Info
Geb.: 28. 2.1913 in Kleinsanktpeter (Totina)/ Banat (Rumänien)
Gest.: 18.12.2009 in Berlin
Hans Kehrer / Stefan Heinz als „Vetter Matz vun Hopsenitz“ © Archiv Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V.
Namensvarianten: Stefan Heinz (Geburtsname), Stefan Heinz-Kehrer (ab 1980), Vetter Matz vun Hopsenitz (Künstlername)
Wirkungsorte:
Altusried

Hans Kehrer

Der Bauernsohn Stefan Heinz wird am 1913 in Kleinsanktpeter (Totina) im heutigen Rumänien geboren. Er gehört zur Volksgruppe der Banater Schwaben, besucht das Realgymnasium in Temeswar (rumän. Timișoara) und anschließend die dortige Katholische Deutsche Lehrerbildungs­anstalt an der Banatia, der damals größten deutschen Bildungs- und Erziehungsstätte im Südosten Europas. Von 1932 bis 1952 arbeitet er mit mehreren Unterbrechungen als Lehrer. Nach dem Eintritt Rumäniens in den Zweiten Weltkrieg wird er zum Militärdienst einberufen, den er zwei Jahre in der rumänischen Armee an der Ostfront ableistet. 1943 übernimmt er das Amt des Schulinspektors für die Volksschulen der Deutschen in Rumänien. Nach dem Seitenwechsel Rumäniens zu den Alliierten und dem Einmarsch der Roten Armee im Banat Ende 1944 kann er sich der drohenden Deportation nach Russland entziehen. In den Jahren 1945 bis 1947 ist Stefan Heinz ohne feste Anstellung und ver­dient seinen Unterhalt als Tagelöhner, Privatlehrer, Organist und Leineweber, bis er ab 1947 wieder als Lehrer an einer konfessionellen deutschen Schule unterrichten kann.

Seine ersten literarischen Veröffentlichungen sind Märchen, die in den Banater Monatsheften publiziert werden. Daneben schreibt Hans Kehrer Gedichte, Erzählungen und viele Einakter für Laienbühnen. Seine humoristische Mundartliteratur veröffentlicht er in der Neuen Banater Zeitung und in Büchern. Für seine Publikationen wählt er ab 1950 das Pseudonym Hans Kehrer, den Namen seines Großvaters mütterlicherseits. Seine nach 1980 in Deutschland erschienenen Bücher ver­öffentlicht er unter dem Namen Stefan Heinz-Kehrer.

Als 1953 das Deutsche Staatstheater Temeswar gegründet wird, wechselt er vom Lehramt zur Bühne, wo er als Schauspieler und Autor wirkt und mit dem aus Siebenbürgen stammenden Regisseur Hanns Schuschnig zusammenarbeitet. Durch die Figur des „Vetter Matz vun Hopsenitz“ erreicht Hans Kehrer große Popularität. Vetter Matz verkörpert einen etwas altmodischen, aber pfiffigen, selbst­bewussten donauschwä­bischen Bauern aus einem kleinen Banater Dorf.

Mehrere von Kehrers Theater­stücken werden vom Deutschen Staats­theater Temeswar mit Erfolg aufgeführt, darunter seine Dramatisierung des Romans Meister Jakob und seine Kinder von Adam Müller-Guttenbrunn und Narrenbrot (1974), das erste rumäniendeutsche Bühnenstück, das sich mit dem Einfluss der Nationalsozialisten auf die deutsche Bevölkerung in Rumänien befasst, und das in der Folgezeit durchaus kontrovers diskutiert wird. In einem Interview erklärt Kehrer:

Man muss zugeben, dass manche, die diese Zeit miterlebt und durchlitten haben, dazu neigen, ihre schmerzlichen Erinnerungen zu verdrängen. Sie fragen, wozu das Ganze nach 30 Jahren noch einmal wachrütteln? Ich antworte: Es muss doch nach 30 Jahren möglich sein, unsere eigene Vergangenheit mit ihren Irrtümern literarisch-künstlerisch darzustellen. Ist daraus nichts zu lernen? Oder hat es vielleicht gar keine gegeben? Das Stück will ein Beitrag sein, diese Zeit auch innerlich zu überwinden.

(Aus: „Ein Stück, das uns fehlte ...“. In: Blickpunkt Banat [2013], S. 375.)

Kehrer thematisiert mit Narrenbrot nicht nur Verfehlungen seiner Landsleute; er erinnert mit seinen beiden Theaterstücken Die Namenlosen im Viehwaggon 21 (1977) und dem in Mundart geschrie­benen Zwei Schwestern – Eine schwäbische Passion in zwei Teilen (1980) auch an die Leidensge­schichte der deutschen Volksgruppen in Rumänien, wodurch er mit Partei und Regierung aneckt. 1980 verlässt er schließlich seine Heimat; nach einem Besuch ihres in Bielefeld lebenden Sohnes bleiben er und seine Frau in der Bundesrepublik.

