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Fotografie einer Zeichnung, Dezember 1959 (Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung)

Engelburgergasse: Die Kirche und die Religion

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Der Regensburger Dom St. Peter

Dem Vater vom Georg Britting gelingt es, sich trotz der Entlassung aus dem Staatsdienst zum Bauführer hochzuarbeiten. Nebenbei arbeitet er als Planfertiger für Handwerker aus Regensburg. Im Alter gelingt es Georg Brittings Vater noch einmal, in den Staatlichen Dienst einzutreten. Kurz nach der Jahrhundertwende kann die Familie Britting deshalb wieder in eine bessere Gegend Regensburg, in die Engelburgergasse an der Oswaldkirche, umziehen. „Dort wohnten wir an die 20 Jahre, noch als ich vom Feld zurückkam.“

Bevor Britting aus dem Haus seiner Eltern auszieht, um an die Hochschule zu gehen und später in den Krieg zu ziehen, verlebt er dort noch eine bewegte Jugend. Brittings ehemaliger Schulfreund Hans Soelch – einer der Buben, mit denen der junge Georg die Kindheit an der Donau teilt – erinnert sich an Streiche mit Britting aus früher Jugend:

Eines Nachts sind wir zur Donau und haben einen angeketteten Rettungskahn ausgehängt. es sollte eine romantische Fahrt werden zur Walhalla und eine Gitarre war mit von der Partie und auch ein paar Mädchen. In Donaustauf ließen wir das Boot einfach abtreiben. Das war aber noch nicht alles, Britting war seiner Zeit schon Mitarbeiter der Regensburger Nachrichten[…]. Als das Verschwinden des besagten Bootes bekannt wurde, schrieb er in dieser Zeitung über eine »lästerliche Tat«, die von frevelhaften Lausbuben vollbracht worden sei, und er lachte sich dabei ins Fäustchen   […]. Der Kahn wurde schließlich in Passau ans Ufer getrieben und per Eisenbahn wieder nach Regensburg gebracht, worauf sich [Georg Britting] nochmals veranlasst sah, über die ruchlose Tat zu berichten, und sein Bedauern darüber auszudrücken, dass man die Frevler nicht geschnappt habe.

Hans Soelch erinnert sich an weitere Lausbubengeschichten, die von verbotenen Theaterbesuchen und geheimen und wohl recht liberalen „Geheimvorlesungen“ handeln, die „damals ein kleiner Kreis in der Wirtschaft Goldenes Rad am Minoritenweg veranstaltete“, wo dann „über Philosophen wie Kant und Nietzsche“ debattiert wird. Sogar eine „Witzuniversität“ sollen sie gegründet haben, die sich nach dem Versammlungsort – der Augustinerbräu Wirtschaft – benannt haben. Es geht ihnen um „die satirische Auseinandersetzung mit der engen provinziellen Umwelt“.

Regensburger Dom: Zeichnung von 1852, Fotografie von Balthasar Hübmaier von 1905

Wie sich schon während Brittings Schulzeit zeigt, scheint Britting ein eher ambivalentes Verhältnis zur Kirche zu haben. Einerseits bekennt er später, dass er in seiner Jugend „viel in der Bibel gelesen“ habe, andererseits bleibt es nicht bei den Späßen im Religionsunterricht. Zusammen mit seinem Schulfreund Hans Soelch begeht er denselben Streich, den er auch in seiner Kurzgeschichte Lästerliche Tat beschreibt.

Hinterm großen Dom ist ein grüner Domgarten, der im Schatten hoher Bäume liegt. Hier steht die kleine Domkapelle, uralt, und der dunkle Eingang düstert unheimlich. Vor dem Goldaltar brennt das ewige Licht, ein winziger Docht in einer mit Öl gefüllten Glasschale schwimmend. Rötlich schimmert das Lichtlein, den Frommen auffordernd zur immerwährenden Anbetung. […] Ich zitterte, ging nahe an das Lämpchen heran, der Docht schwankte vor meinen Augen auf und ab, elfenbeinfarben, wie ein Schiff in einem rötlichen, seltsamen Meer. ich hielt den Atem an, stieß ihn aus und blies das Licht aus. […] Und morgen Nachmittag kam Hans daran, das ewige Licht kirchenschänderisch zu löschen, das jedes Mal, wenn wir wiederkamen, still und rötlich brannte, von dem unermüdlichen Mesner immer wieder neu entzündet. Eine Woche lang trieben wir es so […].

Diese Auflehnung, die Britting schon im Religionsunterricht zeigt, „richtet sich gegen Kirche und Schule, gegen deren gegenseitige Potenzierung als Religionsunterricht, gegen das Organisierte, den Zwang, weniger gegen den Religionslehrer als Person“, befindet Albrecht Weber in seinem Aufsatz Die Literarisierung von Kindheit, Jugend und Schule bei Georg Britting und Hans Carossa (1991). Es geht dem jungen Georg Britting  mithin darum, sich von der Rolle des unmündigen Schülers zu lösen. „Ich bin Atheist, aber selbstverständlich katholisch!“ pflegt Britting in Anlehnung an französischen Historiker André Maurois zu sagen.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Anna Keil

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