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27.05.2013, 10:29 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [164]: Martredwitzer Reiseanzeiger

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Ansicht von (Markt) Redwitz aus der späten Jean-Paul-Zeit (gefunden im schönen Marktredwitzer Goetheraum).

Hat Jean Paul jemals irgendwo Marktredwitz erwähnt? Oder Redwitz, wie der Ort früher hieß? Auf jeden Fall liegt der schöne Fleck unweit der Geburtsstadt – auf den ersten Blick macht er einen wesentlich lebendigeren Eindruck auf den Reisenden, der sich zu dem Ort begibt, wo der Verfasser der Unsichtbaren Loge das Licht der Welt blickte – und der Autor der Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei.

Der blätterreiche Chorraum und der Evangelist Johannes an der Renaissancekanzel der Bartholomäuskirche

Um den toten Christus zu finden, muss man nicht eigens in die Joditzer Kirche gehen, wo einem der Auferstandene gezeigt wird, den der junge Jean Paul oft im Blick hatte. Man findet ihn auch in der schönen Bartholomäuskirche, deren gotischer Chor in diesen trübgrauen Tagen in wunderbarem Grün erscheint. Inmitten des Grüns aber hängt Christus am Kreuz. Ich sehe ihn noch häufiger in dieser Kirche, die ein bisschen größer ist als eine Gottesackerkirche. Neben dem Kanzelfuß befindet sich das „wertvollste Stück der Marktredwitzer Kirchenmalerei“, wie es im Kirchenführer heißt: eine Zeichnung, datiert auf 1475, die die Augenblicke nach der Kreuzabnahme zeigt. Klar ist: Er ist nicht – oder anders: Er war (immerhin) einmal. Der thronende Christus über dem Chorbogen relativiert diese Aussage nicht, denn wo der Glaube herrscht, kann keine Gewissheit sein – höchstens die Gewissheit, dass Jean Paul seine atheistische Vision – die er im Siebenkäs in ein sanftes Glaubensbekenntnis einbettete – gegen die Bilder der Jugendkirchen in Anschlag brachte: Er, Johannes, der Verkünder von Glaubenssätzen, die auch aus der Welt der Dorf- und Landkirchen heraus wuchsen.

Denn er ist nicht!

 

Komischer Anhang

Im Café PerLplex – einem angenehm anderen Café am Rande der Altstadt – spreche ich mit der freundlichen Chefin, Alexandra Nirsberger. Nein, sagt sie, sie könne den Namen „Jean Paul“ schon kaum mehr hören, er stünde ja jeden zweiten Tag in der Zeitung. Richtig – weil man 2013 das konzentriert nachholt, was man jahrelang vergessen hat. Im Übrigen ist's sehr schön im Café (Glasperlenwerkstatt, Kaffee, Leckereien & schöne Dinge). Das Ganze macht einen sehr lebendigen Eindruck; ob er sich in der Geburtsstadt Wunsiedel fortsetzt, wird man sehen. Vorderhand scheint es, als sei der Ort, an den nichts oder wenigstens nichts direkt an Jean Paul zu erinnern scheint, der lebendigere zu sein.