Per Daniel Amadeus Atterbom über München II

Soweit ich hier von allen Vernünftigen höre, hat man wenigstens hinsichtlich der Denk- und Redefreiheit nichts zu befürchten. Süddeutschland korrespondiert wirklich mit Schweden darin, dass im Gemüt des Volkes auch hier, wie in unserem Norden, ein frischer, unausgesogener, kräftiger Boden liegt, aus welchem die edlen Samenkörner, die jetzt dort ausgesät werden, zwar langsamer emporschießen als in Norddeutschland, aber nach aller menschlichen Berechnung zu reicherer und dauernderer Ernte. In Norddeutschland, zum Beispiel in Berlin, scheint mir eine abstrakte, eitle Vergeistigung zu herrschen, ein gefährliches Unvermögen, welches an Dürre und Verwelkung grenzt.

Per Daniel Amadeus Atterbom, Menschen und Städte, 1818 (Zit. aus: Per Daniel Amadeus Atterbom: Menschen und Städte. Begegnungen und Beobachtungen eines schwedischen Dichters in Deutschland, Italien und Österreich 1817-1819. Hg. v. Christel Matthias Schröder. Hamburg 1947, S. 106f.)

 

Per Daniel Amadeus Atterbom (1790-1855), schwedischer Dichter und Kunstgelehrter; Aufenthalt in München: 1818

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek