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13.01.2013, 12:49 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [68]: Die Sehnsucht nach dem Ort, an dem der „Verstand zu Narrheit sublimiert“

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Ist es ein Tisch, ist es ein Klavier? „Ein Tafelklavier, ein Tafelklavier“! – hätte Loriots Helga ausgerufen. Dieses Instrument entstand etwa in jenem Jahr, in dem Jean Paul vom Münchner Hochadel – der König und der Königin nämlich – empfangen wurde.

Karamsin verfocht eine Literatur der moralischen Werte – der Erzähler, das „Einbein“, weiß gleichfalls, dass „die geforderten Vorzüge“ der „feinen Gesellschaft“ nicht identisch sind mit den Vorzügen eines Menschen, der weniger gern „Weltmann“ als der Pädagoge eines „Himmel-Kindes“ namens Gustav ist. Gewiss: Jean Paul, der immer eine sehr bestimmte Affinität zum Adel hatte, verkennt – als Mensch und als Erzähler – keinesfalls, dass „manche Brust am Hofe unter der stummen Holzplatte ein holdes Saitenspiel verbirgt“; das Gleichnis liefert ihm (wieder) das Spiel, das wir schon kennen: das L'Hombre, auch das Klavierspiel. Er kennt jene Tafelklaviere, deren Tastaturen und Saitenwerke unter Tischplatten verborgen sind – aber die ihm gemäße Geistesform ist doch die des aufrechten, geistig beseelten Republikaners, der seinen Hauptblick nicht auf den ephemeren Hof, sondern auf die „unendliche Welt hinter dem Grabe“ richtet. Der Hof ist ihm letzten Endes ein Tummelplatz des Unsinns, an dem der Denker sein eigenes Denken und seine Identität aufgibt: ein Ort, an dem der „Verstand zu Narrheit sublimiert“, an dem die „Wahrheit zu Einfällen“ und „alle Kraftgefühle zu pantomimischen Nachäffungen“ werden. Und doch suchte noch der reife Jean Paul immer wieder die Nähe der Höfe; er ist, glaube ich, im Jahre 1820 gern zu seinem König in die Stadt gefahren, in dem dieses Literaturportal gestaltet wird.