Hans Kehrer bei den Freilichtspielen Altusried 1999 – vor der Premiere seines Stücks Anno 1525 - Bauernkrieg im Allgäu (v.l.n.r.: Peter Müller, Ingrid Müller, Hans Kehrer) © Ingrid Müller

1982 besucht Kehrer auf Einladung seines alten Freunds Hanns Schuschnig die Aufführung von Wilhelm Tell auf der Allgäuer Freilichtbühne in Altusried. Schuschnig ist in Altusried als Spielleiter tätig und bittet ihn, für die Freilichtbühne ein Stück über den Allgäuer Bauernkrieg zu verfassen. Ein Jahr lang studiert Kehrer geschichtliche Quellen und Chroniken und schreibt das historische Schauspiel Anno 1525 – Bauernkrieg im Allgäu, das 1986 in seiner Anwesenheit erfolgreich uraufgeführt wird. Etwa 50.000 Menschen kommen zu den Aufführungen. 1999 ist Kehrers Stück über den Bauernkrieg im Allgäu in überarbeiteter Form erneut auf der Freilichtbühne zu sehen; der 86-jährige Hans Kehrer ist bei der Premiere anwesend. Und wieder ist es ein großer Erfolg: 70.000 Zuschauer besuchen von Anfang Juli bis Ende August 1999 die insgesamt 28 Aufführungen. Hans Kehrer ist auch Regisseur der Mundartbühne Würzburg, die Gastspiele in Deutschland, Rumänien, USA und Brasilien unternimmt.

Hans Kehrer engagiert sich ein Leben lang für die Erhaltung und Pflege der Kultur der Banater Schwaben, hält Referate bei der Landsmannschaft und gestaltet kulturelle Veranstaltungen mit. Wilhelm Buschs Bildergeschichte Max und Moritz überträgt er in banatschwäbische Mundart. Auch noch im hohen Alter tritt er mit Märchen und klassischen Balladen oder als Vetter Matz vors Publikum. 2001 erscheint seine Biographie Stefan Heinz-Kehrer: Im Zangengriff der Zeit. Ein langes Leben in kurzen Geschichten und 2003 legt er seinen Lyrikband Stationen eines Lebens mit Gedichten aus sechseinhalb Jahrzehnten vor, darunter die Mundarttexte „Mei Vatterschhaus“, „Was is geblieb?“ und „Mir Schwowe“.

Für seine literarische und kulturelle Arbeit im Dienste seiner Landsleute in der alten und neuen Heimat wird ihm am 26. Juli 2001 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. 2009 stirbt Hans Kehrer im Alter von 96 Jahren in Berlin. Die Bedeutung des Theatermanns und Schriftstellers Stefan Heinz alias Hans Kehrer alias Stefan Heinz-Kehrer für die rumäniendeutsche Literatur und Kultur wird in Walter Engels Band Blickpunkt Banat (2013) in mehreren Beiträgen gewürdigt.

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.

Sekundärliteratur:

Das Theater als identitätsstiftende Anstalt. Zum Werdegang des Theatermanns Stefan Heinz-Kehrer (2013-2009). In: Engel, Walter (2013): Blickpunkt Banat. Beiträge zur rumäniendeutschen Literatur und Kultur. Studien – Aufsätze – Rezensionen 1968-2012, S. 317-321.

„Ein Stück, das uns fehlte ...“. Gespräch mit Hans Kehrer (2013-2009) über sein Schauspiel Narrenbrot (1974). In: Engel, Walter (2013): Blickpunkt Banat, S. 374-375.

Warum Vetter Matz? Theaterspielen – nicht die schlechteste Aufgabe. Gespräch mit Hans Kehrer (1970). In: Engel, Walter (2013): Blickpunkt Banat, S. 411-413.

Rez.: Lyrische Bekenntnisse mit historischem Bezug. Hans Kehrer; Stefan Heinz: „Stationen eines Lebens." Ausgewählte Gedichte. In: Engel, Walter (2013), S. 447-449.

Theaterrez.: Drama einer Frau – Bild einer Gemeinschaft. Uraufführung von Hans Kehrers Dramatisierung des Guttenbrunn-Romans Meister Jakob und seine Kinder in Temeswar. In: Engel, Walter (2013), S. 534-540.


Externe Links:

Zur Homepage des Autors

Literatur von Hans Kehrer im BVB

Hans Kehrer bei der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen

Eintrag beim Deutschen Staatstheater Temeswar

Nachruf von Hanns Schuschnig

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