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07.07.2020, 13:55 Uhr
Klaus Hübner
Text & Debatte
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© Francis Koenig

Otfried Preußler im Mühlthal

Die 138. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmete sich dem Schwerpunktthema Ankommen. Klaus Hübner berichtet darin über eine eindrucksvolle Lesung aus Krabat von Otfried Preußler.

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Eigentlich waren wir gut in der Zeit, auf unserem Weg ins Mühltal. Doch plötzlich, oh weh, kam diese nicht enden wollende Stadt daher, die seit Herbert Rosendorfer als »Gau-Ting« bekannt ist. Von Gau-Ting-Nord bis Gau­Ting-Süd dauerte es eine kleine Ewigkeit. Bei 31 Grad im Schatten. Gute Nerven waren gefragt. Endlich. Elisabeth Carr stand einfach da und lächelte uns auf ihre unnachahmliche Art an, ach, dieses Strahlen und Augenblitzen zur Begrüßung ... Angekommen - im Raum der Kunst!

Im Mühlthal bei Starnberg gab es, nomen est omen, einige Mühlen, darunter eine, deren einst für die Trinkwasserversorgung der Gegend wichtiges Pumpwerk heute als Industriedenkmal firmiert. Mit einer Exklusivbesichtigung samt sachkundiger Führung durchs Areal begann die Exkursion, dann schnappte sich jeder einen kartonartigen Sitzwürfel, und ab ging's in einen düsteren Raum direkt über den kühlenden Wassern der Würm, in dem uns eine schwarz gekleidete Person von fast schon rabenartigem Äußeren erwartete. Das war Laura Maire, Schauspielerin und Sprecherin beim BR. Sie trug eine knappe, unvergessliche Stunde lang vor aus einem Buch, das als »unheimlicher Roman mit gutem Ende« angekündigt war und in dem Rabenvögel eine nicht unwesentliche Rolle spielen: Krabat von Otfried Preußler (1923-2013). Zehn Jahre hat es angeblich gedauert, bis der damals schon berühmte Kinderbuchautor aus dem sorbischen Sagenkreis um Mišter Krabat seinen ganz eigenständigen, sich von anderen Versionen dieser Geschichte deutlich unterscheidenden Roman erarbeitet hatte. 1971 ist er erstmals erschienen, und bis heute wird er immer wieder neu aufgelegt.

Es würde zu weit führen, die Geschichte des Betteljungen Krabat, der durch einen Traum in den Bannkreis einer in der ganzen Lausitz berüchtigten Mühle gelangt, wo zwölf Gesellen und ein »Gevatter« genannter böser Meister hausen, hier im Detail wiederzugeben. Neben ihrer schweren Arbeit jedenfalls erhalten der Lehrling und die Gesellen in der »schwarzen Kammer« auch Unterricht aus einem Zauberbuch. Düster, mysteriös und gruselig geht es zu in dieser Mühle. Jedes Jahr muss einer der Knappen sterben, damit der Gevatter sein eigenes Leben um ein Jahr verlängern kann. Seine diktatorische Macht ist nur zu brechen, wenn ein Mädchen einen Knappen liebt und ihn in einer schwierigen, das eigene Leben gefährdenden Probe identifizieren kann. Rabenkrächzen und Drudenfuß, Tod und Teufel - schauderlich! Alles geht gut aus, und dafür sei auch Gott gedankt - der Resonanzraum des Katholischen spielt bei Preußler eine große, noch nicht genügend beachtete Rolle.

Mit seinen Kinderbüchern - jeder kennt Die kleine Hexe (1957), den Räuber Hotzenplotz (1962) oder Das kleine Gespenst (1966) - verbindet Krabat, so sagt es das weltberühmte, von Klaus Doderer herausgegebene Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, »das Wissen um die Bedrängnis des Menschen durch Isolation und Angst, aber auch die Überwindung dieser Angst«. Das spürten wir auch im Mühltal, dank der wunderbar variantenreichen Stimme von Laura Maire und des Preußlers Roman kongenial entsprechenden Veranstaltungsorts.

»KunstRäume am See« heißt Elisabeth Carrs nicht genug zu rühmende, das Fünf-Seen-Land südlich von München bespielende Kulturinitiative, die immer wieder mit einer Kulturzeitschrift kooperiert, die die Kinder- und Jugendliteratur fest im Auge hat: Literatur in Bayern!