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Bertolt Brecht: Trommeln in der Nacht. Drama. München, Drei Masken Verlag, 1922. Exemplar des Theaterkritikers Bernhard Diebold (1886-1945). Privatbesitz.

Barer Straße 37 (Oskar Maria Graf)

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Abb. 12a: Barer Straße 37. Foto: Dirk Heißerer.

Um’s Eck in der Barer Straße 37 erinnert am Haus Nr. 37 eine Gedenktafel [Abb. 12a/b] an den selbsternannten „Provinzschriftsteller“ Oskar Maria Graf (1894-1967) aus Berg am Starnberger See, der hier, wie die Tafel bekundet, „im vormaligen Ateliergebäude“ von 1919 bis 1931 seine Münchner Adresse hatte; an der Stelle des ehemaligen „Ateliergebäudes“ hat heute das Auktionshaus Neumeister seinen Sitz. Mit spürbarem Behagen hat Graf selbst mehrmals, zuletzt im zweiten Teil seiner Autobiographie Gelächter von außen (1966), die Anekdote erzählt, wie er seinerzeit die Uraufführung der Trommeln in der Nacht verhindert habe. Bei seiner ersten Begegnung mit Brecht habe er als Dramaturg einer Arbeiterbühne das Stück, das er noch gar nicht gelesen hatte, mit einem kurzen Blick in den Text einfach abgelehnt. Auf Brechts erstaunte Frage nach dem Grund für die Ablehnung habe Graf zurück gefragt, ob Brecht seine Personen im Stück nicht etwas reduzieren könne. Dem darüber noch erstaunteren Brecht habe Graf dann zu verstehen gegeben, die kleine Bühne biete nur Platz für acht Personen. Mit einem „gefrorenen Lächeln“ habe Brecht daraufhin sein Manuskript wieder an sich genommen und sich verabschiedet.[31] Man geriet sich aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn.

Abb. 12b: Barer Straße 37. Gedenktafel (Toni Preis, 1988) für Oskar Maria Graf (1894-1967). Foto: Dirk Heißerer.

Berühmt geworden ist ein Foto 1943 in einem New Yorker Pub. Graf stemmt ausladend und lachend einen großen Maßkrug, Brecht sitzt verhalten mit einer Zigarre daneben und lässt den Lustanfall seines Kollegen über sich ergehen.[32] Graf hatte im Mai 1933 als einziger deutschsprachiger Schriftsteller mit einer Solidaritätsadresse auf die Bücherverbrennungen der Nazis reagiert. Der Aufruf „Verbrennt mich!“ veranlasste Brecht im Juli 1938 (Graf wurde damals 44 Jahre alt) mit einer seiner Deutschen Satiren, die über einen „deutschen Freiheitssender“ von Spanien aus nach Deutschland gesendet wurden, diesen Aufruf zu würdigen. Das Gedicht „Die Bücherverbrennung“ lautet:

Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen / Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben / Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern / Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte / Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der / Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine / Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch / Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber. / Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich! / Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig. / Habe ich nicht / Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? / Und jetzt / Werd ich von Euch wie ein Lügner behandelt!  Ich befehle Euch: / Verbrennt mich![33]

 


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[31] Oskar Maria Graf: Gelächter von außen. Aus meinem Leben 1918-1933. München 1980, S. 152-154.

[32] Die Abb., die Bollenbeck und Schoeller mit dem Standort Nachlass Oskar Maria Graf, Bayerische Staatsbibliothek München, präsentieren, kann derzeit aufgrund von ungeklärten Urheberrechten nicht präsentiert werden (vgl. Bollenbeck, Georg: Oskar Maria Graf mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 1989 [rowohlts monographien, 337], S. 114; Schoeller, Wilfried F.: Oskar Maria Graf. Odyssee eines Einzelgängers. Texte. Bilder. Dokumente. Frankfurt/M. 1994, S. 354).

[33] GBA (Anm. 1) 12, Gedichte 2, S. 61.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer