Die Frau der Zukunft

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2014/klein/liebespaare_Otto-gross_500.jpg
Otto Gross 1907

Im Frühjahr 1907 reist Frieda Weekly nach München. Zusammen mit ihrer in Heidelberg lebenden Schwester Else wohnt sie bei Otto und Frieda Gross. Mit Begeisterung stürzt sie sich ins Schwabinger Leben und beginnt eine Affäre mit Otto Gross, mit dem auch ihre Schwester Else liiert ist.

In ihrem Roman über Frieda Lawrence gibt die Schriftstellerin Rosie Jackson Gross den Namen Octavio und schildert die erste Begegnung: „Octavio kam aus den österreichischen Alpen und hatte das strahlende, kräftige Aussehen eines Bergbauern; er war der erste Vegetarier, den sie kennenlernte. ‚Ich werde eure scheußlichen Tierkadaver nicht essen‘, sagte er immer, und er trank keinen Alkohol.“ (Rosie Jackson: Nicht ich, aber der Wind. Das geheime Leben der Frieda Lawrence. Goldmann Verlag, München 1995, S. 319.) Die Begegnung mit Gross verändert Frieda und bei ihrer Rückkehr nach Nottingham muss sie sich von einer ihrer Töchter sagen lassen: „Du steckst in der Haut unserer alten Mutter, aber du bist nicht die Mutter, die von uns weggegangen ist.“ (Robert Lucas: Frieda von Richthofen. Ihr Leben mit D. H. Lawrence, dem Dichter der Lady Chatterley. Diogenes, Zürich 1991, S. 54.)

Was folgt, ist ein intensiver Briefwechsel zwischen den Liebenden. Für Otto Gross ist Frieda von Richthofen die Frau der Zukunft. In zahlreichen Briefen zwischen 1907 und 1908 beschreibt er sein Modell dieser Frau und bestätigt Frieda, dieses moderne und durch und durch freie Wesen zu sein.

[...] jetzt weiß ich, das Weib, dass ich für kommende Geschlechter träume, das hab ich gesehen und geliebt, das Weib meiner Zukunftsträume ist wirklich möglich, es kann existieren – es ist wie ein Wunder als Gruß der Zukunft zu mir gekommen...

Ich weiß jetzt, wie die Menschen sein werden, die nicht mehr befleckt sein werden von allen Dingen, die ich hasse und bekämpfe – ich weiß es durch Dich, den einzigen Menschen, der heute schon frei geblieben ist von Keuschheitsmoral und Christenthum und Democratie und alledem gehäuften Unrat – freigeblieben durch seine eigene Kraft.

(Meine Geliebte, ich danke Dir dass Du existierst. Erster Brief von Otto Gross an Frieda von Richthofen, ohne Datum. In: Raimund Dehmlow: Du Kreuz des Südens über meiner Fahrt. Briefe von Otto Gross an Frieda Weekly 2003. URL: http://www.dehmlow.de/index.php?option=com_content&view=article&id=156:brief-1&catid=43:briefe&Itemid=27, 08.07.2014)

Als Frieda ihren Ehemann Ernest Weekley verlässt, um fortan mit D. H. Lawrence zu leben, übersendet sie die Briefe von Otto Gross an Ernest Weekley, um ihm darzulegen, warum sie, als Frau der Zukunft, so handeln muss.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

Verwandte Inhalte