Info
Geb.: 26. 3.1977 in Immenstadt i.Allgäu
Gest.: 16.1.2017 in Immenstadt i.Allgäu
© privat
Namensvarianten: Uli Gast
Wirkungsorte:
Blaichach
Bad Hindelang
Sonthofen

Ulrich Gast

Ulrich Gast – er nennt sich später bevorzugt Uli – wird 1977 in Immenstadt im Allgäu geboren und wächst als ältester Sohn im elterlichen Bäckerhandwerksbetrieb in Blaichach auf. Sein Leben hätte unbeschwerter ver­laufen können, wäre er nicht mit einer angeborenen Sehschwäche zur Welt ge­kommen, die jahrelang unentdeckt bleibt, ihn jedoch in all seinen Tätigkeiten stark beeinträchtigt. Diese körperliche Beein­trächtigung ist vermutlich auch ein Grund dafür, dass er die Musik und Poesie für sich entdeckt. Ihnen wendet er sich nach seiner abgeschlossenen Aus­bildung zum Bäcker zunehmend zu, um seine Gefühle zu verarbeiten und ihnen Ausdruck zu verleihen.

Schon als Kind steht Uli Gast gern auf der Bühne und unterhält andere; am liebsten würde er Radio­sprecher oder Schauspieler werden. So lernt er die Schauspielerin und Marienhof-Darstellerin Viktoria Brams kennen, zu der er jahre­­­lang Kontakt hält. Ab 1999 schreibt Uli Gast Lyrik und veröffentlicht diese auf der 2011 er­stellten Facebook-Seite Ulis literarische Welt. Sein im Jahr 2000 verfasstes Drehbuch für die Bad Hindelanger Stall­weihnacht unter der Leitung von Brigitte Weber wird ein großer Erfolg. In der Sonthofer Kultur­werk­statt lernt er Menschen kennen, die seine künstlerischen Vorlieben teilen, dort findet er Austausch und Anregung. Ab 2014 tritt er verstärkt in der Öffentlich­keit auf, beispiels­weise im Rahmen der Poetry-Konzerte „Seite an Saite“ mit der Musikerin Eva Schneider, geborene Hanel, und mit der Schauspielerin und Autorin Eva Schroer bei gemeinsamen Projekten in der Sont­hofer Kultur­werkstatt. Uli Gasts originelle Hommage an die Lieblingsspeise der Allgäuer, der „Kässpatzen­song“, wird vom Berufsmusiker Tim Hecking vertont.

In seinen Gedichten „Zünde eine Kerze an...“ und „Herzensangelegenheiten“ zeigt sich Uli Gast von seiner nachdenklichen, in „Kuh-Chor“ und „grundlos vergnügt“ von seiner eher humorvollen Seite. Im Gedicht „Freunde sein“ wird seine Verletzlichkeit deutlich und aus den Gedichten „Tapetenwechsel“ und „Das letzte Gedicht“ spricht sein starkes Bedürfnis, sich über seine Lyrik auszudrücken. Durch die Kontakte seiner Mutter zu Demenz­begleitern beschäftigt er sich mit dieser Thematik. Sein hieraus entstandenes Gedicht „Demenz“ wird von Hubert Donhauser in das Buch Demenz: Seltsam im Nebel zu wandern (2013) aufgenommen.

Demenz...

Es ist bitter, wenn ein Mensch bekennt,
Ja es stimmt, ich bin dement.

Ich vergesse mehr und mehr,
die Akzeptanz fällt mir noch schwer.

Ich versuche zu verbergen,
dass die Probleme größer werden.

Mein Gehirn bekommt nun weiße Flecken,
erst war es gar nicht zu entdecken.

Die Krankheit schlich sich langsam ein,
ich leugnete, es darf nicht sein.

Doch langsam schwindet er, mein Geist,
in meinem Kopf die Frage kreist,
was gab es denn zum Mittagessen?
Ich weiß es nicht, ich hab’s vergessen.

Und ich frage, frage, frage,
Minuten, Stunden und auch Tage,
weil ich mich nicht erinnern kann.

Die Verständigung ist stark verschärft,
weil dich die Fragerei schon nervt.

Doch der Mensch, der ich einst bin gewesen,
ist fort und wird auch nicht genesen.

Ich kann nicht auf dich verzichten,
bei Taten, Worten oder Pflichten.

Vergib mir, dass ich nun so bin,
verzeih die Taten ohne Sinn.

Entschuldige, dass mein Verbleib auf Erden,
für dich nun zur Belastung werden.

Ich schäme mich, weil’s jeder sieht
Und hoff‘ du hast mich trotzdem lieb.

Schließlich entdeckt Uli Gast das Slammen für sich. Regelmäßig trägt er, der sich selbst als Weltver­besserer, Herz-Poeten und Bühnenpoeten bezeichnet, seine Texte bei Poetry-Slam-Veranstal­tungen im Oberallgäuer Raum vor. 2016 nimmt er an verschiedenen Poetry Slams teil, so in Immenstadt im Rahmen des 1. Allgäuer Literaturfestivals, moderiert von Alex Burkhard, und in Kempten beim SlamBonunum im Künstlerhaus. Der Oberstdorfer Poetry Slam, der alljährlich im Rahmen der Klein­kunst­tage stattfindet, geht auf Uli Gasts Initiative zurück. Am 26. November 2016 ist er zu Gast beim Schwäbi­schen Schulentwicklungstag in Friedberg und trägt dort sein Gedicht „Bildung“ vor.

Am 2. Januar 2017 postet Uli Gast auf seiner Facebook-Seite Theodor Fontanes Gedicht „Und wie­der hier draußen“. Es wirkt wie eine Vorahnung auf die dramatischen Geschehnisse der folgenden Tage.

Und wieder hier draußen ein neues Jahr –
Was werden die Tage bringen?!
Wird’s werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?

Wird’s fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was es im Kessel braut,
Nur wünsch‘ ich nicht zu sterben.

Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.

Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile.
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat‘s nimmer Not noch Eile.

Ich möchte leben, bis all dies Glühn
Rücklässt einen leuchtenden Funken
Und nicht vergeht wie die Flamm‘ im Kamin,
Die eben zu Asche gesunken.

Uli Gast ist noch für den SlamBodunum Kempten am 28. Januar 2017 angemeldet, doch diesen Poetry Slam erlebt er nicht mehr. Er stirbt am 16. Januar 2017, zwei Monate vor seinem 40. Geburts­tag, unerwartet nach einer starken Lungenentzündung an einer Lungenembolie.

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.


Externe Links:

Literatur von Ulrich Gast im BVB

Gedichteauswahl Ulrich Gast

Kässpatzensong (Text: Uli Gast, Musik: Tim Hecking)

Zünde eine Kerze an (Text: Uli Gast, Sprecher: Uli Gast)