Henrik Ibsen über München II

Mein lieber alter Freund!

Wir sind nun in unsere neue Wohnung, Schellingstraße 30, zweite Etage, gezogen, wo wir uns außerordentlich zufrieden fühlen und wo ich meine neue Arbeit rasch abzuschließen hoffe. Den Doktor Schmidt sehe ich in dieser Zeit nicht täglich, aber ziemlich häufig. Gestern, Sonnabend, war ich mit ihm, Heyse und Carriere im „Achatz“ zusammen und hatte so Gelegenheit, Deine Grüße ziemlich frisch abzuliefern, und ich sende Dir die besten Gegengrüße. Du hast hier aufrichtige und treue Freunde zurückgelassen. Ob Heyse mit seiner Upsalafahrt Ernst macht, weiß ich nicht mit Bestimmtheit... Im „Krokodil“ fragen sie häufig nach Dir. Der Doktor Grandaur bittet Dich um eine literarische Auskunft für seine Theatergeschichte ... Von Deinen Hinterlassenen in der „Gartenstraße“ haben wir in der Umzugswoche nichts gesehen, hoffen aber, dass es ihnen gut geht, und werden sie wahrscheinlich heute Abend sehen ... Nun, lieber Freund, leb wohl! Wenn nicht früher, so 1877 hoffe ich, wir treffen uns in Upsala!

Dein getreuer Henrik Ibsen

Henrik Ibsen an Lorentz Dietrichson, Brief vom 29. April 1877 (Zit. aus: Henrik Ibsen: Briefe. Hg. v. Julius Elias und Halvdan Koht. Berlin 1905, S. 256f.)

 

Henrik Ibsen (1828-1906), norwegischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1875 bis 1878

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek