Otto Gross

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Otto Gross 1919

Der am 17. März 1877 in Gniebing, Österreich, geborene Psychiater Otto Gross lebt seit Herbst 1906 mit seiner Frau Frieda in München, wo er als Assistenzarzt bei Emil Kraepelin arbeitet. Frieda Gross stellt ihm Else, mit der sie seit der gemeinsamen Internatszeit befreundet ist, vor. Dass die beiden ein Liebespaar werden ist für Frieda Gross, die die libertinären Ansichten ihres Mannes teilt, kein Problem. 1907 wird Gross der Vater von Elses drittem Kind Peter, der als 8-Jähriger stirbt. Rainer Maria Rilke widmet seinem Andenken das Requiem Auf den Tod eines Knaben:

[...]

Da müssen ja doch tote Kinder sein,
die mit mir spielen kommen. Sind doch immer
welche gestorben. Lagen erst im Zimmer,
so wie ich lag, und wurden nicht gesund.

Gesund... Wie das hier klingt. Hat das noch Sinn?
Dort, wo ich bin,
ist, glaub ich, niemand krank.
Seit meinem Halsweh, das ist schon so lang –

Hier ist ein jeder wie ein frischer Trank.

Noch hab ich, die uns trinken, nicht gesehen

(Rainer Maria Rilke: Requiem auf den Tod eines Knaben. München, 13. November 1915. In: Ders.: Requiem. Insel, Frankfurt am Main 1950, S. 41f.)

Der kokainsüchtige Gross ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten Münchens und wird vielfach zur literarischen Figur. So bei Max Brod als Dr. Askonas:

Er macht den Eindruck eines blassen schmächtigen Gymnasiasten, dem das schmale schwarze Bärtchen eben zu keimen beginnt. Tritt er aber näher, so bemerkt man, dass sein Alter eigentlich unbestimmbar ist. Das mattbraune schüttere Haar ist wie mit einer schlechten Tinktur gefärbt, wie ausgeblasst. Dichte dunkle Augenbrauen sind die einzigen entscheidenden Linien des auf eine unheimliche Art zierlichen Köpfchens.

(Max Brod: Das große Wagnis. Kurt Wolff Verlag, Leipzig und Wien 1919, S. 119.)

Und bei Franz Werfel als Dr. Gebhart:

Gebharts Worte, seine Gesten, seine Manieren zeigten trotz der Einwirkung des Kokains eine gründliche Abgewogenheit und einen Edelmut, die ihn hoch über das Gewimmel des Säulensaals erhoben. Das zerlittene Gesicht bewies, dass der Mann, wie jede vornehme Natur, alles bar bezahlt hatte.

(Franz Werfel: Barbara oder die Frömmigkeit. Kurt Wolff Verlag, Leipzig und Wien 1919, S. 458.)

Johannes R. Becher macht aus ihm Dr. Hoch:

Bemüht, wie ein normaler Mensch zu schreiten, führte er die einzelnen Phasen jedes Schrittes so exakt aus, dass der Gang wie ein gespenstischer Tanz erschien, als sei der Körper innen mit Drähten durchzogen, die irgendjemand, vielleicht auf den Dächern drüben, in diese unheimliche verlangsamte Bewegung setzte.

(Johannes R. Becher: Abschied. Aufbau Verlag, Berlin 1995, S. 358.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl