen kontinuierlich in die Hallen, doch es kommt an diesem Freitagvormittag nicht zu größeren Stauungen. Die Belletristik verteilt sich auf zwei Hallen. Halle 1, gleich beim Haupteingang, ist ganz der New Adult- und Dark Romance-Fiction gewidmet. Vor allem junge Frauen und Jugendliche streifen dort an Ständen vorbei, deren Gestaltung gut mit der Buchgestaltung in diesen Genres abgestimmt ist. An einigen Ständen haben sich lange Schlangen gebildet. Junge Menschen lesen wieder, und sie haben dabei etwas andere Vorlieben als ältere.

Auch in Halle 3 stechen hie und da die auf die große Geste Setzenden für die jüngere Literatur heraus. Vorherrschend sind aber die herkömmlich gestalteten Ausstellungselemente, die Seriosität und vielleicht einen Hauch von Salon ausstrahlen. Im Obergeschoss der Halle stellen in erster Linie kleinere und so genannte unabhängige Verlage aus. Hier fehlen die ausdrucksstarken Gesten gänzlich. Ruhiger geht es hier zu, etwas gesetzt beinah. 

Jung und Jung, der in das Haus Kampa eingegliederte feine Salzburger Verlag, teilt sich den Stand mit einer Reihe weiterer Verlage aus Österreich – „Books from Austria“ betitelt. Hier steht Dagmar Leupold gerade vor der Kamera und spricht mit einem SWR-Journalisten. Gleich begleitet sie das Team zur „Leseinsel der unabhängigen Verlage“ wenige Meter entfernt. Hinter dem Kameramann zieht der Mann für den Ton die Technik des Teams geduldig in einem kleinen, faltbaren Wagen über den Flur.

Die erste Lesung Dagmar Leupolds auf der Messe dauert nur eine halbe Stunde. Kaum ist der zuvor lesende Autor aufgestanden, setzen sich die Autorin und Moderator Günther Eisenhuber auf die freigewordene Bühne. Ein Teil des Publikums bleibt, andere gehen, dafür kommen neue Menschen und hören zu. Eisenhuber ist gleichzeitig der Lektor von Leupold und kennt sich in dem Roman gut aus. Muttermale erzählt von dem Versuch einer Tochter, sich an die vom Zweiten Weltkrieg geprägte Mutter anzunähern. Es handelt sich dabei nicht um eine Geschichte mit einer geschlossenen Handlung, eher um eine Reihe von Versuchen, ein Bild der Mutter zu gewinnen, etwa anhand ihres „Schuhwerks“ oder des Wortes „Blümerant“ – so die Überschriften zweier Abschnitte, welche die Autorin vorträgt. Leupold betont dabei, dass es ihr um das Exemplarische geht: Sie erzählt nicht einfach die Geschichte ihrer Mutter, sondern die einer Frau, die für viele andere ihrer Generation steht. Dabei habe sie sich im Biografischen Freiheiten genommen, betont die Autorin.

Vom Drehen der Einstellungen

Wie auf Messen leider üblich, kehren Konzentration und Ruhe bei solchen Veranstaltungen nie richtig ein. Der Ton von einer parallelen Veranstaltung weht von neben herüber, ein kleinerer Teil des Publikums folgt eher einer Naschkultur: Man kommt, hört und trottet weiter zum nächsten literarischen Häppchen. Ein derart verdichteter Text wie Muttermale hätte mehr Raum und Bereitschaft, sich einzulassen, verdient. Nach der Lesung signiert Dagmar Leupold einige ihrer Bücher.

Wiederum vom TV-Team begleitet, geht es nur kurz zurück an den Stand, anschließend führt der Weg uns nach draußen. Es ist ein schöner Herbsttag, der das Tragen einer Jacke beinah überflüssig macht. Anlässlich ihres bevorstehenden 70. Geburtstags widmet der SWR der aus Rheinland-Pfalz stammenden Schriftstellerin einen Fernsehbeitrag. Für verschiedene Takes muss sie mehrfach ins und durchs Bild laufen, gibt dem Journalisten auf einer Bank zwischen Buchenhecken ein Interview, geht dann wieder verschiedene kleine Wege ab. Rundherum laufen, ruhen und rauchen derweil ein Teil der Besucher der Messe. Vor einer Trinkwasserstation stehen von zwei Seiten lange Menschenschlangen, um ihre Flaschen aufzufüllen. Es riecht nach stark gewürztem Essen.

Betonung der Gelassenheit

Eine Stunde später sind wir zurück am Stand. Bei einem Kaffee plaudere ich mit dem Lektor Eisenhuber über Neuigkeiten aus dem Verlag, und das, wie wir beide finden, gut gelungene Cover des Buches. Endlich kann ich der Autorin einige Fragen stellen. Sie ist am Morgen bereits um 8 Uhr in den Zug gestiegen und unter den beinah schon erwartbaren Schwierigkeiten mit der Deutschen Bahn von München gekommen. Vom Frankfurter Hauptbahnhof ist sie gleich zur Messe gefahren. Erst abends wird sie ins Hotel gelangen. Am Messe-Samstag warten noch weitere Termine auf sie. Nachmittags geht es dann, ebenfalls beruflich weiter, nach Kaiserslautern.

Ich frage sie nach den Veränderungen, die sie im Laufe der Jahre auf der Frankfurter Messe erlebt hat. Auch Dagmar Leupold hebt hervor, dass es die neue Halle für Dark Romance usw. gibt. Allgemein erlebt sie, dass Literatur weniger als früher in ihrer Breite abgebildet und gewürdigt werde, der Markt tendiere zur Monokultur. Trotz mehrerer Auftritte erwartet sie keinen großen Effekt von ihrem Engagement bei der Messe, ist aber entschlossen, ihr Programm unverdrossen zu absolvieren. Mit nur noch einer vom Verlag finanzierten Übernachtung bleibe keine Zeit für den Besuch von Veranstaltungen der Kollegen. Das große Presseecho auf ihren Roman sei bisher ausgeblieben. Allerdings erhalte sie persönlich viele begeisterte Reaktionen. Eine gewisse Enttäuschung ist der Autorin anzumerken, sie betont aber das Positive, z.B. ihre Nominierung für den heurigen Bayerischen Buchpreis. Sie sehe vieles inzwischen mit Gelassenheit.

Kaum bleibt noch Zeit für einen Kaffee und ein kurzes Gespräch mit dem zufällig vorbeischlendernden Journalisten Niels Beintker vom Bayerischen Rundfunk. Dann geht es weiter in die Altstadt zum gleich neben dem Goethe-Haus und dem Romantik-Museum beheimateten Deutschen Hochstift. Hier absolviert Dagmar Leupold erneut eine Lesung. Diesmal hat sie eine Stunde, und der Raum ist geschlossen, auch wenn das fließende Kommen und Gehen von Zuhörenden sich von der Messe in die Stadt fortzusetzen scheint. Durch die Fenstertüren schaut man in den Garten des Goethe-Hauses, nach der wirbeligen Messe eine Wohltat für Auge und Geist.

Dagmar Leupold liest außer den Abschnitten, die sie bereits bei der Messe vorstellte, noch weitere Stücke. Auch das Gespräch mit Eisenhuber erhält hier mehr Raum, die Verbindung mit dem Publikum entsteht, der geistige Raum öffnet sich. Die Autorin erklärt die Idee der „Asservaten“, um welche die einzelnen Kapitel ihres Buches sich ranken. Es seien dies Dinge bzw. Bilder, die jahrzehntelang aufbewahrt würden, weil irgendwann eine neue Erkenntnis daraus zu gewinnen sei. Nach wie vor ohne ein Zeichen der Ermüdung lässt sie sich schließlich auf das Gespräch mit dem Publikum ein. Dabei erklärt sie etwa, wie die Generation ihrer Eltern die eigenen Kinder immer als Antagonisten betrachtet habe. „Ihr könnt das nicht verstehen. Ihr habt das nicht erlebt“, seien Formeln gewesen, die ein Korrektiv durch die Perspektive der Jüngeren von vornherein verhindert habe. Da zeige sich ein deutlicher Unterschied zu dem Verhältnis, das sie selbst ihren inzwischen erwachsenen Kindern gegenüber entwickelt habe.

Für die Autorin geht mit dieser Lesung ein langer Tag zu Ende. Während sie erneut signiert und mit ihren Leserinnen und Lesern einzeln weiterspricht, mache ich mich auf den Weg zur U-Bahn. Auch im Deutschen Hochstift war dies nicht die erste und bleibt nicht die letzte Lesung des Tages. Mit 118.00 Fach- und 120.000 Privatbesuchern bleibt die Frankfurter Buchmesse ein beeindruckender kultureller Event, auch wenn eine Schreibende im Einzelnen manches zu bemängeln hat. Dem Literaturportal Bayern bleibt zu wünschen, dass Dagmar Leupold für ihren Roman Muttermale doch Einiges bewegen kann und dass für sie ein produktives neues Lebensjahrzehnt beginnt!