Joseph Türk

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Viktualienmarkt. Foto: Franz Klug

Robert Hültners Kommissar Joseph Türk ist ebenso ehrgeizig wie eigensinnig, kein Teamplayer, sondern ein Einzelgänger. Darin gleicht der im gegenwärtigen München ermittelnde Polizeibeamte seinem historischen Kollegen Kajetan. Türk löst die Fälle Das schlafende Grab und Fluch der wilden Jahre.

Das Publikum ist begeistert vom Programm des in München gastierenden „Cirque Gitane“, der anfangs im Mittelpunkt des Romans Das schlafende Grab steht. Als einer der Artisten ermordet wird und sein Partner verschwindet – beide Angehörige einer ungarischen Sinti-Familie –, nimmt Kommissar Türk die Ermittlungen auf. Sie führen ihn ins Münchner Filmmuseum und in eine Seniorenresidenz am Viktualienmarkt, in der viele alte Schauspieler ihren Lebensabend verbringen. Türk hat schnell herausgefunden, dass im Hintergrund der aktuellen Geschehnisse ein Verbrechen aus der Vergangenheit steht.

Doch jetzt, als er im Innenhof des Stadtmuseums stand und nach einem Hinweisschild zum Büro der Filmabteilung suchte, begann der Kaffee seine Wirkung zu tun. Die bleierne Müdigkeit in seinen Gliedern und das dumpfe Wummern seines Pulsschlags waren einer fast euphorischen Wachheit gewichen, und es war ein Leichtes gewesen, der Sekretärin des Filmmuseums vorzumachen, dass er im Nachlass seines Großvaters einen Stapel alter Filme gefunden hätte, mit den Beschriftungen aber nichts anfangen könne, weshalb er keine Ahnung habe, ob es sich um einen wertvollen Fund handle oder ob er das verstaubte Zeug nicht besser in die Tonne kippen sollte. „Unterstehens Ihnen!“ hatte sie mit freundlicher Strenge gemahnt, zum Telefon gegriffen und ihn im Kopierlager angemeldet. Bunkeratmosphäre empfing ihn, als er den Keller des Filmmuseums betrat.

(Rudolf Hültner: Das schlafende Grab. Türks erster Fall. btb, München 2004, S. 132f.)

Türk kommt ins Gespräch mit der Besitzerin eines Tabak- und Zeitschriftenladens am Viktualienmarkt: Auf seine Frage nach der Schauspielerin Lia Casaro antwortet sie ohne zu zögern, sie kenne alle, die dort wohnen.

Kurze Zeit später drückte Türk auf den Klingelknopf unter dem Schild L.C. und gab sich als Mitarbeiter der Hausverwaltung aus, deren Name neben dem Eingang angebracht war. [...] Es war still. Die Geräusche des Marktplatzes waren fern. Türk sah sich um. Der Raum war dunkel möbliert und strahlte eine vergangene Noblesse aus. Von den lavendelgetönten Wänden sahen Frauen und Männer in exaltierten Posen auf ihn herab. Die Casaro, allein, tragisch umflort. Die Casaro als blonde Verführerin. Die Casaro mit Willi Fritsch. Die Casaro mit Karl Schönböck, die Casaro, der ein unbekannter Smoking-Galan eine Rose überreichte, die Casaro... „Madame lässt bitten.“ Herr Rudolph machte eine eckige Handbewegung in das Innere des Salons. Dichte Stores tauchten den Raum in eine weiche Dämmerung. Rauchschwaden standen bewegungslos über dem Lehnstuhl, in den sich die alte Diva drapiert hatte. Sie drückte eine Zigarette aus.

(S. 140ff.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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