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17.04.2013, 11:27 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [130]: Erneut kreuzen sich die Wege, Zeiten und Namen

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Jean Paul war und ist in P. (zumindest in einem wohlsortierten, gebildeten Bücherhaushalt) [Alle Fotos: Frank Piontek, 15./16.4. 2013]

Als ich in Nürnberg bin, treffe ich wieder auf Herrn Siebenkäs, der an St. Lorenz Organist war.

Wie bitte (höre ich den Leser fragen): Der Armenadvokat Firmian Stanislaus Siebenkäs diente als Organist an der Lorenzkirche?!? Nein, sagt der Musikliebhaber und -kenner, der Musiker Johann Siebenkäs saß hier im 18. Jahrhundert auf der Orgelbank. Ich entdecke die Information – wieder – in dem guten Buch, das Hermann Harrassowitz einst über die Orgeln und die Organisten der schönen Kirche schrieb. Eine alte Schallplatte, eingespielt von Harrassowitz[1], enthält noch Siebenkäsens Menuett für Orgel. Verdienstvoll – so nennt man das. Als Jean Paul seinen Armenadvokaten erfand, musste er den Namen nicht aus dem Nichts holen – er lag ihm im Fränkischen vor; Johann Siebenkäs hatte erst 1781 das Zeitliche gesegnet.

Hier wirkte er: Siebenkäs, ein Nürnberger Musiker an St. Lorenz.

Richard Wagner – der andere Bayreuther – kannte auch den Herrn Johann W. Siebenkäs, weil dieser dessen Huldigungs-Marsch dirigiert hatte. Am 6. Oktober 1864 schrieb er ihm einen Dankesbrief. Ich sehe ihn in der schönen Ausstellung, die die Bayerische Staatsbibliothek an den Münchner Aufenthalt Richard Wagners in den Jahren 1864/65 ausgerichtet hat: „Nehmen Sie“, schreibt der Meister, „meinen aufrichtigen und herzlichen Dank für die ganz vortreffliche Aufführung meines Musikstückes, welches unter Ihrer präcisen und vollkommen entsprechenden Leistung“ uswusw.

Johann Siebenkäs traf Richard Wagner? Natürlich – aber er war kein Gespenst. Johann Wilhelm Siebenkäs, so hieß der Musikmeister des königlichen Infanterie-Leibregiments, das an einem üblen Herbsttag des Jahres 1864 im Hofgarten der Residenz stand, um dem an einem Fenster der Residenz stehenden König Ludwig II. Wagners Huldigungsmusik darzubringen.

Wagners einziger Brief an Siebenkäs, noch zu sehen in der Wagner-Ausstellung der Staatsbibliothek.

So kreuzen sich die Zeiten und Namen: zwischen Jean Paul und Wagner, diesem und jenem – und jenem – Siebenkäs, zwischen Bayreuth, Kuhschnappel, München und – jener kleinen Stadt, die kurz vor München liegt, und an der der Reisende, nähert er sich der Landeshauptstadt (in der dieser Blog von einer tapferen Bearbeitungs- und Ausbesserungsschusterin ins Netz gestellt wird) mit dem RE oder IRE, aussteigen kann. Ich entsinne mich dunkel, kürzlich gelesen zu haben, dass Jean Paul auch hier durchkam und die Gegend kurz erwähnte, als er 1820 in München war. Man kann ihm auch hier nicht entkommen (ebenso wenig, denkt der Reisende in P., wie man sich selbst entkommen kann): in meinem Schlaf- und Gästezimmer entdecke ich ihn, dicht neben Luther, wo er vielleicht hingehört, wenn man an das Wort von Ferdinand Grimm denkt: „Ein wenig von Luther hat er“ – und er meinte das Äußere.

Jean Paul ist ein Mann zum Vergnügen, fürwahr – auch und gerade auf der Reise, wo man, wie Thomas Mann mal über den anderen Bayreuther sagte, den „Beziehungszauber“ fleißig walten sehen kann.

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[1] Ich glaube, dass ich den Nürnberger Kirchenmusiker 1983 in der Pegnitzstadt selbst erlebt habe, als er anlässlich des Lutherjubiläums in „seiner“ Kirche eine Art öffentliche Probe abhielt. Auch dies war unvergesslich.

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