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Abb. 3: Waldfriedhof München. Gedenktafel (Joachim Jung, 2002) des Thomas-Mann-Forums München e.V. für das einstige Grab der Familie Mann. Foto: Dirk Heißerer

Julia sen., Carla, Viktor und Nelly Mann (WAT 12-W-20)

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Abb. 4: Waldfriedhof München. Gedenktafel (Joachim Jung, 2002) des Thomas-Mann-Forums München e.V. für das einstige Grab der Familie Mann (Detail). Foto: Dirk Heißerer

Nicht weit entfernt vom Haupteingang des Waldfriedhofs, an der Friedhofsmauer Richtung Norden, hatte die Familie der Senatorenwitwe Julia Mann, geb. da Silva-Bruhns (1851-1923), ihr Grab zwischen 1910 und 1968 (WAT 12-W-20). Sie war die Mutter der Autoren Heinrich (1871-1950) und Thomas Mann (1875-1955). Hier wurden zunächst die Tochter Carla (1881-1910) und 1923 die Mutter bestattet. Der jüngste Sohn Viktor Mann (1890-1949) erinnert sich in seinen Memoiren Wir waren fünf. Bildnis der Familie Mann (1949): „Ein immergrüner Blätterschmuck überrankte den kleinen Hügel und zog sich am schlichten grauen Stein hinauf, der die beiden Namen und Mohnblumen als Symbol des Schlafes trug.“[4] Kurz nach dem Freitod ihrer Tochter Carla am 31. Juli 1910 in Polling bei Weilheim, hatte Julia Mann das Grab auf dem Waldfriedhof am 4. August 1910 für 180 Mark auf die Dauer von 15 Jahren gekauft; das Nutzungsrecht wurde nach ihrem eigenen Tod am 11. März 1923 im Jahr 1925 von ihrem Sohn Thomas um fünf Jahre bis zum 14. März 1930 verlängert.[5]

Die Beisetzung Carla Manns am 2. August 1910 hat eine Spur in Thomas Manns Familien- und Exilroman Doktor Faustus (1947) hinterlassen. In Kapitel XXXV wird Clarissa Rodde, die sich, genauso wie Carla Mann, mit Zyankali das Leben genommen hatte, auf dem Waldfriedhof beigesetzt. Ihre Schwester Ines Institoris (hinter der die Schwester Julia Löhr erkennbar ist, die ebenfalls auf dem Waldfriedhof bestattet ist[6]) nimmt an dem Begräbnis teil. Die „Exequien“ (Abschiedsfeier), heißt es im Bericht des Erzählers, des Gymnasialprofessors Serenus Zeitblom aus Freising,

„(...) fanden statt auf dem Münchener Waldfriedhof unter vollzähliger Beteiligung des Roddeschen Freundeskreises. Auch Rudi Schwerdtfeger, auch Zink und Spengler, sogar Schildknapp fehlten nicht. Die Trauer war aufrichtig, denn alle hatten die arme, schnippische, stolze Clarissa gern gehabt. Ines Institoris, in dichtem Schwarz, nahm an Stelle ihrer Mutter, die sich nicht sehen ließ, das Hälschen schräg vorgestreckt, in zarter Würde die Beileidsbezeugungen entgegen. Ich konnte nicht umhin, in dem tragischen Ausgang des Lebensversuchs ihrer Schwester ein böses Omen für ihr eigenes Geschick zu sehen. Übrigens hatte ich im Gespräch mit ihr eher den Eindruck, daß sie Clarissa beneidete, als daß sie sie betrauerte.“[7]

Die Beerdigung der Mutter Julia Mann im März 1923 erinnert ihr Sohn Viktor:

„Mama wurde auf dem Münchener Waldfriedhof in Carlas Grab beigesetzt. So hatte sie es immer gewollt. Thomas hatte alles besorgt, wie er es auch für Carlas Begängnis getan hatte. Mit Heinrich gingen wir zu dritt hinter dem Sarg her. Julia war noch krank. / Die Beteiligung war groß, und ich sah viele Freunde aus alten Tagen wieder. Es gab zahlreiche Kränze und die Zeitungen erzählten in Lübeck, München, Hamburg und Berlin von Mama.“[8]

Anfang 1949 konnte Viktor Mann gerade noch das Manuskript seiner Erinnerungen Wir waren fünf abschließen, bevor er am 21. April 1949 starb und zwei Tage später hier ebenfalls seine letzte Ruhe fand.[9] Nach dem Tod seiner Witwe Nelly Mann, geb. Kilian (1895-1962), wurde das Grab im Jahr 1983 neu an eine Familie Winkler vergeben.[10] Seit dem 9. November 2003 erinnert eine auf Initiative von Prof. Dr. Dr. Heiner Welter (1948-2018) an der Friedhofsmauer angebrachte Gedenktafel des Thomas-Mann-Forums München e.V. (Gestaltung: Joachim Jung) an die einstige Grabstätte von Julia, Carla, Viktor und Nelly Mann (Abb. 3 und 4). Prof. Welter, langjähriges Mitglied des Forums, hat 2016 einen Roman mit dem Titel Das verschwundene Grab der Manns veröffentlicht (Lindemanns Bibliothek). Sein Grab befindet sich seit dem 24. Mai 2018 gleich neben dem einstigen Grab der Manns und vor der Gedenktafel.[11]

 


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[4] Mann, Viktor. Wir waren fünf. Bildnis der Familie Mann. Konstanz 1949, S. 493.

[5] Vgl. den Kommentar zu Brief 124a in: Pringsheim, Hedwig: Mein Nachrichtendienst. Briefe an Katia Mann 1933-1941. Göttingen 2013, Bd. 1, S. 658.

[6] WAT 173-W-17, vgl. Heißerer 2020 (wie Anm. 3), S. 116f. sowie 187-195.

[7] Mann, Thomas: Große kommentierte Frankfurter Ausgabe (GKFA). Doktor Faustus. Bd. 10.1, S. 558f.

[8] Mann, Viktor 1949 (wie Anm. 4), S. 493.

[9] Vgl. ausführlich dazu den Briefwechsel zwischen Viktor Mann und seinem Verleger Johannes Weyl, hg. von Manfred Bosch unter dem Titel „Sie gehören zum literarischen Familien-Phänomen Mann dazu“ (Konstanz 2020).

[10] Vgl. Pringsheim 2013 (wie Anm. 5), S. 658f.

[11] Vgl. die ausführliche Darstellung in Heißerer 2020 (wie Anm. 3), S. 111-114.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer