Café Stefanie

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Café Stefanie, um 1900 (Foto: Privatbesitz)

20. September 1903

Letzten München-Tag kam Adam, wehmütig mit ihm bei mir, mir wird so unsagbar wohl, wenn ich ihn in der Nähe weiß den guten doßen Woja. Er kommt daher wie Bergluft. Abends mit ihm Osteria, unendlich viel von Klages gesprochen, noch nachher vor dem Café die Straßen auf und ab. Dann mit Such und Carlo im Stephanie bis spät. Konnte es dann nimmer in München und Hesselfranzerei aushalten und Hals über Kopf den nächsten Tag aufgepackt und hierher.

(Tagebücher, S. 297)

Das Café Stefanie in Amalienstraße 25, Ecke Theresienstraße, ist das Wohnzimmer der Boheme. Franziska zu Reventlow trifft dort die Männer, mit denen sie erotische Beziehungen pflegt: Bohdan von Suchocki und Karl Wolfskehl. Vorher hat sie mit Albert Hentschel, genannt Adam oder Woja, über Ludwig Klages gesprochen, von dem sie sich zu diesem Zeitpunkt schon entfremdet hat. Franz Hessel, der mit ihr und Suchocki im Eckhaus in der Kaulbachstraße lebt, wirft sie mangelnde Sensibilität vor. Schon früh hat sie erkannt, wie wichtig es für sie ist, sich nicht nur auf einen Mann zu konzentrieren, sondern sich vielfältigen Ausgleich zu verschaffen, um der Fixierung zu entgehen. Dabei ist ein fragiles Beziehungsgeflecht entstanden, das sie immer wieder neu austarieren muss, um eine gewisse Balance herzustellen.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt