Strand-Hotel

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Fasching 1926 im Strand-Hotel Murnau, vorne links Ödön von Horváth. Unten: Anzeige im Staffelsee-Boten zum Faschingsball. © Privatsammlung

Die Charaktereigenschaften der realen Vorbilder sind in der Komödie Zur schönen Aussicht deutlich zu erkennen. Der ehemalige Inhaber des Strand-Hotels und des Café Almrose, Heinz Reichhard, weist in vielerlei Hinsicht Parallelen zum Besitzer des „Hotels zur schönen Aussicht“, Strasser, auf.[1] Reichhard, der das Strand-Hotel zwischen 1921 und 1926 führte und dessen Nachname an erster Stelle in der Vorarbeit Nach der Saison steht, war von 1921 bis 1922 Geschäftsführer des Kurhotels Staffelsee und des Strandcafés. Am 1. Mai 1923 wurde er Pächter des Kurhotels zusammen mit seiner Frau Gustl Müller, die ebenfalls in der Vorarbeit namentlich erscheint.

Sein „Hotel war lustig, aber völlig verkommen“ (Lajos von Horváth). Man sagte Reichhard, der nie Geld besaß, nach, dass er immerzu Liaisons mit Damen der gehobenen Gesellschaft suchte. Nach Lajos von Horváth dienten auch Hotelangestellte und manche Gäste als Vorbilder für das Figurenarsenal in Zur schönen Aussicht. So gab es dort einen Kellner (wie Max), der durch seine Präpotenz auffiel und den die Gäste „immer wieder in seine Schranken verweisen“ mussten – er „servierte immer in Socken; seine Schuhe standen dann mitten im Lokal“:[2]

Strasser Du sollst dir den Frack anziehen.

Max folgt zögernd; zieht sich unter allerhand Faxen langsam den Frack an und lächelt gelangweilt.

Die Sonne verschwindet hinter einer Wolke.

Schüttelt sich und schlägt rasch den Kragen hoch. Brrr! Jetzt friert es mich. Er tritt vor das Pult; er ist barfuß. Ich muß mir nur noch die Schuhe holen. Ab in den Speisesaal.

Die Sonne scheint wieder.

Karl sieht Max nach: Ein geborener Verbrecher.

Strasser Die Alte behauptet, er hätte eine reine Seele.

Karl Aber dreckige Füße.[3]

Auch der einzig zahlende Stammgast des Hotels, Horváths Ada Freifrau von Stetten, ein „aufgebügeltes, verdorrtes weibliches Wesen mit Torschlußpanik“[4], das mit seinem Geld die Männer verführt, um seine Machtgelüste auszutoben, hat ein lebendes Vorbild in Murnau: eine „Mitfuffzigerin, eine sehr lebenslustige Person“, die ihre Partner „unter der Jeunesse d'orée Murnaus“ wählte und „einige Häuser von der Pension entfernt“ eine Villa bewohnte.[5]



[1] Im Einzelnen nachgewiesen in: Tworek-Müller, Elisabeth (1980): Modell Murnau. Die Darstellung des Kleinbürgertums in den Stücken Italienische Nacht und Zur schönen Aussicht von Ödön von Horváth. München (unveröffentl. Staatsarbeit).

[2] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 1, S. 291.

[3] Ebda., S. 140.

[4] Ebda., S. 141.

[5] Ebda., S. 291.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik