Info
Geb.: 1. 8.1927 in Kaufbeuren
Gest.: 3. 8.1987 in München
© privat (Familie Feldweg)

Rudolf Riedler

Der aus Kaufbeuren stammende Wahlmünchner Rudolf Riedler, geboren 1927, prägt das literarische Leben als Journalist, Hörfunkredakteur, Literaturvermittler, Herausgeber, Erzähler und Lyriker. In sein schriftstellerisches Werk fließen die Eindrücke seiner zahlreichen Reisen ein. 1987 stirbt er im Alter von 60 Jahren in München.

Werdegang

Rudolf Riedler wird 1927 als erstes Kind eines Kaufbeurer Sparkassenleiters und seiner aus Kaufbeuren stammenden Frau geboren. Mit drei Jahren wird er Halbwaise, sein Vater verunglückt tödlich bei einer Hochgebirgstour am Piz Buin. Drei Monate später wird seine Schwester Elisabeth (Rufname Lisl) geboren. Die Mutter zieht mit ihren beiden kleinen Kindern zurück in ihr Elternhaus. Riedler wächst in einem von weiblichen Bezugspersonen geprägten Umfeld auf. Dazu gehören seine Mutter, die tatkräftige Großmutter und Tante Elsa, die unverheiratete und berufstätige Schwester der Mutter, die eine Art Vaterrolle für die Kinder einnimmt. Trotz der schwierigen Umstände erlebt Riedler eine behütete Kindheit. Er besucht das Gymnasium (damals Aufbauschule) in der Prinzregentenstraße, während seine Schwester auf dem Berg bei den Franziskanerinnen unterrichtet wird.

Beide Kinder erhalten privaten Klavierunterricht. Früh zeigt sich Riedlers musikalische Begabung; er wird Schüler am Leopold-Mozart-Konservatorium in Augsburg, wo er mit 17 Jahren die Reifeprüfung für Klavier mit Auszeichnung ablegt. In den letzten Kriegsmonaten wird Riedler noch eingezogen, kommt zum Arbeitsdienst und als Soldat zu den Gebirgsjägern in Mittenwald. Nach Kriegsende und Wiederöffnung der Schulen kann Riedler seine Schullaufbahn fortsetzen. Sein Organisations- und Improvisationstalent sorgt für Lichtblicke in der von Mangel geprägten Schulzeit, Riedler macht Theaterfahrten nach Augsburg möglich und findet einen pensionierten Studienrat, der ihm und seinen Mitschülern Französischunterricht erteilt. 1947 legt er die Abiturprüfung ab.

Es folgt ein breit angelegtes Studium – Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte, Psychologie, Publizistik und Volkskunde – in Bamberg und später in München. 1952 wird er mit einer Dissertation über den Journalismus im Rundfunk zum Dr. phil. promoviert. Mit seiner ebenfalls in München lebenden Schwester Elisabeth Feldweg (geb. Riedler) und deren Familie bleibt er ein Leben lang eng verbunden. Von 1952 bis 1960 arbeitet Riedler als Redakteur bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung, wechselt danach zu einer Illustrierten und ab 1964 zum Bayerischen Rundfunk in die Abteilung Schulfunk. Der Literaturvermittlung widmet er sich engagiert und sachkundig. In der von ihm ins Leben gerufenen Reihe „Zehn Minuten Lyrik“ lädt er Poeten ein, über Gedichte zu sprechen. Mit 55 Jahren wird Rudolf Riedler Leiter der Hauptabteilung Kultur im Hörfunk.

Riedler ist ein Kunstkenner und -sammler und ein leidenschaftlicher Reisender. Es ist das Nomadische, das ihn reizt, die Begegnung mit Menschen und Kulturen. „Jede Reise ist ein zusätzliches Stück Leben. Wenn ich jetzt sterbe, bin ich schon hundert Jahre alt, schreibt er in einem Brief an seinen Freund Albert von Schirnding. Auch die aus einer Arthroseerkrankung resultierenden, oft starken Schmerzen halten ihn nicht davon ab, wenige Wochen vor seinem Tod wieder nach Marokko zu reisen, in das Land, zu dem er eine besondere Beziehung hat. Kurz nach seinem 60. Geburtstag stirbt er in München. 

Wichtige Werke (Auswahl)

Peter Huchel ermuntert Riedler in den 1960er-Jahren dazu, mit seiner Lyrik an die Öffentlichkeit zu gehen. Zunächst veröffentlicht er unter dem Pseudonym Rolf Buron (eine Hommage an seine Heimatstadt Kaufbeuren) eine Reihe von Kinder-, Jugend- und Reisebüchern, darunter Werke wie Das Geheimnis der Grünen Grotte (1967), Wer ist der dritte Mann? (1968) und Omar: die Geschichte eines Jungen aus Marokko (1972). Später widmet sich der Autor vor allem der Lyrik und Kurzprosa. In sein Werk fließen die Eindrücke zahlreicher Reisen ein, die ihn in die Kulturmetropolen Europas, nach Afrika, Südamerika, Südostasien, in die Karibik und den Orient führen. Riedlers Werk umfasst die beiden Gedichtbände Annäherung an Komombo (1980) und Mit den Haien schwimmen (1983) sowie die Erzählbände Im Schatten des Malers. Südsee-Geschichten (1984) und Churchills Sessel (1986), jeweils erschienen in der Münchner Edition des Schneekluth Verlags. 

