Schwabing, Franz-Joseph-Straße 2
Der Hochzeit Thomas Manns und Katia Pringsheims am 11. Februar 1905 folgte erstaunlich pünktlich fast auf den Tag genau nach neun Monaten das erste Kind. Die Geburt Erika Manns am 9. November 1905 in der elterlichen Wohnung Franz-Joseph-Straße 2/III4 war schwer, die Großmutter Hedwig Pringsheim hatte „der grausamen Marter einer sehr schweren Entbindung“5 beigewohnt; und der Vater Thomas Mann war von dem Ereignis „gewaltig durchrüttelt“6 worden. Auch wenn Thomas Mann sich lieber einen Jungen gewünscht hätte, so entwickelte er zu seinem ersten Kind doch auch väterliche Gefühle; Erika Mann erinnert sich darin in einem Radiogespräch mit Roswitha Schmalenbach 1968 noch sehr gut:
Ich erinnere mich an meinen Vater sehr genau zu einem Zeitpunkt, wo ich kaum zwei Jahre alt war. Er bemühte sich damals, mich nicht nur sprechen zu lehren, sondern mich auch unterscheiden zu lehren, und trug mich auf dem Arm herum und führte mich, charakteristischer weise, an einer Reihe von Büchern vorbei und sagte zu mir immer wieder, das ist das grüne Buch, und das ist das rote Buch. Und dann mußte sich wiederholen, grünes Buch und rotes Buch. Also das ist meine erste Kindheitserinnerung an ihn, die mir sehr sehr deutlich geblieben ist, und eigentlich fast immer, wenn ich Bücher sehe, sage ich mir, ist das das grüne oder das rote Buch. Ich erinnere mich natürlich auch, daß sein Schnurrbart, ein viel größerer als er später hatte, er hatte ja einen ‚Es-ist-vollendet‘- oder ‚Es-ist-vollbracht-Schnurrbart‘, daß der gekitzelt hat, wenn er mir einen Kuß gab.7
Fünf Jahre blieb die Familie in der Wohnung Franz-Joseph-Straße 2/III (heute Neubau); in dieser Zeit kamen dort noch die Geschwister Klaus (1906), Golo (1909) und Monika (1910) zur Welt. Außerdem entstand in dieser Wohnung Thomas Manns zweiter Roman Königliche Hoheit (1909). Erika und Klaus sind von Anfang an eng geschwisterlich miteinander verbunden, so dass es schon früh den Anschein hatte, sie seien Zwillinge.8 Aus dem vergeblichen Versuch, den Namen „Klaus“ oder „Klausi“ auszusprechen, entwickelt Erika den Namen „Eissi“9, der dem Bruder als Spitzname ein Leben lang bleiben wird. Auch den Vornamen „Golo“ für den zweiten Bruder erfindet Erika; in Ableitung von „Angelus“ bzw. „Gelus“ nennt sie ihn kurzerhand Golo.10 Am Haus Franz-Joseph-Straße 2 ist seit 2000 ein zweiteiliges Gedenktafelkunstwerk (Künstler: Joachim Jung) aus Glas angebracht. Im Auftrag des Thomas-Mann-Förderkreis München e.V. (seit 2012: Forum) wurde links eine Tafel mit einem historischen Foto des einstigen Gebäudes angebracht; auf der Tafel daneben sind die Köpfe der Eltern Thomas und Katia Mann sowie der vier Kinder Erika, Klaus Golo und Monika Mann zu sehen, die einst hier zur Welt gekommen sind.
Franz-Joseph-Straße 2. Gedenktafelkunstwerk für die Familie Mann (Joachim Jung, 2000). Hier: Porträts der Familie Mann (Thomas, Katia, Erika, Klaus, Golo und Monika) mit Erläuterungstext © Dirk Heißerer
[4] Vgl. Klaus Mann, Kind dieser Zeit, S. 10f..
[5] Hedwig Pringsheim, Tagebuch, München, 9.11.1905, in: dies., Tagebücher, Band 4, 1905-1910, hrsg. und kommentiert von Cristina Herbst, Göttingen 2015, S. 135.
[6] Thomas Mann, Brief an Kurt Martens, München, 1.11.1905, in: ders., Briefe 1889-1936, hrsg. von Erika Mann, Frankfurt a. M. 1962, S. 60.
[7] Erika Mann, „Mein Vater Thomas Mann. Gespräch mit Roswitha Schmalenbach (1969)“, in: dies., Mein Vater, der Zauberer, hrsg. von Irmela von der Lühe und Uwe Naumann, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 11-60, hier S. 11.
[8] Vgl. den Abschnitt „Wie Zwillinge“, in: Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum, hrsg. von Uwe Naumann in Zusammenarbeit mit Astrid Roffmann, Reinbek bei Hamburg 2005, S. 34.
[9] Vgl. Erika Mann, Brief an Frau Gamst, Kilchberg, 8.2.1960, in: dies., Briefe und Antworten, Band II: 1951-1969, hrsg. von Anna Zanco Prestel, München 1985, S. 91.
[10] Vgl. Klaus Mann, Kind dieser Zeit, S. 15.
Der Hochzeit Thomas Manns und Katia Pringsheims am 11. Februar 1905 folgte erstaunlich pünktlich fast auf den Tag genau nach neun Monaten das erste Kind. Die Geburt Erika Manns am 9. November 1905 in der elterlichen Wohnung Franz-Joseph-Straße 2/III4 war schwer, die Großmutter Hedwig Pringsheim hatte „der grausamen Marter einer sehr schweren Entbindung“5 beigewohnt; und der Vater Thomas Mann war von dem Ereignis „gewaltig durchrüttelt“6 worden. Auch wenn Thomas Mann sich lieber einen Jungen gewünscht hätte, so entwickelte er zu seinem ersten Kind doch auch väterliche Gefühle; Erika Mann erinnert sich darin in einem Radiogespräch mit Roswitha Schmalenbach 1968 noch sehr gut:
Ich erinnere mich an meinen Vater sehr genau zu einem Zeitpunkt, wo ich kaum zwei Jahre alt war. Er bemühte sich damals, mich nicht nur sprechen zu lehren, sondern mich auch unterscheiden zu lehren, und trug mich auf dem Arm herum und führte mich, charakteristischer weise, an einer Reihe von Büchern vorbei und sagte zu mir immer wieder, das ist das grüne Buch, und das ist das rote Buch. Und dann mußte sich wiederholen, grünes Buch und rotes Buch. Also das ist meine erste Kindheitserinnerung an ihn, die mir sehr sehr deutlich geblieben ist, und eigentlich fast immer, wenn ich Bücher sehe, sage ich mir, ist das das grüne oder das rote Buch. Ich erinnere mich natürlich auch, daß sein Schnurrbart, ein viel größerer als er später hatte, er hatte ja einen ‚Es-ist-vollendet‘- oder ‚Es-ist-vollbracht-Schnurrbart‘, daß der gekitzelt hat, wenn er mir einen Kuß gab.7
Fünf Jahre blieb die Familie in der Wohnung Franz-Joseph-Straße 2/III (heute Neubau); in dieser Zeit kamen dort noch die Geschwister Klaus (1906), Golo (1909) und Monika (1910) zur Welt. Außerdem entstand in dieser Wohnung Thomas Manns zweiter Roman Königliche Hoheit (1909). Erika und Klaus sind von Anfang an eng geschwisterlich miteinander verbunden, so dass es schon früh den Anschein hatte, sie seien Zwillinge.8 Aus dem vergeblichen Versuch, den Namen „Klaus“ oder „Klausi“ auszusprechen, entwickelt Erika den Namen „Eissi“9, der dem Bruder als Spitzname ein Leben lang bleiben wird. Auch den Vornamen „Golo“ für den zweiten Bruder erfindet Erika; in Ableitung von „Angelus“ bzw. „Gelus“ nennt sie ihn kurzerhand Golo.10 Am Haus Franz-Joseph-Straße 2 ist seit 2000 ein zweiteiliges Gedenktafelkunstwerk (Künstler: Joachim Jung) aus Glas angebracht. Im Auftrag des Thomas-Mann-Förderkreis München e.V. (seit 2012: Forum) wurde links eine Tafel mit einem historischen Foto des einstigen Gebäudes angebracht; auf der Tafel daneben sind die Köpfe der Eltern Thomas und Katia Mann sowie der vier Kinder Erika, Klaus Golo und Monika Mann zu sehen, die einst hier zur Welt gekommen sind.
Franz-Joseph-Straße 2. Gedenktafelkunstwerk für die Familie Mann (Joachim Jung, 2000). Hier: Porträts der Familie Mann (Thomas, Katia, Erika, Klaus, Golo und Monika) mit Erläuterungstext © Dirk Heißerer
[4] Vgl. Klaus Mann, Kind dieser Zeit, S. 10f..
[5] Hedwig Pringsheim, Tagebuch, München, 9.11.1905, in: dies., Tagebücher, Band 4, 1905-1910, hrsg. und kommentiert von Cristina Herbst, Göttingen 2015, S. 135.
[6] Thomas Mann, Brief an Kurt Martens, München, 1.11.1905, in: ders., Briefe 1889-1936, hrsg. von Erika Mann, Frankfurt a. M. 1962, S. 60.
[7] Erika Mann, „Mein Vater Thomas Mann. Gespräch mit Roswitha Schmalenbach (1969)“, in: dies., Mein Vater, der Zauberer, hrsg. von Irmela von der Lühe und Uwe Naumann, Reinbek bei Hamburg 1996, S. 11-60, hier S. 11.
[8] Vgl. den Abschnitt „Wie Zwillinge“, in: Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum, hrsg. von Uwe Naumann in Zusammenarbeit mit Astrid Roffmann, Reinbek bei Hamburg 2005, S. 34.
[9] Vgl. Erika Mann, Brief an Frau Gamst, Kilchberg, 8.2.1960, in: dies., Briefe und Antworten, Band II: 1951-1969, hrsg. von Anna Zanco Prestel, München 1985, S. 91.
[10] Vgl. Klaus Mann, Kind dieser Zeit, S. 15.

