In der Emigration

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Thomas Mann in Sanary-sur-Mer 1933

Franz Hessel bleibt ihn Deutschland, selbst als er mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten als jüdischer Autor Publikationsverbot erhält. Erst im Herbst 1938 kann ihn Helen überzeugen, seine Heimat zu verlassen und nach Paris zu gehen. Hier schreibt Franz Hessel unter dem Pseudonym „Stefan Ulrich“, gebildet aus den Vornamen seiner Söhne, fürs Feuilleton diverser französischer Zeitungen. Um den vorrückenden Wehrmachtstruppen zu entkommen übersiedelt die Familie 1940 an die französische Riviera nach Sanary-sur-Mer, der „Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil“ (Ludwig Marcuse). Sie kommen im Haus des amerikanischen Schriftstellers Aldous Huxley unter.

Gemeinsam mit seinem Sohn Ulrich wird Franz Hessel im Mai 1940 im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert. Hier trifft er Max Ernst, Walter Benjamin und Lion Feuchtwanger, der Hessels vornehme Zurückhaltung angesichts ihrer Lage nicht nachvollziehen kann:

Da waren der frühere Lektor eines Berliner Verlages, Herr H. und sein Sohn. Der Vater war ein kleiner, freundlicher, milder Herr: weder der erste Krieg noch Hitler hatten sein Wesen verändern können. [...] Herr H. lebte im Lager, als ob dieses Lager das kosmopolitische Berlin des Jahres 1913 gewesen wäre. Es war nicht ganz leicht herauszubekommen, ob sein lächelnder, kopfschüttelnder Gleichmut Philosophie war oder Verständnislosigkeit.

(Lion Feuchtwanger [1942], zit. nach: Flügge, Manfred [1989]: Letzte Heimkehr nach Paris. Franz Hessel und die Seinen im Exil. Das Arsenal, Berlin, S. 164f.)

Kurz nach seiner Entlassung stirbt Franz Hessel, gezeichnet von den Strapazen des Lagers, am 6. Januar 1941 in Sanary-sur-Mer.

Helen Hessel schließt sich dem Widerstand an und übersiedelt nach Kriegsende zu ihrem Sohn Stéphane nach Amerika. Eine Zeitlang lebt sie als Hausmädchen in Kalifornien, bis sie 1950 nach Europa zurückkehrt. 1958 übersetzt sie für den Rowohlt Verlag Nabokovs Roman Lolita ins Deutsche:

Ich bin weiß Gott immer noch etwa Lolita-besessen. [...] Wenn meine Übersetzung wirklich mit Hilfe vom Verlag, wie Kusenberg sagt, um Haaresbreite perfekt wird, kann ich beruhigt sterben; dann habe ich etwas geleistet, was mich überdauert.

(Helene Hessel, zit. nach: Wichner, Ernest; Wiesner, Herbert [1998]: Franz Hessel: Nur was uns anschaut, sehen wir. Ausstellungsbuch. Literaturhaus Berlin, S. 151.)

Am 15. Juni 1982 stirbt Helen Hessel im Alter von 96 Jahren, unbelehrbar und riskiofreudig bis zuletzt.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl