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11.04.2013, 12:26 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [125]: Ein Drahtgestell soll glasiert und rasiert werden

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Er schrieb mit den „Physiognomischen Reisen“ einen satirischen Anti-Lavater[1]: Johann Karl August Musäus, auch ein Kenner des pferdischen Spondäengangs

„Jean Paul“ ist in seine Klavierschülerin Beata verliebt, das ist klar. Er wäre gern der Schwiegersohn Herrn Röpers – nicht wegen Herrn Röper, sondern um so selber zum „Held dieser Lebensbeschreibung“ zu werden. Der Kommentar weist Jean Paul hier einen kleinen Fehler nach: spricht er von seiner „lang- und kurzbeinigen oder spondäischen Stellage und Konsole“, hätte er statt „spondäisch“ das trochäische Versmaß nennen müssen. Er wäre auf diesen Fehler verfallen, weil Musäus – genau: Johann Karl August Musäus, der Autor der Kunstmärchen, der Erzähler des Rübezahl – in seinen Physiognomischen Reisen wiederholt vom Spondäengang eines Pferdes schrieb.

So erfahren wir sogar über die Fehlerkorrektur etwas über Jean Pauls Quellen. Vielleicht ist es wichtiger, dass „Jean Paul“, der wie Jean Paul in Beata verliebt ist, hier vom Geschlecht redet, das „mehr schön als schwach“ sei. Das ist eine klare Setzung, die für Jean Pauls fortschrittliches Frauenbild in die Diskussion eingebracht werden könnte. Unklarer ist dann wieder die Definition jenes „unsymmetrischen Drahtgestells“, mit dem er in den trochäischen Gang gerät: „das doch der, den sein Unglück darauf geheftet, durch tausend Glasuren und Rasuren wieder gutmachen will“.

Ein Drahtgestell soll glasiert und rasiert werden? Das verstehe, wer will – mir bleibt nur der schöne Ausklang des Kapitels. Man lese die letzte Seite dieses Sektors, nehme wahr, wie der Autor hier auf- und in die Stube eintritt, der Autor, der zugleich der Erzähler ist und nicht ist, und der doch so lebendig erscheint wie nur irgend ein Ding, das nicht glasiert werden muss, aber rasiert werden kann, und dann freue man sich über die letzten Zeilen, einschließlich der drei Schlusspünktchen: Jetzt aber hab' ich alles losgezündet – Es muss nun überhaupt ein neuer Sektor angefangen werden, worin mehr Vernunft ist...“

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[1] Johann Caspar Lavater: Auch er war einmal in Bayreuth – allerdings zu einer Zeit, als Jean Paul noch weit davon entfernt war, sich hier anzusiedeln. „Jean Paul und Lavater“ – dies könnte allerdings ein eigener Sektor werden.