Rudolf Riedler besorgt die Herausgabe mehrerer Anthologien, darunter Junge deutsche Lyrik 1 (1984), hervorgegangen aus einem Lyrik-Wettbewerb des Bayerischen Rundfunks, und gefolgt von Junge deutsche Prosa 1 (1986). Informationen zu ihrer Lyrik geben Dichter in Die Pausen zwischen den Worten (1986); Riedler selbst äußert sich zu seinem Gedicht „Sklavenhaus bei Dakar“. 1987 erscheint schließlich die Anthologie Wem Zeit ist wie Ewigkeit. Dichter-Interpreten-Interpretationen.

Stil / Rezeption

Riedlers Werk ist Ausdruck eines ausgeprägten Interesses für Menschen und die Welt. In einer Besprechung zu Im Schatten des Malers heißt es: „Riedlers Prosa kommt mit wenigen Strichen aus und ist doch genau und sensibel: subtile, konzentrierte Schicksalsgeschichten, die das Motiv des Unterwegsseins, der Heimatlosigkeit auf untergründige Weise verbindet“ (Stammel, 1988).

Für das Melancholische in seiner Lyrik mag das Gedicht „Häuser“ als Beispiel dienen: 1 // Der Schlüssel / unter der Matte / wie immer / Aber das Haus / hinter der Tür / ist fortgezogen / mit dir / ohne Angabe / der Adresse // 2 // Leer steht das Haus / Kein Gast / seit langer Zeit / Die Schwalbe / nistet nicht / fliegt ein und aus / Sand weht durchs Fenster // Die Wüste wächst: / Wohl dem / der Wüsten liebt (aus: Mit den Haien schwimmen, 1983).

Albert von Schirnding schreibt in seinem Nachruf: „Seine Freunde waren die Poeten; auch die Maler und Musiker, doch vor allem die Dichter. Selbst ein Lyriker von hohen Graden, nahm Rudolf Riedler sich ihrer phantasievoll, enthusiastisch, tatkräftig an. Der Person ebenso wie des Werks; für ihn war beides nicht zu trennen.“ Zu seinem dichterischen Selbstverständnis äußert sich Riedler im Gedicht „Schreiben“:  Mit dem Sammeln / Zählen Ordnen / ist es nicht getan // Du mußt die Wörter schütteln / in einem Sieb / Was zurückbleibt befühlen / mit der Fingerkuppe / vielleicht auch / mit der Zungenspitze / bei geschlossenen Augen // Wenig behältst du // Aber das Wenige / genügt. An seiner Totenmesse in der Theatinerkirche nehmen zahlreiche Verwandte, Freunde und Weggefährten teil. Josef Othmar Zöller, sein Kollege beim Hörfunk des Bayerischen Rundfunks, würdigt Riedler in seiner Grabrede als Homme de lettres, der die Bilder hinter den Bildern sehen wollte.

Preise & Auszeichnungen

Für sein literarisches Schaffen und sein Engagement im Bereich Kultur erhält Rudolf Riedler 1983 den Tukan-Preis der Stadt München und 1985 das Bundesverdienstkreuz.

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.

Sekundärliteratur:

Beil, Ulrich Johannes (1993): Wohl dem, der Wüsten liebt. Erinnerung an Rudolf Riedler. In: Literatur in Bayern Nr. 32, S. 50-52.

Deutsches Literatur-Lexikon (1990), begründet von Wilhelm Kosch, 3., völlig neu bearb. Auflage, Carl Ludwig Lang (Hg.), Band 12, Francke Verlag, Bern, Sp. 1205-1206.

Kürschners Deutscher Literatur-Kalender, Nekrolog 1971-1998 (1999), K. G. Saur Verlag, S. 495.

Mader, Ernst T. (1994): Literarische Landschaft bayerisches Allgäu, Verlag an der Säge, Blöcktach, S. 153, 165.

Schirnding, Albert von: „Letztes Wort für einen Freund“. Nachruf auf Rudolf Riedler in Süddeutsche Zeitung vom 10.08.1987 (zitiert bei Stammel, 1988, S. 298-300).

Stammel, Josef (1988): Rudolf Riedler (1927-1987). Schriftsteller und Abteilungsleiter im Bayerischen Rundfunk. In: Kaufbeurer Geschichtsblätter, Band 11, Nr. 7, S. 294-304. 


Externe Links:

Literatur von Rudolf Riedler im BVB

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