Allgäukenner

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Sie waren schon ein paar Minuten gefahren, ohne ein Wort zu sprechen. Kluftinger genoss die Ruhe. Es war ein wunderschöner Tag. Der Himmel zeigte sich in sattem Weiß-Blau. Als sie bei Hellengerst die A980 verließen, hieß sie ein Schild mit der Aufschrift „Grüß Gott im Weitnauer Tal“ willkommen und sofort präsentierte die Landschaft grüne, sanfte Hügel, die die nahen Berge bereits erahnen ließen.

Kluftinger lässt seinen Gedanken freien Lauf, sinniert über seine Heimat und liefert dem Leser ein Stück Allgäukunde. Es ist ihm unverständlich, warum das westliche Oberallgäu und das Westallgäu immer noch im Schatten des Ostallgäus stehen und als Geheimtipp gelten. Natürlich sorgt das weltbekannte Schloss Neuschwanstein bei Füssen für die große Popularität des Ostallgäus. Der Faszination des Märchenkönigs Ludwigs II. kann sich kaum jemand entziehen. Und das Oberallgäu mit den Allgäuer Alpen wartet mit Wintersportorten wie Oberstdorf auf.

Nur das Westallgäu war touristisch noch nicht so erschlossen wie seine Allgäuer Geschwister. Vielleicht war das auch besser so, dachte er, denn mit dem Bau der Autobahn hatte die Idylle hier zumindest schon mal den Fortschritt in Form des Verkehrslärms zu spüren bekommen. Als sich Kluftinger die Höfe rechts und links der Autobahn besah, wurde er ein wenig wehmütig bei dem Gedanken, dass sie einst ein regelrechtes Einöddasein geführt haben mussten und nun den Emissionen der großes Straße ausgesetzt waren.

(Volker Klüpfel & Michael Kobr: Milchgeld. Kluftingers erster Fall. Piper Verlag, München 2005, S. 116)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt